06
Nov 2022

Streaming-Kritik: WEREWOLF BY NIGHT

Themen: Film, TV & Presse, Neues |

USA 2022. Regie: Michael Giacchino. Darsteller: Gael García Bernal, Laura Donnelly, Harriet Sansom Harris

Story: Der legendäre Monsterjäger und Träger des “Blutsteins” Ulysses Bloodstone ist verstorben und im Verlauf einer Jagd soll sein Nachfolger gefunden werden. Dabei geht es nicht nur darum, eine Kreatur der Nacht zu erlegen, sondern auch die Konkurrenz auszuschalten. Zu den Außenseitern des Events gehören der mysteriöse Jack Russell und Elsa Bloodstone, die verstoßene Tochter von Ulysses.

Kritik: Manchmal habe ich das Gefühl, das Leben in Form des Internets rauscht immer mehr an mir vorbei. So habe ich die neuste Marvel-Produktion nicht nur während der Produktion verschnarcht, sondern beim Release auch noch. Ich schäme mich, aber WEREWOLF BY NIGHT ist mir erst vor drei Tagen das erste Mal angetragen worden. Wie es aussieht, hänge ich hoffnungslos hinterher.

Da nächste Woche bereits WAKANDA FOREVER ansteht, beeile ich mich mal fix, die Scharte auszuwetzen. Also WEREWOLF BY NIGHT.

Ein paar Informationen braucht ihr vorab: es handelt sich hierbei weder um einen Film noch um eine TV-Serie. Es ist ein “TV-Special” des Hauses Marvel für die Halloween-Saison 2022. So erklärt sich die etwas kuriose Laufzeit von 52 Minuten. Das Special basiert auf der Horror-Comicserie gleichen Namens:

Regie führt dabei Michael Giacchino, der sich in den letzten Jahren zum “go to”-Soundtrack-Komponisten für Großproduzenten gemausert hat (Star Trek, Star Wars, Pixar, Marvel, etc.), aber weitergehende Ambitionen pflegt.

Als einzelnes Special sollte man nicht die Epik und den Aufwand der üblichen Marvel-Produktionen erwarten, aber das wäre sowieso fehl am Platz, denn wie der Trailer bereits deutlich macht: hier wird den Gruselfilmen von Universal, Hammer und der Poverty Row gehuldigt – in angemessenem Schwarzweiß:

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Ähnlich wie DC hat ja auch Marvel eine Reihe an Figuren aus den magischen, mystischen und übernatürlichen Sphären präsentiert, die nicht immer nahtlos zu den üblichen Superhelden passen und besser in der eigenen Nische funktionieren.

Darüber hinaus stellt WBN einen Reboot für das Man-Thing dar, das ebenfalls aus der “spooky” Ecke des Marvel-Comicuniversums stammt:

Es wird sich kaum jemand erinnern, aber LAWNMOWER MAN-Regisseur Brett Leonard hatte sich ja schon 2005 an der Figur überhoben.

Berücksichtigt man alle diese Elemente, dann verwundert nicht, dass WEREWOLF BY NIGHT weniger als Spielfilm und mehr als Prolog, Episode oder Ausschnitt eines größeren Teils des MCU funktioniert, der bisher noch nicht ausreichend bedient wurde. Er schert sich wenig um Kontext oder die vierte Phase des Marvel-Universums, sondern dreht sein komplett eigenes Ding – und zeigt dabei, wie man das “Dark Universe”, das Universal ja mehrfach verkackt hat, effektiver hätte aufziehen können.

Wer AN AMERICAN WEREWOLF IN LONDON liebt, der ist hier genau richtig.

WEREWOLF BY NIGHT ist schlicht… tons of fun. Auf klassische Art spannend und gruselig, mit schrägen Figuren, einer den 30er/40er Jahren angemessenen Theatralik, bombastischer Musik und genau der Sorte von rotzigem Humor, der die knapp erzählte Schauermär nicht ins Pathos kippen lässt. In seinem Entschluss, weitgehend auf analoge Effekte und reale Bauten zu setzen, stellt der Film einen angenehm handgemachten Gegenentwurf zu den immer mehr ausufernden MCU-Kinofilmen dar. WBN ist deutlich kompakter und damit auch zugänglicher als MULTIVERSE OF MADNESS, LOVE & THUNDER oder das, was der Trailer zu ANT MAN 3 befürchten lässt.

Kurz gesagt: WEREWOLF BY NIGHT beweist, dass Marvel kleiner KANN, wenn Marvel kleiner WILL. Und das ist über die Geschichte hinaus vielleicht die wichtigste Erkenntnis. Ich würde mich sehr freuen, wenn man das Projekt tatsächlich als einen Startschuss für eine Art “MCU dark” nehmen würde.

Darüber hinaus habe ich das Gefühl, dass WEREWOLF BY NIGHT deutlich mehr Entertainment in 52 Minuten bietet als WAKANDA FOREVER in 161.

Fazit: Eine großartige Gruselmär mit viel Humor und Stilgefühl, die in einer gerechten Welt als Start einer “Dark Universe”-Reihe von Marvel fungieren würde.

P.S.: Als Ko-Autor zweier Bücher über die B-Film-Legende Charles Band sehe ich mich verpflichtet, auf die verdächtige Ähnlichkeit des Bloodstones von WERWOLF BY NIGHT mit dem Bloodstone aus Bands Subspecies-Reihe hinzuweisen:

Außerdem hatte Band schon in den 90er vor, mit LEGION OF DOOM ein eigenes Heldenuniversum mit den mystischen Figuren seiner Film zu starten:



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12 Kommentare
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Markus Hahn
Markus Hahn
6. November, 2022 17:17

Hallo Torsten,
Ulysses Bloodstone hatte 1975 in der Comic Reihe Marvel Presents 1+2 seinen ersten Auftritt! Da fragt man sich wo Charles Band seine Subspecies Bloodstone Idee herhatte?

Markus Hahn
Markus Hahn
6. November, 2022 18:06
Reply to  Torsten Dewi

😱

Waldmeister Warrior
Waldmeister Warrior
6. November, 2022 22:23

das Leben in Form des Internets

Das ist die traurigste Formulierung, die ich je gelesen habe.

comicfreak
7. November, 2022 11:27

Das klingt sehr erfreulich 🙂
Jetzt heißt es warten, bis das außerhalb vin Disney+ zu sehen ist

milan8888
milan8888
7. November, 2022 12:33

War sehr launig und dürfte gerne 2-3 mal im Jahr mit einem neuen Spezial auftauchen.

Aber viel interessanter: Andor schon gesehen?

milan8888
milan8888
7. November, 2022 13:49
Reply to  Torsten Dewi

Zu recht. Allerdings ist Andor ein ganz anderes Kaliber

Gregor
Gregor
8. November, 2022 16:14

Hi Torsten,
danke für den Tipp, sehr unterhaltsam, bin nicht so 100% im MCU, warum spielt da Jessica Jones mit?

Gregor
Gregor
8. November, 2022 18:09
Reply to  Torsten Dewi

Ach krass, das ist echt eine andere Schauspielerin, aber die spielt ja auch noch einen sehr ähnlichen Karakter, und das soll bei Marvel Zufall sein? Da bin ich ja mal gespannt auf einen Schwestern-Cross-over.