18
Mai 2020

IKEA Apocalypse oder: Scheiße verzapfen

Themen: Neues |

Wir haben uns – so viel ist ja bekannt – in unserer neuen Wohnung stilistisch umorientiert. Weniger Jugendstil, weniger 40er Jahre, weniger IKEA. Stattdessen Midcentury, Palm Springs, Pastellfarben, Deko zwischen Abstraktion und Kitsch, immer geschmackvoll.

Aber man kann das planen, so viel man will: man kommt am Ende NIE um das schwedische Möbelhaus herum. Weil die Schränke, Regale und Kommoden von IKEA nicht nur ideal zu allem passen, sondern durch ihren günstigen Preis auch noch alle Alternativen aus dem Rennen kicken.

So kam das erste Kallax-Regal (4×4, mit Türen und Schubladen) in die Wohnung, weil die Küche nicht ausreichend Stauraum bot. Man bedenke, dass wir aus Baden-Baden eine eigene Speisekammer gewohnt waren. Der Zusammenbau verlief ganz gut, auch wenn ich die Scharniere der Türen für unverschämt schrabbelig halte. Dass das auch besser geht, zeigen die deutlich smarter konstruierten Scharniere unseres Lillången-Waschbeckenunterschranks. Wieso übernimmt man die nicht für Kallax?!

Zur Unterbringung von Büromaterial – und ergänzt um eine Holzplatte als erhöhte Arbeitsfläche – schaffte ich zwei der neuen Eket-Blöcke an (2×2, Wandmontage). Hier zeigt sich schon, dass IKEA seine Produkte weiter entwickelt. Im Gegensatz zum ähnlich gelagerten Kallax wird Eket fast vollständig gesteckt statt gezapft und geschraubt. Das ist einfacher und wirkt trotzdem nicht weniger haltbar.

Die LvA hatte sich für ihr Redaktionsbüro ein sehr schönes Regal bei Made.com bestellt. Wegen Corona wurde die Lieferung aber immer wieder verschoben und schließlich sogar auf “wenn’s verfügbar ist” gestellt. Da es nicht hinnehmbar war, Ordner, Bücher und Korrespondenz auf dem Boden zu lagern, schlug ich vor, für die Überbrückung ein preiswertes Regal als simplen Stauraum zu kaufen und hinterher wieder auszulagern. Aber selbst Amazon, Ebay und Obi mit ihren hässlichen Plastik-Steckregalen konnten mich nicht überzeugen – es wurde WIEDER ein Kallax 4×4, diesmal geliefert statt selber abgeholt. Als es stand, war die LvA so begeistert, dass sie die andere Bestellung stornierte und mich bat, das Kallax durch einen Kollegen 3×4 zu ergänzen. Nicht schön, aber neutral und so unfassbar praktisch.

Mittlerweile habe ich auch dieses dritte Kallax-Regal gekauft, geschraubt und aufgestellt – und dazu noch weitere Komplement-Schubladen für unsere PAX-Kleiderschränke, die wir demnächst mit einer Fototapete beziehen lassen.

Aber das ist NICHT die Geschichte, die ich erzählen wollte. Ich erwähnte z.B., dass der Zusammenbau des ersten Kallax “ganz gut” lief. Dass IKEA die Produkte immer weiter entwickelt. Und DA liegt der Hase im Pfeffer. Es lief nämlich mitnichten alles “ganz gut” und nur durch schweres Glück stehen heute alle Kallax-Regale fest und sicher.

Zuerst einmal das Positive: Zu den Weiterentwicklungen gehört bei IKEA eine Plastik-Verlängerung für den legendären Inbusschlüssel:

Das ist hochgradig praktisch, weil man das Teil damit besser greifen und die Schrauben fester ziehen kann. Erspart auf lange Sicht viele unnötige Blasen.

Ich habe auch das Gefühl, dass man die Schienen der Komplement-Schubladen vereinfacht hat. An denen bin ich früher gerne gescheitert, diesmal lief es problemlos.

Mit dem Kallax hatte ich jedoch so meine Probleme. Rein theoretisch ist das “nackte” Regal vergleichsweise simpel konstruiert und braucht kein Abitur. Die Anleitung ist relativ verständlich und man kommt auch ohne Hilfe klar.

Der Teufel steckt wie immer im Detail – in diesem hier, um genau zu sein:

Das sind die IKEA-typischen Holzzapfen. Sie verbinden die Bretter mit dem Korpus und miteinander. Waren sie früher maximal 1,5 bis 2 Zentimeter lang, so gibt es nun Varianten mit locker 4 Zentimetern, die durch eine Zwischenwand und in zwei Bretter getrieben werden. Ganz schön viel Aufgabe für so ein bisschen Holz.

Ich kann es nicht beweisen, aber ich habe definitiv das Gefühl, dass die Schweden in den letzten Jahren die Zapfen nicht nur verlängert haben, sondern auch beim Holz auf eine weichere Sorte ausgewichen sind. Das hat oberflächlich erstmal Vorteile: der Zapfen lässt sich leichter ins Holz treiben, wo er sich wieder ausdehnt und fester sitzt. Das gibt auch mehr Spielraum, falls ein Loch doch mal unsauber gebohrt ist.

Aber: Diese Zapfen sind so weich, dass sie bei der kleinsten nicht vorgesehenen Belastung brechen. Man muss ein Kallax-Brett nur einmal leicht falsch ankanten, dann hört man schon das unschöne knnnnrschhh des berstenden Zapfens. Und DANN wird es richtig hässlich.

Ihr ahnt es schon: genau so ist es mir ergangen. Beim Zusammenbau des Küchen-Kallax brachen gleich drei Zapfen gleichzeitig, als ich das Brett angeschrägt auf den Boden stellte. Zuerst einmal wäre es hilfreich, wenn IKEA bei einem derart anfälligen Teil ein oder zwei Ersatzzapfen beilegen würde. Dem ist nicht so – alles ist wie immer exakt abgezählt. Geht ein Zapfen kaputt, kann man gleich die Arbeit abbrechen, weil das Regal dann nicht mehr sicher ist (zumindest eines der Bretter wird nicht fest sitzen).

Aber es kommt noch schlimmer: Die Zapfenreste verstopfen die Löcher und wenn das herausstehende Stück nicht lang genug ist, helfen weder Zange noch Pinzette. Dann ist das Loch dicht und neben dem Zapfen ist gleich das ganze Brett unbrauchbar. Man kann versuchen, es vorsichtig wieder frei zu bohren, aber die Bretter reagieren da SEHR empfindlich – und macht man das Loch zu groß, ist es WIEDER nicht stabil.

Weil es alles nix half, bin ich also schon wegen des ersten Kallax-Regals gleich wieder zu IKEA, wo man unkompliziert eine 1er-Box aufriss, mir ein Ersatzbrett und eine Handvoll Zapfen in die Hand drückte (kurz vor Corona). Damit bekam ich das Regal zusammen – und ich war schlau genug, die überzähligen Zapfen nicht in den Müll zu werfen.

Als nämlich das Kallax für das Redaktionsbüro meiner LvA anstand, passierte EXAKT das Gleiche, trotz aller Vorsicht. Die Außenwand einmal falsch angefasst – knnnrschh! Ich war froh, noch Ersatzzapfen in der Mischmasch-Box für Schrauben und Nägel zu finden, so blieb das Problem begrenzt.

Was soll ich sagen? Drittes Kallax – knnnrschh! Zwei weitere Zapfen durch. Und einer davon so eingegraben in das Bohrloch, dass selbst die Zange nicht helfen konnte. Was tun, sprach der Scheich? Ich griff zu… Mitteln:

Mit der Zange entfernte ich alle Holzreste, derer ich habhaft werden konnte. Mit dem Akkuschrauber bohrte ich das Loch so weit frei, wie ich es verantworten konnte. Nichtsdestotrotz sammelte sich ein kompakter Holzrest darin, der den Einschub des Ersatzzapfens so knapp stoppte, dass ich das Zwischenbrett nur bis auf zwei Millimeter Abstand draufsetzen konnte. Und bist du nicht willig…. so greif ich zur Säge. Die überschüssigen Millimeter wurden kurzerhand abgesägt. Passt, wackelt, hat Luft.

Aber das SOLLTE so nicht laufen. Ich habe in den letzten 30 Jahren wahrlich genug Expedit- und Kallax-Regale geschraubt und aufgestellt (von Billy, Benno, Pax und Konsorten nicht zu reden). Ich kann das. Dass nun DREI Regale nacheinander die gleichen Zicken machen, will ich deshalb nicht auf mein mangelndes Geschick schieben. Die Zapfen sind schlicht zu lang und zu weich für dieses relativ große Regal.

Ich erwarte nicht von IKEA, dass sie andere Zapfen entwickeln – wobei: was spräche gegen Kunststoff wie beim Eket? Aber es kann doch selbst bei Millionen verkaufter Kallax-Regale kein Problem sein, jeder Lieferung drei Ersatzzapfen beizulegen. Für den Fall der Fälle. Statistisch gesehen sollte das Tausende von frustrierten Doppelfahrten zum Möbelhaus überflüssig machen.

Ich kaufe schließlich nicht bei IKEA, um zu Säge und Zange zu greifen…



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Seb
Seb
18. Mai, 2020 11:00

Das Problem wird für IKEA sicherlich rein wirtschaftlich sein. 2-3 Extrazapfen pro Artikel bedeutet am Ende höhere Kosten. Getan wird meist erst etwas, wenn ihnen die Reklamationen teurer kommen (oder massiv medialen Wind erzeugen).

AlphaOrange
AlphaOrange
18. Mai, 2020 13:41

Been there… 5×5 Expedit nach dem Umzug auf dem Boden liegend zusammengesetzt, dann am Deckelbrett angepackt, um es in die Vertikale zu wuchten, natürlich auch noch alleine. Richtige Scheißidee! Das ganze Regal brach in der Mitte durch.
Hab bei Ikea auch problemlos ein Säckchen neue Zapfen bekommen, aber genauso über die Reste in den Löchern geflucht. Ein paar Zapfen musste ich kürzen, ein, zwei Löcher sind glaube ich leer geblieben (bzw. voll).

Die Ekets sind ein Traum! Nicht nur das Zusammenstecken, auch die Aufhängung an der Wand.

Andreas
Andreas
18. Mai, 2020 18:02

Ich liebe die Regale auch, wir haben ein paar.
Wenn dir das mit den Dübeln wieder passiert, nimm dir einen 2mm Bohrer.
Bohr den Dübel an, muss nicht genau mittig sein. Nimm dir eine dünne Schraube oder besser
einen Schraubhacken ( wie diesen z.B. Schraubhacken ) und zieh ihn damit heraus.
Klappt bei mir in 9 von 10 Fällen.

Luc
Luc
18. Mai, 2020 18:12
Reply to  Andreas

Meiner Erfahrung nach reicht sogar fast immer ein langer, dünner Nagel, den man vorsichtig in den Restdübel klopft und ihn dann rauszieht.

frater mosses von Lobdenberg
18. Mai, 2020 23:40

Du benutzt tatsächlich diese beiliegenden Inbus-Schlüssel zum Aufbau? Respekt. Ich nehme da lieber den Akkuschrauber, der dank Rutschkupplung auch noch noch gleichmäßige Drehmomente liefert.
Holzdübelreste kriegt man übrigens elegant mit einem kleinen Bohrer (ca. 1/4–1/3 Dübeldurchmesser), einer passenden, langen (!) Spax-Schraube und einer Kombizange (o. ä.) raus. Dübel zentrisch anbohren, Schraube reindrehen (dabei aufpassen, dass Loch und Schraube nicht tiefer gehen als der Dübelrest lang ist!), dann kann man mit der Zange die Schraube samt Dübel rausziehen.
Fun fact am Rande: Ich habe tatsächlich schon mal eine Metallsäge bei IKEA gekauft, die zum Kürzen von Vorhang-Gleitschienen angeboten wurde. Stellt sich raus: Das mitgelieferte Sägeblatt ist ziemlich lausig, und dank der völlig ungebräuchlichen Blattlänge von 25 cm gibt es keinen Ersatz im generischen Werkzeughandel.
Braucht jemand eine IKEA-Metallsäge?

frater mosses von Lobdenberg
20. Mai, 2020 15:13
Reply to  Torsten Dewi

Unabhängig, ob es nicht so sein sollte, es ist halt mal so, wie es ist. IKEA kocht da auch nur mit Wasser; Holzdübel sind in der Bausatzmöbelszene und im konventionellen Möbelbau ja weit verbreitet. Die weicheren (bzw. ja eigentlich spröderen) Dübel mögen durchaus einen Sinn haben, nämlich den, dass eher der Dübel als das Loch in der (Span-)Platte nachgibt.
Gerade deswegen sollten sie allerdings wirklich immer ne Handvoll mehr ’reinlegen.

Beelzebub
Beelzebub
2. Juli, 2020 13:19

Dank, deines Beitrags waren wir gestern beim Aufbau unserer 2 Kallax-Regale schon mal vorgewarnt. Jedes 3×4, also genug Zapfen zum Abbrechen. Einen hat es auch bei uns zerhauen, so dass wir letztendlich eine Schraube reindrehen mussten um den kaputten Zapfen heraus zu ziehen. Meine Frau hatte noch einen alten Holzrundstab zur Hand (eigentlich zum Basteln vorgesehen), der die passende Dicke hatte. Kurz entsprechend abgesägt und schwups einen neuen Zapfen zur Hand.
An dieser Stelle nochmal VIELEN DANK für diesen und deine anderen Beiträge. Ich lese den Blog jetzt schon mehrere Jahre und erfreue mich an der offenen Art und Nähe zum wahren Leben.