First Look: MARVELS M.O.D.O.K.
Themen: Film, TV & Presse |Es war zu erwarten, dass die schiere Dominanz und der wirtschaftliche Erfolg des Marvel-Universums einige schräge Früchte tragen würde. Jeder will ein Stück vom Kuchen und wenn die Rechte von Spider-Man und Captain America vergeben sind, dann schaut man halt im "back catalog" nach, was noch frei ist. So kommt es, dass wir demnächst schon den zweiten Kino-Blockbuster basierend auf VENOM sehen werden. Darum gab es einen GENERATION X-TV-Film mit "Helden", von denen bis dato nur echte Marvel-Nerds gehört hatten. Darum adaptiert Marvel Sachen aus der B-Schublade wie INHUMANS und ETERNALS:
It’s not stupid if it works!
Der zweite Effekt der Marvelmania ist die Notwendigkeit, längst nicht mehr nur die Kostümträger selber als Protagonisten auszuschlachten, sondern auch unwichtige Randfiguren und Bösewichte. AGENTS OF SHIELD und AGENT CARTER handelten letztlich nicht von Helden, sondern von Handlangern, die man zu Helden umfunktioniert hatte, weil man sich die Helden nicht leisten konnte.
Ich habe im Kontext von SUICIDE SQUAD und HARLEY QUINN schon darüber gesprochen – ich tue mich schwer mit der Idee, Schurken zu missverstandenen "Outcasts" zu erklären und in den Mittelpunkt zu stellen. Das kann in seltenen Fällen mal eine überfällige Neubewertung von Charakteren und Motivationen auslösen (siehe THE KILLING JOKE), aber meistens ist es verachtenswerter Revisionismus, der aus Tätern Opfer und aus Verbrechen Hilferufe macht. Demnächst möchte uns Disney z.B. weismachen, dass die sadistische Cruella, die ihren Lebenszweck in der Verarbeitung von süßen Dalmatinern zu Pelzmänteln sieht, eigentlich ein bemitleidenswertes Mobbing-Opfer ist:
What’s next? Hitler, der eigentlich nur die Entwicklung von gasgetriebenen Haushaltsgeräten voran treiben wollte und etwas übers Ziel hinaus schoss?!
Klar kann man jetzt sagen, dass ich erheblich zu viel in diese "Reimaginings" reinlese, aber tatsächlich sorge ich mich, dass wir Gut und Böse bis zur Unkenntlichkeit relativieren und letztlich derjenige der "Held" ist, der die coolsten Sprüche macht und am schnellsten abdrückt.
Damit kommen wir endlich zum Thema, nämlich Hulus/Disneys neuer Trickserie MARVELS M.O.D.O.K., die sich eines obskuren Schurkens bedient, um ihn in den Mittelpunkt einer Stop Motion-Sitcom mit Welteroberungsplänen zu stellen.
Ja, das ist so schräg, wie es klingt. Während der (seit Kindheit, also anders als in den Comics) deformierte M.O.D.O.K. sich mit den Avengers und der Übernahme seiner Terrororganisation A.I.M. durch den Internet-Hipster-Konzern Grmbl herum schlägt, muss er privat versuchen, seine Frau Jodie von der Scheidung abzubringen und das Familienleben intakt zu halten.
M.O.D.O.K. steht übrigens für „Mechanized Organism Designed Only for Killing“.
Im Original fährt die Serie eine durchaus beeindruckende Riege an Sprechern auf, neben Patton Oswalt sammeln sich auch Jon Hamm, Nathan Fillion, Whoopi Goldberg, Bill Hader und Melissa Fumero um die Mikros.
Ich muss gestehen, dass ich der Serie nichts wirklich vorwerfen kann: die Animation ist so flüssig wie die Action, einige Gags sind clever, und die Laufzeit wird mit ausreichend Twists und Überraschungen gefüllt. Aber es hat mich nicht abgeholt, nicht begeistert. Weder ist M.O.D.O.K. eine Figur, deren Schicksal mich interessiert, noch möchte ich ihn als Protagonist erfolgreich sehen. Und die Kombination aus Sitcom-Plots und marvel’schem Comic-Größenwahn ist drollig – aber drollig reicht eben nicht.
Fazit: ROBOT CHICKEN meets ICH – EINFACH UNVERBESSERLICH in einer gut produzierten, aber letztlich beiläufigen Marvel-Randproduktion. Nicht schlecht, aber nicht meins. Your mileage may vary.
"Klar kann man jetzt sagen, dass ich erheblich zu viel in diese "Reimaginings" reinlese, aber tatsächlich sorge ich mich, dass wir Gut und Böse bis zur Unkenntlichkeit relativieren und letztlich derjenige der "Held" ist, der die coolsten Sprüche macht und am schnellsten abdrückt." Trifft ins Schwarze (pun intended).
Einer der Gründe, warum mich die Bearbeitung von Star Wars ärgert: Han Solo schoss zuerst. In einem Bruchteil einer Sekunde war klar, dass man ihm nicht trauen kann. Und unsere Sympathieträger müssen sich ihm anvertrauen! Und jetzt? Jetzt ist böse nicht mehr böse, gefährlich nicht mehr gefährlich. Beliebige bonbonbunte Ballerei ohne moralischen Kompass ist Verblödung.
Wir wissen, wie schwer es Black Widow hatte und was sie zu dem machte, was sie ist. Muss man das jetzt auch noch zeigen? Muss man den Hobbit zu einer Trilogie auswalzen, um noch jede einzelne kleine Nebensächlichkeit zu zeigen?
Diese gefühlsduselige Beliebigkeit ist flach, lässt keinen Raum zur Vorstellung und nimmt damit Spannung. Aber: Es gibt ein Publikum, dass das nicht sieht, nicht sehen will, daran nicht interessiert ist.
Jetzt, wo Bezos MGM aufkauft, bekommen wir ja vielleicht wirklich einen hochinteressanten Einblick in die noch nicht erzählte Kindheit von James Bond und können endlich miterleben, wie er zu einem knallharten Killer für den Staat wurde! Yay, das wäre doch toll…
"Die Pläne wurden unter großen Opfern erobert!", oder so ähnlich sagte Prinzessin Leia. Klasse! Mehr muss man nicht wissen, man kann phantasieren. Und dann wurde das gezeigt… Warum? Cruella ist missverstanden, Malificent im Herzen gut. Von Ursulas guten Kern sind wir bisher verschont geblieben. Mag daran liegen, dass sie äußerlich nicht viel hergibt, um als attraktives weibliches Wesen zu gelten.
Aber Vampire glitzern jetzt ja auch schön in der Sonne und sind total romantisch. Warum muss alles so flach ausgewalzt werden?
Maleficent ist ein weiteres gutes Beispiel, in der Tat – wer wollte je wissen, was die böse Stiefmutter im Märchen motiviert?
Das eigentlich unverständliche an der Sache ist, dass wir das gleich ZWEIMAL erfahren haben. Eines der unnötigsten Sequels ever.
Für die Diskussion möchte ich einfach mal Star Trek in seinen großen Zeiten in den 1990ern dagegen halten. Da würden große, böse Gegenspieler eingeführt wie die Borg, die Jem’Hadar, das Dominion, die Klingonen (bereits in den 1960ern) oder von mir aus auch die Ferengi – um dann im Nachgang zu zeigen, warum sie so handeln, wie sie handeln. Etwas zu erklären heißt ja noch lange nicht, etwas auch zu entschuldigen.
Es tut mir leid – du hast nicht verstanden, was ich oben geschrieben habe. Es geht darum, Bösewichte zu Protagonisten zu machen, was weder die Borg noch die Jem’Hadar noch das Dominion je waren. Sie waren immer die Antagonisten, mit deren Motivation man natürlich spielen kann. Hinzu kommt, dass ich nicht von reformierten Bösewichtern wie Black Widow rede – DAS kann man natürlich machen. Ich rede von Serien und Filmen, die eindeutige Bösewichte zu Helden erklären (siehe die genannten Suicide Squad und Harley Quinn und Venom).
Okay, das ist ein Aspekt an der Black-Widow-Verfilmung, den ich noch nicht gesehen habe.
Ah okay – dann ist das in der Tat doch ein Unterschied.
Wie würdest Du denn JOKER in diesem Zusammenhang bewerten?
FAZ zur Serie:
https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/puppen-und-power-marvel-s-m-o-d-o-k-bei-disney-17361503.html
Mit zu viel leere Lobhudelei der Macher – und ich habe das dumpfe Gefühl, der Autor hat die Entstehung von MODOK nicht aus der Serie, sondern aus der Wikipedia.
Ich bin auf deine Kritik zu Cruella gespannt^^
Habe ich null Interesse dran.