Fantasy Filmfest 2023, Tag 8, Film 4: VERMIN
Themen: Fantasy Filmf. 23, Film, TV & Presse |Frankreich 2023. Regie: Sébastien Vaniček. Darsteller: Théo Christine, Finnegan Oldfield, Jérôme Niel, Sofia Lesaffre, Lisa Nyarko
Offizielle Synopsis: Der junge Kaleb hat eine Schwäche für exotische Tiere. Sein kleines Zimmer in der heruntergekommenen Wohnung, die er sich notdürftig mit seiner Schwester teilt, ist vollgestopft mit Terrarien voller Insekten und Reptilien. Dass seine Sis aus Kostengründen immer wieder den Strom runterfährt, ist ein ständiger Streitpunkt zwischen ihnen, und führt letztendlich dazu, dass sein schicker Neuzugang, eine seltene Spinne unbekannter Herkunft, aus ihrem Nest entfliehen kann und unbemerkt ein paar Kokons zurücklässt. Die höchst giftige, angriffslustige Spezies beginnt sich zunächst heimlich zu vermehren. Aber spätestens als das erste Todesopfer eine schwer bewaffnete und maskierte Polizeieinheit auf den Plan ruft, erhitzen sich die Gemüter der Bewohner:innen des tristen Wohnkomplexes erheblich. Bald müssen sich Kaleb und seine Clique Stockwerk für Stockwerk durch die spärlich beleuchteten Flure in die Freiheit kämpfen. Hinterhältige Nachbarn, brutale Ordnungshüter und nicht zuletzt eine um sich beißende Armee von Achtbeinern versperren ihnen dabei unaufhörlich den Weg.
Kritik: VERMIN, gerade von der Kritik nach Cannes hoch gelobt, ist ein bizarrer Hybrid. Das Setup ist nicht neu, das kennen wir aus ATTACK THE BLOCK ebenso wie aus KANDISHA und aus CITADEL und aus LOCKDOWN TOWER. Riesige Wohnblöcke, einst moderne Sozialbauten, die im Laufe der Jahre vergessen und verkommen sind. Die Einwohner bilden teilweise verwahrloste Zwangsgemeinschaften, weil sie auf Hilfe von außen (Politik, Polizei) schon lange nicht mehr setzen können. Als eine externe Gefahr auftaucht, müssen gegen alle Widerstände eigene Wege gefunden werden, damit umzugehen.
Und so ist das Ungeziefer des Titels auch nicht bloß eine Benennung der Gefahr, sondern auch die Einstellung der braven Bürgerschaft gegenüber den Bewohnern dieser Siedlungen. Man hilft ihnen nicht nur nicht – man wäre auch vergleichsweise froh, wenn sie als "Problem" endlich verschwinden würden.
Das ist eine Seite dieser Sorte Film, die sozialkritische, die uns an unsere Verantwortung auch für die Chancenlosen und Ausgegrenzten erinnern soll. Die andere Seite von VERMIN ist ein splatterfreudiger, völlig überdrehter und mit großem Genuss ekliger Spinnenhorror, der das Genre eben nicht nur als Aufhänger für seine Message verwendet, sondern freudig bedient.
So authentisch das Szenario, so banane der Horror: Die Spinnen scheinen sich im Sekundentakt zu vermehren, aus einer Spinne werden schnell Dutzende, dann Millionen. Sie wachsen von fünf Zentimetern auf einen Meter, können einen ganzen Wohnblock in Windeseile einspinnen, nutzen Menschen als Wirtskörper – was man an keiner Stelle hinterfragen darf, wenn. man den Film genießen will.
Schafft man es allerdings, die komplette Hirnrissigkeit des Konzepts nicht zu hinterfragen, kann man einen Heidenspaß mit VERMIN haben. Die kleine Solidargemeinschaft der Bewohner ist sympathisch (anders als z.B. in LOCKDOWN TOWER), die Geschwindigkeit ist hoch und der Horror wird bis ins Finale konsequent weiter aufgedreht. Dem Frankster war es dann teilweise zu hysterisch, aber ich konnte jederzeit glauben, dass wir damit nur an der Panik der Protagonisten teilhaben.
Ein würdiger Nachklapp und Abschluss eines erstaunlich guten Programms, über dessen Gesamteindruck ich noch mehr schreiben werde. In ein paar Stunden bekommt ihr auch noch mal meine Empfehlungen zusammengefasst, falls in eurer Stadt das Festival noch bevorsteht. Service!
Fazit: Ein Belagerungs-Spinnen-Horrorfilm, der völlig durchgeknallt sein Ding durchzieht und nebenbei noch das Überleben der Unterschicht in einer Gesellschaft thematisiert, die mittlerweile auf Ausgrenzung und Konfrontation setzt. 8 von 10 Punkten.
Den sehe ich leider deutlich kritischer als du. Alles rund um die Spinnen hat für mich (trotz der von dir erwähnten unglaubwürdigen Aspekte, auf die man sich einfach einlassen können muss) großartig funktioniert. Leider aber konnte ich an die Protagonisten so gar nicht andocken. Vor allem aber waren mir ihre Konflikte zu hanebüchen und teils richtiggehend banal (ich mein, der Grund, warum die Freundschaft mit seinem ehemals besten Kumpel in die Brüche ging – ernsthaft), und in der Aufarbeitung zu klischeehaft. Die von Frankster erwähnten hysterischen Momente, die auch mich irritierten, kamen dann ebenso noch dazu, wie einige echt dämliche Aktionen der Figuren. 5-6/10
Der Absacker des diesjährigen FFF ist ein wirklich spaßiger Creature-Horrorfilm, der nicht nur bei Arachnophen für erhöhten Puls sorgen dürfte. Die 103 Minuten sind wie im Flug, und im Gegensatz zum vorherigen Kommentator konnte ich an Kaleb als Protagonist auch ziemlich schnell warm werden. Vielleicht weil ich seine Leidenschaft für die Krabbler teile.
Mein Hauptkritikpunkt ist eher, dass die längeren Einstellungen auf die immer größeren Spinnen gegen Ende eher kontraproduktiv waren. Die waren die CGI-Mängel teilweise schon recht offensichtlich.