Final thoughts: SHADOW & BONE
Themen: Film, TV & Presse |Story: Die junge Alina Starkov wächst in einer Welt der Spannungen auf: die Reiche sind von einer gigantischen schwarzen Nebelwand durchtrennt, die sich nur unter großen Gefahren überwinden lässt. Mit besonderen Kräften ausgestattete Menschen, die Grisha, werden wahlweise verfolgt oder als Sondereinheiten den Truppen unterstellt. Alina selbst hat keine Ahnung, dass ihre eigene Begabung ihr eine Schlüsselrolle in dieser Welt zuweist: als “sun summoner” bringt sie das Licht und damit die potenzielle Zerstörung der Schattengrenze. Als “Heilige” wird sie an den Hof des Königs gebracht und kommt unter die Fürsorge von General Kirigan, der ganz eigene Ziele verfolgt…
Kritik: Ich möchte euch nicht sagen, wie viel Zeit ich damit verbringe, mich auf dem neuesten Stand zu halten, was aktuelle Kino- und TV-Produktionen angeht. Die Antwort könnte euch beunruhigen…
Sei’s drum. Die Antwort lautet: erschreckend wenig. Ich bin am Produkt interessiert, nicht an den Gerüchten, Querelen und “making ofs”. Gerade WEIL man heute zu jeder neuen Serie eine Unmasse an Infos googeln kann, sehe ich darin keinen Informationsvorsprung mehr. Schlimmer noch: in vielen Fällen halte ich die Vorab-Berichterstattung für spoilernd nicht nur in Sachen Handlung, sondern auch in Sachen Atmosphäre, Trickeffekte und Darsteller. Ich will (wie bei den Filmen des Fantasy Filmfest) so frisch wie irgend möglich an eine neue Produktion gehen. Was ich brauche, sind lediglich genug Appetithäppchen, um neugierig zu sein.
So kommt es, dass ich von SHADOW & BONE erst erfahren habe, als Netflix begeistert monströse Abrufzahlen in die Welt posaunte und eine zweite Staffel orderte. Ich bin an Fantasy interessierter, als ich von Fantasy begeistert bin, aber angesichts der nie enden wollenden Suche nach gemeinsamem Abendfutter für die LvA (große GoT-Anhängerin) entschied ich spontan, dass wir nun acht Tage lang den Abend mit einer Folge SHADOW & BONE ausklingen lassen würden.
Und da wird’s schon schwierig: SHADOW & BONE ist nach allen Maßstäben Fantasy und sollte uns gefallen. Hier wird wirklich nicht gekleckert, sondern geklotzt. Die Kostüme sind prächtig (die Welt erinnert an das zaristische Russland), die Effekte aufwändig, die Darsteller gut bis hervorragend. Es wird nicht an Komparsen gespart und nicht an CGI, ständige Wechsel der Locations sorgen für Abwechslung (gedreht wurde primär in Ungarn). Hinzu kommt, dass S&B ein wirklich spannendes, genuin interessantes Universum baut, in dem die Schattenmauer als definierendes Element Raum für vielerlei Konflikte bietet.
Ihr könnt das “aber…” schon kommen riechen, oder?
S&B ist leider nicht nur Fantasy. Es ist auch die Geißel der Fantasy – eine “young adult novel” für weibliche Fans im Stil von HUNGER GAMES und A DISCOVERY OF WITCHES (Letzteres haben wir in der enttäuschenden zweiten Staffel wegen empörender Schnarchigkeit abgebrochen). Wer von diesem Genre keine Ahnung hat, dem möchte ich eine kurze, sicher zu knappe und vorurteilsbelastete Übersicht geben: in diesen Büchern geht es IMMER um ein junges Mädchen, das irgendwie einsam und unterdrückt aufwächst und schließlich magische Kräfte entdeckt, die es zu “the chosen one” machen. Ihr Weg zur Rettung der Welt entfernt sie von ihrer wahren Liebe, aus dem hässlichen Entlein wird ein Schwan, die Verführung durch das Böse droht, Mitstreiter kommen und gehen, am Ende muss sie sich lösen und selbst finden, um triumphal zu siegen – und sich dann ihrer wahren Liebe hingeben, denn natürlich war sie bis dahin brave Jungfrau. Bevölkert sind diese Universen immer mit Fabelwesen, die gerne auch kaum verschlüsselte LGBTQ-Charaktere sind.
Das Label “young adult novel” ist dabei nur teilweise richtig, denn Zielgruppe sind gerne auch gelangweilte und vom Leben enttäuschte Sekretärinnen und Verkäuferinnen, die entdecken, dass sie eigentlich total wie die Protagonistin sind und ihnen nur das magische Königreich fehlt.
Oder in kurz: Young Adult Novels sind Rosamunde Pilcher für die Fantasy-Crowd – immer gleich, immer kitschtriefend, immer verlogen eine weibliche Stärke proklamierend, während es doch ausschließlich um “Schicksal” und “die wahre Liebe” geht.
Genau deshalb war es uns auch unmöglich, uns über Folge 2 oder 3 hinaus an der prächtigen Produktion, den tollen Kostümen und den fetten Effekten zu erfreuen. Es ist einfach alles zu… albern. Alina Stark, die als “sun summoner” zur Heiligen wird und dabei fast ihre große Liebe Malyen vergisst, sich beinahe dem bösen Kirigan hingibt und schließlich nicht weniger als die Welt retten muss – ohne den richtigen Funken im Herzen kann man das nur cringy finden. Es wird nicht einmal versucht, die Tropen des Genres irgendwie zu biegen oder zu brechen – alles läuft exakt so ab, wie es der Formel entspricht.
Warum das ein Problem ist, wo doch die meisten Fantasy-Produktionen auch die immer gleichen Elemente zusammen rühren? Ganz einfach: Young Adult Novels bauen keine Welt und setzen eine Protagonistin hinein – sie bauen eine Welt für und um die Protagonistin herum. Egal, wie potenziell spannend das S&B-Universum ist, es wird über die direkten Belange von Alina niemals ausgeleuchtet. Das hier ist eine tausend Mal gesehene Mädchen-Liebesgeschichte im “coming of age”-Stil, die sich nur wie ein Fantasy-Epos verkleidet hat. Da passt es, dass die Grisha meist nur die leidlich bekannten Kräfte über die Elemente haben und sich auch der Rest aus der Mottenkisten der Märchenbücher bedient.
Hinzu kommt, dass S&B als erste Verfilmung einer Trilogie viele Handlungsstränge nur anreißt und Figuren etabliert, ohne sie wirklich zu verankern – alles mit dem Auge auf die nächsten Staffeln. So gibt es den Subplot von Hexe Nina und Hexenjäger Matthias (ebenfalls mit maximalem Klischee erzählt), der an keiner Stelle die eigentliche Story von Alina auch nur berührt.
Was uns überhaupt alle acht Folgen hat durchhalten lassen, war der Strang mit dem Ganoventrio Kaz, Inej und Jesper auf einem vagen Quest, der immer wieder mal vergessen wird. Weil es hier nicht primär um eine Liebesgeschichte geht, weil der Humor stimmt und weil besonders Freddy Carter (eine unheilige Mischung aus Klaus Kinski und dem jungen Jack Nicholson) sich für Größeres empfielt.
Ich gestehe – nach anfänglichem Wohlwollen war die Sichtung der letzten drei Folgen mehr Pflicht als Kür. Und das Ende ist frustrierend vage, weil man natürlich auf weitere Staffel schielt und weder den zentralen Konflikt noch den Bösewicht opfern will. Wenigstens ist das kein” fake out”, denn die zweite Staffel ist tatsächlich geordert – wird aber ohne uns auskommen müssen.
Wie gesagt: SHADOW & BONE ist wirklich gut produziert von Leuten, die sich mit so etwas auskennen. Ich fand den betriebenen Aufwand überzeugender als z.B. bei THE WITCHER. Wer als Fan von “Young Adult Novels” kein Problem mit der Malen nach Zahlen-Liebesgeschichte hat, wird sicher viel finden, was es zu loben gibt. Wer aber nach interessanten Geschichten mit interessanten Charakteren dürstet, bekommt hier allenfalls einen trockenen Hals.
Fazit: Eine in allen technischen Belangen hochwertige Fantasy-Saga, deren Genuss mit einer Affinität zu kitschigen “Young Adult”-Märchen steht und fällt. Dem Einen seine spannende Unterhaltung ist in diesem Fall dem Anderen sein unsäglicher Klischee-Schnarcher.
Danke fürs Review, meine Frau ist ja auch ständig verzweifelt auf der Suche nach dem nächsten GoT…
In dem Zusammenhang Nitpicking: Dein Link, der zu “The Witcher” gehen sollte, verweist auf die Kritik zu “A Discovery of Witches”, was ja aber am Ende zur gleichen Kernaussage führt ;).
Danke für den Hinweis, ist korrigiert.
Ich weiß nicht, wie weit die Autoren bei Netflix die Leser der Bücher mit im Blick haben, ob da auf viel Wiedererkennbarkeit geschrieben wird.
Ich hab die Bücher gelesen, die Serie bezieht nicht nur die Trilogie mit ein, sondern auch die beiden Krähenbücher, die etwas später spielen. Und als Buchverfilmung fand ich die Serie überraschend gut. Nah genug am Original, aber auch einiges neues, das dem Original aber nicht in die Quere kommt, sondern gut ergänzt. Der ganze Plot um Kaz und Co ist Vorgeschichte zu den Krähenbüchern und gibt den Figuren von dort nochmal Hintergrundgeschichte.
Mit Kenntnis der Bücher schaut sich das also noch etwas anders. Meine Freundin, die mit mir geschaut hat, ohne die Bücher zu kennen hat aber oft nachgefragt, weil sie die Vielzahl der Figuren und die Welt etwas verwirrend fand.
Ich fand besonders die erste Folge verwirrend – weniger wegen der Figuren, sondern wegen des nur spärlich erklärten Universums. Ein paar Schrifttafeln oder ein Voice Over am Anfang hätten geholfen, Eckpunkte zu setzen.
Super: Die verlesene Beschreibung Jung-Adult-Novels hat hier größten Beifall gefunden.
Ja, “The Witcher”… Ein Schüler des 9. Jahrgangs erzählte mir begeistert davon, ich wollte Cavill was Cooles machen sehen – und habe in der dritten Folge genervt abgeschaltet. Am Anfang so flach, wie es “Game of Thrones” leider im Laufe der Staffeln wurde.
Naja, ein nächstes GoT ist The Witcher sicherlich nicht. Aber flach ist das nun wirklich nicht. Wir hatten jedenfalls viel Spaß damit und freuen uns auf Staffel 2.
Was aber wirklich erschreckend ist, ist, dass Netflix und Amazon Prime quasi mit Serien bombadiert werden, die aber zu 90% Berieselungsniveau haben. Haben jetzt endlich Dark durchgezogen, definitiv keine Enttäuschung. Mal schaun, wie Sweet Tooth geworden ist.
Hm, ich weiß jetzt nicht, ob ich mit “flach” den richtigen Begriff gewählt habe. Ich breite etwas aus: In der zweiten oder dritten Folge bin ausgestiegen. Denn mich nervten mehrere Dinge: Der Witcher war in jener Folge gefesselt in einer Höhle und tat – nichts, was die Handlung in irgendeiner Weise vorantrieb. Dafür trat ein mich tierisch nervender Sidekick auf, zu dem der Witcher eine mir nicht verständliche Bindung aufbaut. Ich hätte den Typen schlicht erschlagen. Völlig wirr, unverständlich und lästig ist mir die Linie um das Mädchen, das irgendwie eine Hexe ist und in einer irgendwie masochistischen Hexenschule in die Lehre geht, in der Hexen-Eleven in Kaulquappen oder so verwandelt werden.
Mag an mir liegen, keine Frage. Aber GoT zog mich sofort rein. “Herr der Ringe” auch. Selbst die softe Fantasy “Outlander” kann ich gucken und nachvollziehen. “Witcher”? Nein. Bedauere ich sehr, denn ich finde Cavill eindrucksvoll. Ein Held, wie ich ihn mir wünschen würde. Aber hat mich nicht gehooked.
The Witcher leidet zu Beginn unter der ungewöhnlichen, unchronologischen Erzählweise, die erst in der zweiten Hälfte der ersten Staffel so richtig belohnt wird (wobei ich recht gebe, dass sie auch danach noch nicht wirklich als GoT-Ersatz taugt, zumindest, wenn wir dort von den Staffeln 1-6 sprechen). Kann verstehen, wenn man da aussteigt; hätte ich auch fast gemacht ;).
Fand ich auch nur so “meh”…hab ich durchgeschafft, aber ich weiß nicht, ob ich mir die 2. Staffel gebe. Dabei hätte es mir gefallen “sollen”. Fantasy, gute Effekte, brauchbare bis gute Schauspieler…aber am Ende ist die Story so vorhersehbar, alles so geleckt.
Netflix entschädigt mich gerade mit “Sweet Tooth”.
Erinnert mich ein bisschen an “Cursed”, auch wenn die Serie wohl in vielerlei Hinsicht noch um einiges schlimmer war. Dort habe ich jedenfalls nach einer halben Stunde (ja, in der ersten Folge) abgedreht.
Ach, und vorhin vergessen: Volle Zustimmung was den Ansatz angeht, möglichst unvorbereitet an Filme und Serien heranzugehen. Mit Ausnahme von Projekten wo ich unentschlossen bin, halte ich das nun auch schon Jahre so :-).