Schmutzfinken der Großstadt
Themen: Neues |Keine Sorge, ich werde heute nicht das alte Lied "früher war alles besser" anstimmen. War es nämlich nicht. Ich kann mich gut an den Düsseldorfer Hauptbahnhof vor der großen Sanierung in den 70ern erinnern – und an die Scheiße, die aus den Toiletten überquoll. Ich erinnere mich an vollgepisste Hauseingänge und an Mülltonnen, die man nicht mal mit Arbeitshandschuhen anfassen wollte. Die Welt meiner Kindheit war nicht minder von Schmutz, Scherben und Verwahrlosung geprägt als die Gegenwart – nur Graffiti gab es nicht.
Es mag auch eine Frage des Alters sein, dass ich mich über Dinge aufrege, die mir vielleicht vor zehn Jahren noch egal gewesen wären. Das Alter macht konservativ, diese Theorie vertrete ich schon lange.
Schauen wir uns die Lage an. Mein Bruder z.B. wohnt in einem sehr soliden Viertel in der Düsseldorfer Innenstadt, das durch neue Wohnsiedlungen im direkten Umfeld noch gewonnen hat. Viele Kneipen und interessante Restaurants, die großen Shopping-Meilen in Fußweite. Aber direkt vor seinem Haus sieht es so aus:
Ich kann damit leben, dass dort drei riesige Container stehen. Irgendwo müssen sie ja hin und da ist Platz. Womit ich mich schwer tue, ist die Tatsache, dass die Container selbst total verdreckt und verunstaltet sind. Und dass jede Form von Müll und Sperrmüll einfach daneben geschmissen wird – und die Stadt bei der Leerung nur sehr begrenztes Interesse zeigt, das Areal zu säubern. Ich bin auch ziemlich sicher, dass die Beschmierung des Hauses dahinter im direkten Zusammenhang mit den Containern steht – Verwahrlosung zieht Verwahrlosung an. Ich möchte mir gar nicht vorstellen, wie es sein muss, eine Wohnung mit "Aussicht" auf diesen Platz zu haben.
Bei einer Fahrt durch die Stadt vor zwei Wochen entdeckte ich mehrere solcher innerstädtischen Müllhalden, vom Zustand von Bahnhöfen wie Düsseldorf-Wehrhahn ganz zu schweigen. Am Friedhof, auf dem meine Mutter begraben liegt, befindet sich eine kleine Bushaltestelle. Neben den Sitzen: achtlos weggeworfene Pizzakartons.
Es ist – um eine klassische Phrase zu verwenden – eine Schande.
München ist weitgehend ein Vorbild in Sachen Ordnung und Reinlichkeit. Das gilt aber nur, wenn man nicht genauer hinsieht. Bei uns um die Ecke befindet sich eine McDonalds-Filiale mit dem historisch bedingten Spitznamen "Fly-In". Schaut man sich an Tagen wie heute auf der Wasserburger Landstraße um, sieht man die stummen Zeugen einer späten Samstag Nacht – Massen von Verpackungen und Fastfood-Bechern, die von den Konsumenten rund um das Areal achtlos weggeworfen wurden. Wird schon wer wegräumen. Irgendwann.
Wer zum Wochenende durch die Innenstadt stromert, sieht erfreulich viele Mülleimer, die unerfreulich überfüllt sind und bei entsprechendem Wind ihren Inhalt in der Gegend verteilen. Nobody cares.
Vor ein paar Wochen stand ich beim Spaziergang im Forst vor einer Couch:
Ehrlich? Ich verstehe es nicht. Trudering hat einen kostenlosen Wertstoffhof. Es wäre erheblich einfacher gewesen, das Möbelstück dort zu verklappen, statt es in den Wald zu fahren und vom Anhänger zu werfen.
Glücklicherweise kann man solche Schweinereien bei der Stadt melden und gleich den Ort auf einer Karte anzeigen. Habe ich gemacht. Es hat danach allerdings satte drei Wochen gedauert, bis die Couch entsorgt war. Von der Stadt? Who knows? Rückmeldung bekommt man ja keine.
Graffiti ist ein ganz eigenes Thema. Ich habe nichts gegen "street art", auch städtisch subventioniert. So wurde auf meinem Schulweg 1980 ein ziemlich hässliches Wohnhaus dergestalt verziert – heute nur ein wenig verblasst:
Eine Lokalzeitung schrieb dazu übrigens peinlicherweise "Batman trifft Marlene".
Ich habe mich auch daran gewöhnt, dass die hässliche Betonunterführung aus der gleichen Zeit großflächig besprüht wurde:
Was mich aber nervt, sind die Schmierereien, amateurhafte Tags oder einfach der Vandalismus aus der Spraydose. Findet man mittlerweile in praktisch jedem Viertel, gerne an Kreuzungen, Mauern oder in Hinterhöfen. Nochmal ein Beispiel aus Düsseldorf-Flingern, diesmal aus Google Maps:
Ist das "street art", bewahrenswerter Ausdruck einer aufbegehrenden Jugend, Rebellion gegen ein unmenschliches System? Das möchte ich nicht glauben.
Und wir reden hier von Düsseldorf und München, nicht mal von Berlin oder Köln, wo es oft genug schlimmer aussieht. Berlin kann sich wenigstens rausreden, dass die Stadt arm und hoffnungslos überschuldet ist.
Noch mal: Es geht mir nicht um "früher war das nicht so schlimm". Ich glaube auch nicht, dass es immer schlimmer wird. Ich habe den begründeten Verdacht, dass es mir mit dem Alter nur stärker auffällt.
Kurzum: Ich finde, hier haben Städte und Kommunen versagt – sie versagen seit Jahrzehnten. Ich hätte es noch verstanden, wenn die Verwahrlosung in Wellen angeglichen an die finanziellen Möglichkeiten des Haushalts zu- und abgenommen hätte. Aber es scheint völlig egal zu sein, ob die Landeshauptstadt boomt oder gerade Ebbe in der Kasse ist. Müll stapelt sich immer.
Meine Forderung: So, wie man den Bürger in die Pflicht nehmen kann, seinen Müll zu trennen, muss man die Städte in die Pflicht nehmen können, das Stadtbild nicht nur nach Plan, sondern nach Notwendigkeit sauber zu halten.
Wenn es nicht reicht, die städtischen Mülleimer alle drei Tage zu leeren, müssen sie alle zwei Tage geleert werden.
Es muss Sonderschichten an Wochenenden geben, mobile Teams, die frische Schmierereien zeitnah entfernen.
Die Abfallunternehmen sind nicht nur für die Container zuständig, sondern auch für das direkte Umfeld.
Fastfood-Restaurants müssen verpflichtet werden, in einem Radius von 200 Metern rund um die Filiale den eigenen Müll aufzusammeln.
Das alles ist in meinen Augen keine einfache Frage von hässlich, schmutzig oder unangenehm. Es ist eine soziale Frage. Eine Stadt, die keinen Anspruch an sich selber hat, gebiert eine Atmosphäre, die entsprechendes Verhalten provoziert. Müll zu Müll, Scherben zu Scherben. Eine Abfall-Variante der Zero Tolerance Policy.
Ich erwarte eine größere Flexibilität, Meldesysteme per App, die zu einer raschen Beseitigung von Müll und Schmierereien führen. Und es sollte städtische Hilfskräfte geben, die nichts anderes tun, als den ganzen Tag mit Elektrorollern und einem Anhänger durch die Stadt fahren, um "wilden" Müll zu sammeln und größere Verunreinigungen zu melden.
Dazu gehört auch, dass nicht nur die Wegwerfer und die Sprayer deutlicher kontrolliert und bestraft werden, sondern auch die Verantwortlichkeit der Stadt. Die Meldung von Missständen muss verbindlich sein, muss von der Stadt schriftlich bestätigt und in der Folge kommentiert werden. Die Behörde darf kein schwarzes Loch sein, in das man rein ruft, ohne je eine Antwort zu bekommen.
Oder wie wäre es, wenn die Stadt kostenlos Greifer und Mülltaschen ausgibt, mit denen jeder Spaziergänger seinen Teil zur Reinlichkeit der Stadt beitragen kann? Damit kennen sich gerade die Münchner doch aus. Rama dama!
Es müssen ja nicht gleich Singapurer Verhältnisse herrschen.
Ich glaube daran, dass Städte wie Düsseldorf und München die Ressourcen haben, deutlich mehr zu leisten – und dass ALLE Bürger davon profitieren, was ja der Idealfall jedes städtischen Handelns ist. Aber wir haben uns zu sehr daran gewöhnt, dass man einfach abwinkt, hinnimmt, das Unschöne zum Unvermeidbaren erklärt.
Oder sehe nur ich das so? Bin ich ein oller Stoffel, der sich mal nicht so anstellen soll? Wie sieht es in eurer Stadt aus, in eurem Dorf?
Düsseldorf hat ein Meldesystem per App, das meiner Erfahrung nach auch gut funktioniert. Allerdings ohne Rückkopplung , es gibt keine "wir wurden tätig" Meldung,, meist ist der Müll aber weg wenn ich einen Tag später wieder vorbeikomme.
Das ändert aber natürlich nichts daran, dass der Müll erstmal da ist 😔 Man fragt sich echt, was sich manche Leute so denken beim achtlosen wegschmeißen…
Es gibt auch Unterstützung für private Müllsammelaktionen. Bloß ist ein halbes Jahr nach so einer Aktion die nächste fällig, es wird schneller wieder vermüllt als man aufsammeln kann.
Ich sehe das ähnlich, aber im gleichen Moment frage ich nach der Finanzierung – gerade in Berlin.
Ich nehme manchmal an freiwilligen Aktionen zur Reinigung bestimmter Bereiche teil. Schon spannend, was man da immer aus den Gebüschen holen kann. Die Berliner Stadtreinigung holt dann den Müll an einem definierten Treffpunkt noch am gleiche Tag ab. Aber ich glaube nicht, dass das bei den meisten Schule machen könnte. Es gibt für mich auch Grenzen: Gegenden mit Drogenkonsum, beispielsweise. Ich habe keinen Bock, in Spritzen zu fassen…
Deswegen habe ich Berlin auch explizit ausgenommen:
"Berlin kann sich wenigstens rausreden, dass die Stadt arm und hoffnungslos überschuldet ist."
Tolle Sache, Respekt.
Da Junkies ihr Zeug gern auf Kinderspielplätzen verstecken, oder in der Nähe davon, wäre es aber vielleicht doch ratsam, gerade dort aktiv zu werden und als Erwachsener dem zufälligen Zugriff durch Kleine zuvorzukommen.
Aber danke für den Einsatz.
Danke dir, halb so wild!
Klar, könnte man an Spielplätzen suchen. Aber ehrlich, würdest du das machen? Am Ende gilt bei aller Hilfsbereitschaft bei mir Selbstschutz vor Fremdschutz. Das ist generell eh nicht die schönste Aufgabe und man findet so schon genügend von den Dingern. Ich find das generell eine fiese Sache, schon ehe ich mich in echte Gefahrenlagen rumtreibe.
"Fastfood-Restaurants müssen verpflichtet werden, in einem Radius von 200 Metern rund um die Filiale den eigenen Müll aufzusammeln."
Das unterstütze ich uneingeschränkt. Diese Freßtempel verdienen genug Geld, um das leisten zu können, allerdings vermute ich, daß diese Arbeit wieder an den schlecht bezahlten Mitarbeitern hängen bleiben würde
Bin da bei dir, rege mich in der letzten Zeit sehr darüber auf, wie dreckig es in Köln ist. Dabei meine ich auch tatsächlich einfach den normalen Gehweg oder Bürgersteig, wo auch einfach jeder seinen Dreck einfach liegen lässt. Ein alter Karton mit Leuchtstoffröhren? Ach, stellen wir mal auf den Bürgersteig, weg damit. Dass danach dann einige der Röhren von Idioten zertreten wurden war ja zu erwarten.
Es muss wirklich nicht Singapur sein, aber Zürich als Standard wäre schon nett.
In Südkorea gibt es, soweit ich die Erklärung im Urlaub verstanden habe, finanzielle Prämien je nach Menge von eingesammeltem und abgegebenem Müll. Damit wird dort wohl gegen die Altersarmut gekämpft. Aber schlussendlich – so etwas als "Ferienjob" für Schüler oder ähnliches?
Gerade in meiner Jugend hing an gefühlt jeder Ecke so ein Drahtmülleimer, heute mit Glück noch an einer Haltestelle.
"gefühlt" scheint mir hier der Schlüssel zu sein. Und meinst du ehrlich, den Schmutzfinken fehlen nur die Mülleimer – wie den Idioten, die ihre Zigarettenkippen aus den Autos werfen, weil Autos ja keine Aschenbecher haben?
Die Verteilung ist vermutlich ortsabhängig, hier (Hamburger Norden) hängen von den Dingern eine ganze Menge.
Meine Frau und ich schauen von unserem Balkon auf ein kleines Wäldchen, vor dem ein asphaltierter Weg verläuft. Vor 3 Jahren haben wir eine Woche lang mehrere Stunden damit verbracht, mit großen Supermarkt-Papiertüten, Müllbeuteln, Greifer und Arbeitshandschuhen bewaffnet, ca. jeweils 100 m Wald in beide Richtungen zu säubern.
Das Ergebnis waren knapp 80 Müllbeutel/Papiertüten randvoll mit Müll, davon fast die Hälfte voll Flaschen aller Art, vor allem aber Flachmänner und Minischnapsflaschen – unglaublich.
Noch nachdenkbefreiter sind Bewohner aus umliegenden Häusern, die es tatsächlich fertigbekommen, riesige leere Pappkartons umgedreht, also auch noch mit der Öffnung nach unten, in die Papiercontainer zu werfen. Wieviel geistige Arbeit ist denn nötig, um die Kartons wenigstens plattzutreten, wenn man sie schon nicht kleiner reißt oder schneidet?
Man könnte am Geisteszustand vieler seiner Mitmenschen verzweifeln.
Im Grunde stimme ich dir total zu, rechtlich sehe ich ein paar kleinere Einschränkungen (aufräumen und säubern geht natürlich nur im öffentlichen Bereich – sobald die Schmiererei an der Hauswand ist wie auf dem Bild oder der Müll in meinem Vorgarten ist die Stadt vermutlich machtlos), aber bei einer Sache möchte ich widersprechen:
"Die Meldung von Missständen muss verbindlich sein, muss von der Stadt schriftlich bestätigt und in der Folge kommentiert werden. Die Behörde darf kein schwarzes Loch sein, in das man rein ruft, ohne je eine Antwort zu bekommen."
Ich verstehe den Frust, wenn man der Stadt was meldet und dann passiert nichts, aber ich sehe nicht, dass die Stadt jedem einzelnen Helfer hier Rechenschaft schuldig ist. Das wäre ein riesen Aufwand für quasi nix und Leute, die eigentlich die Stadt säubern sollen, schreiben dann stattdessen die Hälfte der Zeit Berichte. Was hab ich davon? Ob sie’s sauber machen oder nicht sehe ich ja eh selbst.
Naja, geht ja nicht um Rechenschaft, sondern um Dokumenation. Jeder private Dienstleister hat ein Ticketingsystem, um nachzuvollziehen, ob eine Anfrage überhaupt angekommen ist, ob jemand dran ist und ob schon erledigt. Das sollte man schon erwarten können bzw mus sich die Stadt doch auch intern organsieren.
Das sehe ich wie dermax – es würde ja ein automatisiertes "Ihre Meldung ist eingegangen, Ticket-Nr. lautet…" und ein "Ticket wurde abgearbeitet" reichen.
Das ist auch technisch nicht wirklich etwas aufwändiges, sofern alle mit digitalen Endgeräten ausgestattet sind. Den Einsatzplan/die Einsätze bekommen die Teams dann per Handy und/oder Tablet, auf denen sie die Details einsehen können und dort können sie dann abhaken, dass es erledigt ist. Das würde dann im Hintergrund die entsprechende Rückmeldung triggern. Technisch gibt es da zig Plattformen, mit denen man so etwas in ziemlich kurzer Zeit zusammenzimmern kann (und ich bin mir sicher, dass es da auch Spezialsoftware für Kommunen gibt, die so etwas schon als fertiges Modul enthält).
Aber wahrscheinlich ist die Digitalisierung noch nicht soweit fortgeschritten und die Teams bekommen die Einsätze per Ausdruck…
Sehr schön geschrieben. Ich bin seit 4 Jahren in Rente. Bei meinen Wanderungen im Pfälzerwald und generell habe ich immer Müllbeutel dabei um zumindest im ersten Schritt Pfandflaschen und Pfanddosen mit nach Hause zu nehmen. Weiter, wenn ich alleine unterwegs bin auch Verpackungsmüll. Wenn ich eine Strecke öfter wandere kann ich nichts (ausser "Tempotaschentücher") liegen lassen. Von unserem Ort aus säubere ich alle 2 Jahre und nach Bedarf 3 Straßen bis zu den nächsten Ortschaften. Immer im zeitigen Frühjahr. Es beruhigt zumindest mich und gibt mir ein gutes Gefühl.
Ich wünschte mir diese Schmierfinken in deren Zuhause mit meinen Spraydosenköfferchen besuchen zu dürfen.Und dann möchte ich deren hocherfreute Gesichter sehen wenn ihre Wohnung mit allem was darin steht nach meinen künstlerischen Vorstellungen gestaltet wurde. Ich schwöre euch…. die sprayen nie wieder fremd….
„ Es müssen ja nicht gleich Singapurer Verhältnisse herrschen.“
Naja, doch – eigentlich schon. Die Strafen für die Verschmutzung der Städte und Wälder müssten massiv angehoben werden, so dass es den Verursachern im Geldbeutel wehtut. Nur so scheinen ja manche Leute zu lernen und mit der Zeit spricht sich das rum.
Das sehe ich anders, wie neulich bei einer Facebook-Diskussion über eine App zum Melden von Falschparkern: Die Freiheit des Bürgers ist ein hohes Gut und dazu gehört auch das "über die Stränge schlagen", solange es in einem überschaubaren Maß bleibt. Jeden Scheiß strafbar zu machen, ist der Zivilgesellschaft unwürdig. Und es schafft einen Klassenunterschied: Mist bauen darf, wer das Geld für die Strafen hat.
Ich stelle zusätzlich auch gern die Frage: Wer kontrolliert denn das alles. Ständig liest man von neuen Regelungen und Gesetzen, die eh niemand kontrollieren kann. Neulich erst: Irgendein Landkreis verbietet die nächtliche Nutzung von Rasenmährobotern. Nette Idee generell, aber ehrlich: Wer schert sich drum? Hundekot liegen lassen wieder teurer? Na und? Wo ist denn der Kläger?
Ich finde es extrem problematisch, dass eine schwedische Stadt nun eine App für Falschparker-Meldung hat, bei der der Anzeigende umgerechnet 8 Euro bekommt, wenn der Falschparker sein Knöllchen zahlt. Das erzieht eine ganze Bevölkerung zu Denunzianten und wo soll das aufhören? Apps für "Zigarettenkippe weggeschmissen", für "Müll in die falsche Tonne geschmissen", für "Radio nach 22.00 Uhr laut aufgedreht"? Wollen wir eine Horde von Idioten, die auf der Suche nach meldbaren Verstößen durch die Straßen zieht und sich damit finanziert, die Nachbarn reinzureiten? Was ist mit der Gewaltenteilung? Das Volk ist nicht die Polizei – und das muss auch so bleiben.
Wollte ich auch nicht so gesagt haben. Auf keinen Fall. Doch die Kehrseite ist eben: Was sollen tolle Gesetze, wenn sich niemand dran halten braucht bzw. es keiner tut, weil es ihm und dem Gesetzgeber eigentlich egal ist. Deshalb finde ich dieses permanente Schreien nach noch mehr Regelungen oder noch drastischeren Strafen eher lächerlich und einfach nur eine Erhöhung von Bürokratie…
Ich bezog mich auf Rudi. Kontext, mein Herr, Kontext!
Ahh… Muss ich mal nachschlagen 🙂
(zu meiner Verteidigung: In der Mobile-Ansicht, ist die Verschachtelung nicht zu sehen)
Mag statistisch und mit Fakten unterlegt in eine andere Richtung gehen können, aber gefühlt nimmt das „über die Stränge schlagen“ leider in den letzten Jahren zu, ebenso die Rücksichtslosigkeit und die Ignoranz der eigenen Taten (sei es beim Müll, im Verkehr, etc). Das Bezahlproblem würde sich einfach lösen lassen, indem man es an gehaltsabhängige Tagessätze koppelt.
Manche brauchen anscheinend die Erziehung über solche Strafen, sonst lernen sie es nicht. Das hier angebrachte Beispiel Japan zeigt ja auch, dass es vielleicht einfach auch an der falschen Grundmentalität liegt, die so nachjustiert werden könnte.
Ich arbeite am Neumarkt in Köln direkt in der City in der Hausverwaltung eines Museums, das vor einigen Jahren durch die glänzende Idee der Stadtverwaltung zwei Drogenkonsumräume an die Wand montiert bekam. Du kannst dir nicht vorstellen, was ich hier jede Woche an Unrat wegräumen muss. Wobei es sich da hauptsächlich um den Dreck von Junkies und Obdachlosen handelt, was nicht schön, aber noch irgendwie nachvollziehbar ist. Schlimmer ist, was man sonst so auf dem Weg durch die Stadt beobachten darf. Es haben schon mehrfach direkt vor meinen Augen Leute einfach an fremde Autos uriniert oder ihr großes Geschäft in den Straßenbahnschienen erledigt, Hundekot wird nach wie vor oft nicht weggeräumt (die Wahrscheinlichkeit, erwischt zu werden, ist einfach zu klein), überall stehen nicht zurückgebrachte Einkaufswagen etc.
Ich weiß nicht, wie es in München aussieht, aber in Düsseldorf habe ich von 2009 – 2015 gearbeitet und das war keineswegs besser. Wie überall hängt das wohl vom jeweiligen Stadtteil ab.
In meinen Augen ist das Problem Egoismus und komplett fehlendes Unrechtsbewusstsein. Natürlich kann man wie du von der Stadt mehr Maßnahmen erwarten, aber nicht nur Berlin ist chronisch klamm (Köln muss aktuell in allen Ressorts sparen, weil sonst ein Nothaushalt unter Überwachung durch die Landesregierung droht), aber sinnvoller finde ich das Vorgehen, dass ich z.B. in Barcelona beobachten konnte, wo die Regierung versucht, den Leuten wieder Gemeinsinn zu vermitteln.
Ich denke schon, dass man auch bei der Prämisse "Schmutz erzeugt Schmutz" ansetzen kann – wer einen Haufen Dreck auf der Straße sieht, denkt halt schnell "da macht meine leere Kippenpackung auch keinen Unterschied mehr".
An dem genannten Neumarkt wird das der Fall sein. Einer der zentralsten Plätze der Stadt an dem sich einfach niemand für irgendwas interessiert. Vor dem dortigen Gesundheitsamt gibt es Einlasskontrollen. Direkt daneben kann man im Eingang vom dm offen und unbehelligt Crack rauchen. Und die Stadt so: „was am Neumarkt gibt es ein Drogenproblem, ist uns gar nicht aufgefallen“. Wenn offener Drogenkonsum für die Stadtverwaltung schon kein Problem ist, dann sind Müll und Verschmutzung wahrscheinlich maximal ganz unten auf der todo-Liste.
Das spricht natürlich neben dem Müll ein weiteres Problem an – das, was hässliche Kommentatoren dann immer gerne den "menschlichen Müll" nennen. Ich finde, eine Stadt hat nicht das Recht, wegzuschauen. Die Stadt(verwaltung) IST die Stadt. Wir hatten hier in München auch ein massives Problem mit Obdachlosen, die unter dem Vordach des ehemalige Kaufhof am Stachus campiert haben – weil das als Privatgelände gilt, hat die Stadt sehr lange nur mit den Schultern gezuckt. Aber dieses ganze Thema ist sehr heikel, weil wir von Menschen in Notlagen reden, die oft genug krank sind. Man kann die ja schlecht zum Wertstoffhof bringen.
Die Stadt schaut nicht weg, sie hat schlichtweg aufgegeben. In einer Seitenstraße vom Neumarkt befindet sich eine Betreuungsstelle für Drogensüchtige, deshalb sind die den ganzen Tag in der Gegend (das gleiche Problem gibt es am Friesenplatz). Nach mehreren Brandbriefen der hiesigen Geschäfte und Behörden wird der Platz jetzt mehrmals täglich von Polizei und Ordnungsamt abgegangen, aber dir können natürlich immer nur dann was machen, wenn sie Dealer in flagranti erwischen. Das wiederum löst das Problem nicht, aber politisch/rechtlich gäbe es keine weitere Handhabe, wurde uns letztes Jahr schriftlich mitgeteilt.
Hier (Mittelstadt) ist es die letzten 5 Jahre etwas mehr geworden, in Summe aber immer noch recht zivilisiert. Ich denke, je weniger anonym eine Gegend ist, desto eher sind alle bereit, alles "in Schuss" zu halten.
Ich halte die "Broken Window"-Theorie für sehr plausibel, denke aber dass der öffentliche Raum nicht nur von der Verwaltung, sondern auch durch die Eigentümer ganz wesentlich geprägt wird die, gerade in Großstädten, oft auch kein ausreichendes Interesse haben Schäden zu beheben. Was ich spannend finde: In Tübingen (ja, Palmer.) erstattet die Stadtverwaltung Eigentümern die Kosten für die Entfernung von Graffiti und das wurde so wenig in Anspruch genommen, dass jetzt stattdessen ein eigener Maler angestellt wurde, der (wenn der Eigentümer einmal grundsätzlich zustimmt) selbständig tätig wird sobald es neue Kunstwerke gibt. Die gleiche Stadt streitet sich wegen ihrer Verpackungsabgabe auch mit McDonalds vor dem Bundesverfassungsgericht, es gibt also schon Möglichkeiten, wenn man will.
Zum Müll noch ein kulturelles Gegenbeispiel: Wir hatten in Japan große Probleme, unseren als Tourist anfallenden Müll los zu werden – weil es schlicht (fast) keine öffentlichen Mülleimer gibt. An den meisten Tagen haben wir unseren Abfall den ganzen Tag über mitgeschleppt und abends in den Hotelmülleimer geworfen. Sowohl in großen Städten wie Tokyo als auch in der Provinz.
Japaner haben in diesem System gar nicht die Erwartungshaltung "ich schmeiß das jetzt hier weg und jemand anderes wird dafür bezahlt, sich zu kümmern" (entweder Straßenreinigung oder eben öffentliche Mülleimer ausleeren). Sondern man ist es einfach gewohnt, dass man sich selber drum kümmern muss.
Das ist natürlich (gerade als Tourist) ein gewisser Verlust an Komfort. Aber die Straßen in Japan sind oft so sauber, dass man sich zum Essen auf den Boden setzen könnte. Und das alles ohne die Singapurer Strenge mit drakonischen Strafen.
Beim Urlaub in Portugal fanden wir den Unterschied bemerkenswert (und traurig): Porto kam uns wie ein anderer Planet vor: Wie unfassbar sauber alles war und wie öffentliche Grünflächen etc. gepflegt wurden. Zurück in Hamburg, mit der S-Bahn vom Flughafen nach Hause, haben wir gefühlt in Kippen, Bechern, Verpackungen, eben: Müll gewatet. Der extreme Kontrast war deprimierend.
Ja, Porto war uns seinerzeit auch sehr positiv aufgefallen – die Fahrt von Hurghada zu unserem Hotel im Januar war das Gegenteil: Die Küstenstraße wurde flankiert von einem Fluss aus Plastikmüll, den wohl vor allem die Trucker einfach aus dem Fenster schmeißen.
Luxemburg ist auch extrem sauber. Schon beinahe so sehr, dass man denken könnte, da würde niemand leben
In der Stadt für die ich arbeite, haben wir das teilweise so. Man kann Müll online melden, der wird dann entweder vom mobilen Trupp oder im Rahmen der normalen Reinigung entfernt, dann gibt es eine Rückmeldung an den Melder. Nach meinem Eindruck macht es das in manchen Fällen allerdings schlimmer. Nach dem Motto: "Aha, wenn ich dort meinen Müll abstelle, wird der innerhalb weniger Tage abgeholt. Dann macht es doch keinen Unterschied, ob ich Sperrmüll anmelde oder mein Zeug irgendwo an den Straßenrand stelle, wird ja von den gleichen Leuten und eh von meinen Steuergeldern bezahlt erledigt."
Hatten mal den Fall, dass jemand Strafe bezahlen musste und dann reumütig einen Brief geschrieben hat. Er hätte nicht gewusst, dass man an dieser Stelle keinen Müll ablegen darf, weil da lag ja schon Müll und das sah nach Sammelstelle aus, wird ja auch immer abgeholt. Ein Gebüsch am Straßenrand! Da stellt man seine alte Matratze natürlich dazu…
Klar, jede Maßnahme kann auch unerwartete Rückkopplungen erzeugen.