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Jun 2021

First Look: LOKI

Themen: Film, TV & Presse |

Story: Im Getümmel um den Kampf gegen Thanos ist es Loki gelungen, mit dem Tesseract zu fliehen. Leider hat er damit augenscheinlich den “heiligen Strom der Zeit” verändert, was die gigantische Time Variance Authority auf den Plan ruft, die für die Integrität von Raum und Zeit verantwortlich ist. Der Beamte Mobius M. Mobius nimmt sich seiner an und erklärt dem Gott des Schabernacks, dass es nun im Multiversum aufzuräumen gilt. Die Idee, zur Abwechslung mal einer der “Guten” zu sein, ist allerdings nichts, wofür sich Loki sonderlich begeistern kann….

Kritik: Ich war ja einer der lautstarken Kritiker von Marvels Entscheidung, die Fernsehlizenzen für andere Networks und Streaming-Dienste auslaufen zu lassen, um künftig auch die TV-Produktionen selber zu stemmen. Gerade um die Netflix-Maxiserien ist es schade, auch wenn sie gegen Ende deutlich schwächelten.

Aber es lässt sich nicht bestreiten, dass die Marvel-Maschine mittlerweile ein derartiges kreatives “powerhouse” geworden ist, dass man mit der vorhandenen Infrastruktur eben nicht nur Blockbuster in Serie stemmen kann, sondern auch Serien im Stile von Blockbustern. Retrospektiv betrachtet mögen WANDAVISION und THE FALCON & THE WINTER SOLDIER nicht perfekt gewesen sein, aber sie waren nahe dran – und meilenweit dem überlegen, was wir bisher als Superheldenfernsehen erwarten durften.

Vielleicht liegt der Trick darin, dass Marvel genau genommen keine Filme und Serien produziert, sondern Geschichten basierend auf Figuren eines gigantischen Universums. Das intendierte Medium ist zweitrangig. Es ist, als stünden die Showrunner von Marvel wie der WATCHER in ihrem eigenen Kosmos und brauchen immer nur den Blick streifen lassen, um mal größere, mal kleinere Dramen aufzugreifen, mal längere, mal kürzere Konflikte. Das MCU ist ein Supermarkt, in dem man sich nur bedienen muss. Und ein guter Koch kann aus allem was Leckeres zaubern.

Und so ist auch LOKI eben genau das NICHT, was Marvel immer vorgeworfen wird – ein 08/15-Superheldenspektakel vom Reißbrett. Stattdessen versucht sich Marvel nach der Dekonstruktion von WANDAVISION und dem politisch-militärischen Drama von FALCON & WINTER SOLDIER an einer absurden Dramedy, in der Zeit und Wirklichkeit fragile Konstrukte sind und selbst die Ereignisse von ENDGAME letztlich keinerlei Bedeutung haben. Die TVA ist die Stadtverwaltung des gesamten Universums, eine Behörde, die mit stoischer Ruhe und festen Regeln alles zusammen hält, ohne für die Menschen sichtbar zu werden. Sie ist der Blick hinter die Kulissen einer Wirklichkeit, der sich selbst die Götter unterordnen müssen.

Das ist gewollt “kleiner” und klaustrophobischer als FALCON & WINTER SOLDIER. Die niedrigen Decken und das 60er/70er-Design der TVA pressen die Figuren bis zur Atemnot. Teilweise hat mich das an den großartigen KEEP AN EYE OUT von Quentin Dupieux erinnert. Die wenigen Blicke in die Mächtigkeit dieser verborgenen Welt sind unfassbar weit, aber dennoch irgendwie gefangen:

Natürlich kann man nach der ersten Folge noch nicht sagen, wohin sich das entwickeln wird, nur ein gewisse Stoßrichtung wird klar: Loki und Mobius bilden ein komplexes Buddy-Team, das den Zeitstrom richten soll, aber dabei vorerst das Chaos immer mehr vergrößert.

Was ich jetzt schon beurteilen kann: Wilson und Hiddleston haben sichtlich einen Heidenspaß und es gelingt den Autoren, was in Filmen wie BIRDS OF PREY und CRUELLA und MODOK nicht funktioniert: den Bösewicht zum Helden zu machen. Loki ist nämlich nicht einfach böse, er ist ein komplexer Charakter mit vielen Verletzungen, dem das Universum eine unglückliche Rolle zugewiesen hat. In den Gesprächen zwischen Loki und Mobius wird sehr konsequent unter der Oberfläche gerührt und es ist absolut plausibel, dass sich Loki in dieser Situation und angesichts dieses Konflikts entscheidet, nicht weniger authentisch für die gute Sache zu kämpfen wie sein Bruder Thor – ohne sich dabei untreu zu werden.

Ich bin rechtschaffen beeindruckt. In 6 Wochen kriegt ihr meine “final thoughts”.

Fazit: Hoch unterhaltsames Zeitreise-Theater mit viel Liebe für schräge Details. Ein erneutes Geschenk an die Marvel-Fans – Neueinsteiger im MCU dürften allerdings überfordert werden.

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dermax
dermax
10. Juni, 2021 13:53

Endlich mal ne Marvelserie gesehen vor dem Pilot-Review des Meisters 🙂
Ich bin deutlich zurückhaltender, speziell die Plausibilität der TVA liegt mir schwer im Magen, also Loki wird zur Rechenschaft gezogen, weil man ihm den Tesseract vor die Füsse geschmissen hat, die Zeitreisen der Avengers und von Thanos waren aber alle kein Problem?
Und ansonsten sehr viel Exposition und Rückblenden, noch ein kleiner “WTF”-Moment (die Schublade) und viel Schwelgen in der Ausstattung. Und wurde Owen Wilsons Narbe an der Nase noch verstärkt?
Aber mal sehen, bei Wandavision war ja auch 3 Folgen lang eher Ratlosigkeit Küchenchef.

Christian Siegel
11. Juni, 2021 16:48
Reply to  dermax

Bin da eher bei dir als bei Torsten, denke aber auch, dass man die Serie – eh so wie auch WandaVision und Falcon & Winter Soldier – erst wieder rückblickend bewerten wird können. Insbesondere, da dort die Exposition auf die kompletten Miniserien aufgeteilt war, und ich hier nun den Eindruck hatte, man schmeißt das alles in die erste Folge, um dann so richtig aufdrehen zu können. Insgesamt war das jetzt erstmal noch nicht so packend, zumal der Humor bei Marvel für mich auch schon mal besser funktioniert hat. Mein Interesse wurde aber – insbesondere auch im Hinblick auf die abschließende Wendung – definitiv geweckt.

Martzell
10. Juni, 2021 15:08

Marvel hat es geschafft das Comicuniversum in ein zusammenhängendes Filmuniversum umzusetzen. Wie eine Soap Opera, mit einer endlosen Handlung. Dabei ähneln sich die Superheldenverfilmungen immer mehr den Comics an. Die Schwierigkeit dabei ist es nicht völlig lächerlich werden zu lassen. Fliegende Superhelden, fliegende Städte und Hauptquartiere, Flüge in andere Sonnensysteme und Welten. Was mich stets sichtbar stört, sind bunte Lichtstrahlen die aus den Händen strömen und Kräfte stets so stark dass sie die Story ermöglichen. Superhelden-Drehbuchautoren haben es einfach, die können jederzeit eine Deus Ex Machina aus dem Hut zaubern.

Schon als Jugendlicher fragte ich mich beim Lesen der Gruppe X Comics, warum die Schurken, anstatt ihrer erschreckend ineffizienten Strahlenwaffen, nicht Panzerfäuste nehmen. Mittlerweile stelle ich mir Fragen wie: Wer finanziert all die Schäden, durch wen sind die Superhelden legitimiert und warum bekommen die nicht sofort posttraumatische Belastungsstörung nachdem sie sich einmal auf Leben und Tod mit bloßen Fäusten, barbarisch Fleisch gegen Fleisch, geprügelt haben. Kann man aber auch bei James Bond fragen, was den motiviert, lebensgefährlich auf einem Kran rumzukämpfen.

WaboSG
WaboSG
13. Juni, 2021 12:30
Reply to  Martzell

Naja, zumindest der erste Punkt ist halt der Handlungsbogen an sich. Superheld kann neues Problem nicht bewältigen und muss sich neu erfinden (altes Trauma überwinden oder seine Fähigkeiten richtig verstehen; Ironman, Thor und Thor3, etc). Ich würd mich auch nicht beschweren, dass in Katastrophenfilmen niemand der ersten Warnung glaubt oder, dass sich in Liebesfilmen zwei beziehungsfähige erwachsene Singles spontan begegnen (so ab Anfang dreißig sind Lichtstrahlen aus den Händen glaubwürdiger /s).
Außerdem: Meistens ist es keine Deus Ex Machina, sondern genau die Dekonstruktion, die der Held bewältigt, der Schurke aber nicht. Der Held bekommt (durch den Schurken) seine Schwachstelle offenbart (Arroganz, Versagensangst, Naivität oder schlicht Schwäche als solche) und überwindet diese. Der Schurke ist nicht reflexiv und erkennt seine Schwäche nicht.
Außerdem2: Viele Schurken werden ja nach dem Schlüssel-Schloss Prinzip rückwärts entworfen. Wie könnte ein Gegner aussehen, den der Held nicht besiegen kann? Und wie kann er ihn dann doch besiegen?

Zur Frage des Schadens (Psychisch wie Physisch): Diese wird in einigen Storys aufgegriffen (CapA:Civil War, Invincible, KickAss, KingdomCome, the Incredibles1 und 2 und sicher am umfangreichsten und besten in Watchmen), macht aber mMn eine andere Zielgruppe aus. Wenn man diese Frage wirklich stellt, wird aus der Superkraft ein Drama. Der Comedian erkennt, dass Gewalt in der Welt ist – wer sie anwendetet ist eigentlich egal, solange die, die sie verhindern könnten es nicht tun.

sergej
sergej
11. Juni, 2021 18:13
Tantejay
13. Juni, 2021 21:25

Neueinsteiger hier. Aber ich bin zugegebenermaßen gut darin, Dinge, die sich auf andere Teile beziehen, einfach zu ignorieren und die Story zu genießen, wenn sie gut erzählt wird.

Was hier passiert. Freu mich auf die nächsten Folgen.