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Feb 2024

Fantasy Filmfest White Nights 2024 München (4): DREAM SCENARIO

Themen: FF White Nights 2024, Film, TV & Presse |

USA 2023. Regie: Kristoffer Borgli. Darsteller: Nicolas Cage, Lily Bird, Julianne Nicholson u.a.

Offizielle Synopsis: Paul weiß nicht, wie ihm geschieht. Erst ist es nur seine Tochter, die surreale Träume von ihm hat. Aber auf unerklärliche Weise werden es immer mehr Leute, die nachts Visionen von ihm haben, sogar Wildfremde! Bisher war der blasse Familienvater und wenig geistreiche College-Professor nie im Mittelpunkt oder cool. Aber jetzt wird er plötzlich als “angesagtester Mensch der Welt” gefeiert und die Medien reißen sich nur so um den neuen Internetstar, von dem alle träumen. Als die kollektiven nächtlichen Episoden allerdings zunehmend albtraumhafter geraten, kippt die allgemeine Stimmung und Paul wird von einem Shitstorm gigantischen Ausmaßes überrollt.

Kritik: In seinem lesenswerten Review schreibt Mark Tinta zum Film:

Nic Cage’s seemingly annual “breakout from the VOD gutter” real movie that demonstrates what a brilliant actor he can still be.

Ich könnte nicht mehr zustimmen. Mussten wir uns letztes Jahr durch den so langweiligen wie eitlen SYMPATHY FOR THE DEVIL quälen, präsentiert uns DREAM SCENARIO wieder den Charakterschauspieler Nicolas Cage aus PIG. Eine bis in die Details perfekte Performance, ein komplexer Charakter, dessen Entwicklung von der ersten Szene an plausibel vorgezeichnet wird.

Einerseits kann man warnen, dass DREAM SCENARIO mitnichten so lustig ist, wie der Trailer glauben macht. Das hier ist über weite Strecken schwer “cringe”, vergleichbar mit CURB YOUR ENTHUSIASM. Dabei wird Paul dem Spott ausgesetzt, ohne dass wir jemals unsere Sympathie für ihn verlieren. Mehr noch: Wir leiden mit ihm, weil es so furchtbar ist, uns in seine Situation zu versetzen – er wird für den Traum-Paul verlacht, beleidigt und bestraft, für den er nicht verantwortlich ist. Er wird ein Star, dessen Image außer Kontrolle gerät. Und niemand, wirklich niemand misst ihn an der Realität – was zählt, sind “die Gefühle” der Menschen. Im Fokus der “your presence is making me uncomfortable”-Kultur ist man eingemauert wie in einer Einzelzelle. Social Media ist Richter und Henker.

Andererseits ist der Film ausreichend an den Klischees entlang inszeniert, dass er nur selten in echtes Drama abzudriften droht. Cages Charakter Paul ist zwar in sich stimmig, aber eben doch das sehr klare Klischee eines stoffeligen Kleinstadt-Professors mit Bildungsbürger-Spießigkeit, der in einem Poirot-Krimi allenfalls ein nur marginal Verdächtiger wäre. Es mag Cages größter Verdienst sein, dass er eine derart offensichtlich geschreinerte Figur real erscheinen lässt.

Kritisieren kann ich allein den Epilog des Films, der ein komplett neues Thema aufmacht und in meinen Augen die Kernaussage unnötig verwässert.

Fazit: Eine bitterböse Farce über die Gefahren der Wahrnehmung der Massen und die normative Kraft der Einbildung. Ein kafkaesker Alptraum mit einem Nic Cage wieder in Hochform. 9 von 10 Punkten.

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Thies
Thies
12. Februar, 2024 20:28

Das Gefühl des “cringe” hatte auch den Erstling des Regisseurs “Sick of my self” durchzogen. Schön zu sehen, dass er sich einerseits treu geblieben ist, sich aber auch positiv weiter entwickeln konnte. Es hilft wohl nicht nur dass er mit Cage einen Hauptdarsteller hat, der bereit ist “all in” zu gehen, aber auch dass der Charakter wesentlich nachvollziehbare Motive hat seinen unverhofften Ruhm zu umarmen. Die fünfzehn Minuten im Rampenlicht sind einfach zu unwiderstehlich um die Folgen zu bedenken, selbst für einen soliden und gebildeten Menschen wie Paul. Und der Ausbruch aus der Abwärtsspirale bleibt dann leider nur ein schöner Traum.

dermax
dermax
13. Februar, 2024 08:56

Seit ewigen Zeiten gestern abend mal wieder bei einer Sneak Preview gewesen und hatte leise gehofft, dass dieser Film gezeigt wird. Kam tatsächlich so!
Unterschreibe alles so, mich hat aber tatsächlich irgendwann genervt, dass der Protagonist gar nichts tut, um irgendwas an sich zu ändern. Und ja, dieses Gadget am Ende hab ich auch nicht verstanden.
Weiss man eigentlich, wie es um Cages Finanzen jetzt steht? Solche Rollen spielt man ja eher nicht, wenn man dringend Geld braucht und er scheint ja wie angekündigt tatsächlich nicht mehr alles zu spielen, was bei 3 auf dem Baum ist.

Rudi Ratlos
Rudi Ratlos
13. Februar, 2024 11:40
Reply to  dermax

Hab mal gelesen, dass er jetzt quasi so viele Rollen annimmt, damit er einfach beschäftigt ist, weil er sonst einen Hang zur Selbstzerstörung hat. Keine Ahnung was da dran ist, aber schuldenfrei sollte er ja hoffentlich inzwischen sein.

Zum Film: So ein bisschen wie Stranger than Fiction (Will Ferrell) in düster, oder?

dermax
dermax
13. Februar, 2024 12:21
Reply to  Rudi Ratlos

Interessante Hypothese, das würde ja zu der Rollenauswahl passen. Aber düster ist der Film nicht, wie oben geschrieben, man hat ja primär Mitleid mit dem Helden und es sind eher unangenehme Momente.

Will Tippin
Will Tippin
13. Februar, 2024 23:07

Hat uns gut gefallen, weil hier wirklich realistisch durchdekliniert wird, was in so einem Fall passieren würde. Gerade, das irgendjemand den sexuellen Traum in der Realität ausprobieren wollen würde. Und das dann exakt so cringe und scheiternd ablaufen würde. Das Ende franste dann ein wenig unbefriedigend aus.

Last edited 7 Monate zuvor by Will Tippin
Matts
Matts
14. Februar, 2024 10:01

Hab die White Nights dieses Jahr leider verpasst – aber den hier hab ich trotzdem gesehen. DREAM SCENARIO lief hier in Tschechien schon vor einem Monat regulär im Kino. Eventuell, weil da auch tschechische/slowakische Gelder reingeflossen sind.
Jedenfalls kann ich mich den positiven Stimmen nur anschließen: Borgli macht konsequent weiter, wo er bei SICK OF MYSELF aufgehört hat, und der hier gefällt mir sogar noch besser – nicht zuletzt wegen Nick Cage. Als jemand der selbst Biologe ist, konnte ich manche Elemente von Pauls Frust fast zu gut nachvollziehen.

Marcus
Marcus
27. März, 2024 16:46

Ja, der ist in der Tat gut, und Cage zeigt, dass er halt doch mehr ist als sein eigenes Meme.

Was ich mich aber bei dem Film immer wieder gefragt habe: hätte der auch mit einem anderen, “gewöhnlicheren” Hauptdarsteller funktioniert?