Kino Kritik: GUARDIANS OF THE GALAXY VOL. 3
Themen: Film, TV & Presse |USA 2023. Regie: James Gunn. Darsteller: Chris Pratt, Zoe Saldana, Karen Gillan, Dave Bautista, Pom Klementieff, Will Poulter, Elizabeth Debicki, Sylvester Stallone, Chukwudi Iwuji , Nathan Fillion u.a.
Story: Die Guardians leben relativ ereignislos in Knowhere, als ein neuer Gegner die Bühne betritt und Rocket schwer verletzt. Um ihn zu retten, müssen Peter Quill und seine Genossen binnen 48 Stunden einen Code beschaffen, der sich im Besitz des "High Evolutionary" befindet, einer Quasi-Gottheit, die mit dem Ziel der Perfektionierung ganze Zivilisationen auszurotten bereit ist. Die Mission bringt neue Freunde, neue Feinde – und jeder Guardian muss sich die Frage stellen, ob es nicht an der Zeit ist, die Blaster an den Nagel zu hängen…
Kritik: Ich bin mit sehr gemischten Gefühlen in diese Pressevorführung gegangen. Das MCU befindet sich momentan in einer schwierigen Lage, die aktuellen Storybögen der Filme und Serien funktionieren augenscheinlich nicht wie erwartet. ANT-MAN: QUANTUMANIA hat nicht mal eine halbe Milliarde Dollar eingespielt, was von der gesamten Branche (Disney eingeschlossen) als Flop gewertet wird. James Gunn, der "spiritus rector" der Guardians, hat mittlerweile bei DC angeheuert, um die Helden der Konkurrenz mal wieder zu rebooten. Andererseits: Die GUARDIANS waren immer ein Garant für monströse Unterhaltung, selbst im etwas schwächeren VOL. 2 und im Holiday Special. Die Frage stand im Raum: werden sie in die MCU-Misere gezogen oder können sie sich emanzipieren?
Ich will euch gar nicht lange auf die Folter spannen: GUARDIANS OF THE GALAXY VOL. 3 ist mehr als ein Blockbuster, ein Erfolg, oder ein Meisterstück – er ist ein Triumph, die Quintessenz der Franchise als Highlight und Ausklang, zweieinhalb Stunden "more entertainment than you deserve". In seinem ganz eigenen Universum spielend (pun intended), schert er sich einen feuchten Dreck um den Multiverse-Quatsch im Rest des MCU. Hier geht es nur um die Geschichte der Guardians und die Erkenntnis, dass eben doch nicht nur Freundschaft alles ist – manchmal muss man sich die Zeit nehmen, das eigene Zentrum zu finden, den ganz persönlichen "special place".
Zum zweiten Teil schrub ich (und ist das echt schon wieder sechs Jahre her?):
Kein Film der letzten zwanzig oder dreißig Jahre hat ein derartig liebevolles und schräges Trüppchen erschaffen, dem wir mit solcher Begeisterung in die Hölle und zurück folgen würden. Die Guardians sind das Team, dem wir genau so sehnsüchtig angehören wollen wie einst der Brücken-Crew der “Enterprise”. Wir wollen sie als unsere Freunde, möchten die Jacke von Starlord tragen und halten unseren Fahrradhelm künftig für seine ausklappbare Schutzmaske.
Das gilt uneingeschränkt immer noch. Die Guardians sind "unsere" Truppe.
Ich behaupte, dass es aktuell keinen anderen Showrunner gibt, der wie Gunn Spektakel und stille Momente, Tragik und Humor, Epos und Intimität verbinden, abwechseln und kontrastieren kann, ohne dass der Zuschauer seekrank ins Popcorn kotzt. GUARDIANS ist brüllend komisch – und hat parallel dazu die dunkelsten Momente der Franchise, die mich als Papa davon abhalten würden, Kinder unter 15 mit ins Kino zu schleppen. Er drückt auf die Tube bei der Action und auf unsere Tränendrüsen. Bedenkt man, dass er dabei mit mindestens einem Dutzend Figuren gerecht werden muss, kann man diese Leistung nicht hoch genug loben. GUARDIANS ist eine Masterclass in Sachen Ensemble-Dramaturgie.
Das alles ist Gunn-typisch extrem manipulativ, oft auch mit Klischees hantierend ("… but not yet!") – aber ich will verdammt sein, wenn es nicht perfekt funktioniert und uns in diese Achterbahn auf eine Art und Weise hinein saugt, die ich beim MCU in den letzten zwei drei Jahren schwer vermisst habe. Dialoge, Musik, Kamera – das alles ist totales Pathos, totales Comic, inszeniert auf den totalen Effekt hin.
Mega-Kino.
Dabei begnügt sich GUARDIANS nicht mit den sattsam bekannten Elementen – neue Welten und neue Charaktere werden eingeführt, das Production Design erinnert teilweise an franko-belgische SF-Comics der 60er und 70er, Counter-Earth hingegen an die 80er. Die VFX-Crews hatte diesmal augenscheinlich wieder Zeit und ausreichend Budget. Von der artifiziellen Computerspiel-Ästhetik, die MCU-Filme in den letzten Jahren immer unangenehm billig hat aussehen lassen, ist GUARDIANS weit entfernt. Er malt die ganz großen Bilder auf die ganz große Leinwand, gepaart mit Gunns sicherem Gefühl für sorgsam choreographiertes Spektakel von der Raumschlacht bis zur Kneipenschlägerei.
Es ist bekannt, dass GUARDIANS die Franchise abschließen soll, aber der Film macht deutlich, dass das nur für DIESE Guardians gilt. Die vergleichsweise geringe Screentime von Adam Warlock (Will Poulter mal wieder in exzellenter Form), eine der beiden post credits-Sequenzen, so wie die Einblendung nach dem Nachspann versichern uns, dass es weiterhin Abenteuer der Guardians geben wird. Und Star-Lord ist auch noch nicht Rente, davon können wir ausgehen. Unsere Guardians sterben niemals im Kino – allenfalls an der Kinokasse.
GUARDIANS zeigt das MCU noch einmal (zum letzten Mal?) in Hochform, spielt seine Stärken aus und wischt seine Schwächen unter den Tisch. Was uns vor 15 Jahren an IRON MAN begeistert hat, vor elf Jahren an den AVENGERS, vor sieben Jahren an CAPTAIN AMERICA: CIVIL WAR – hier ist es noch lebendig, hier ist es noch nicht ausgelutscht und müde. Vielleicht liegt darin auch eine Lektion: es wäre womöglich vernünftig. statt EINES großen Storybogens, dem sich fast alle Filme und Serien unterordnen müssen, lieber kleinere "arcs" aus weniger Franchises zu bauen, und nebenbei auch noch Einzelabenteuer zu zu lassen.
DER Blockbuster für den Frühling. Und er kommt wieder mal von Marvel.
Fazit: Ein absolut krachendes und mit sicherer Hand geführtes Action-Abenteuer, das allen Charakteren ihren Moment im Rampenlicht gönnt und als Abschluss der Guardians-Reihe an die besten Momente des MCU erinnert. 11 von 10 Punkten, wenn ich Punkte vergeben würde.
Wenn euch das hier nicht ins Kino treibt, kann ich euch nicht helfen:
Dann weiss ich ja, was ich am 3. Mai mache – da ich die ersten beiden gleich gerne mag, kann der mich wohl kaum enttäuschen und vielleicht schaffen sie es ja auch bei Deadpool, einen guten dritten Teil abzuliefern.
Das klingt deutlich positiver als beim David Hain. Der olle Nörgler. Hatte leider keine Zeit am Freitag, da wäre hier in Leipzig die Presse-Vorführung gewesen. Dann halt normal ins Kino … nach all der Zeit mal wieder ein richtig guter MCU-Film, das wäre was … 😀
Eh, die Hain-Kritik ist zwar nicht per se falsch, krankt aber auch stark an einem "Ich wollte Guardians 1 noch mal"-Wunsch.
In einigen Punkten stimme ich ihm voll zu – Adam Warlock könnte man auch rausschreiben – in anderen "die Charaktere brüllen sich an" kann man ohne Spoiler leider kaum diskutieren warum das so ist.
Ich fand das sogar eher mutig, dass die Charaktere den Stress der Situation und die Spannungen zwischen einander so stark zeigen dürfen.
Starker Abschluss, wenn auch ziemlich heavy.
Ich war überrascht, wieviel Gewalt Gunn durchgekriegt hat. Es gibt zwar auch viele offensichtlich auf Disneyniveau entschärfte Kämpfe, aber punktuell setzt er die Momente, die er hat, sehr effektiv ein.
Ein guter Abschluss und ein Goodbye, das dafür, dass es soviel abzuarbeiten hatte, wirklich viel davon rund macht.
Wie bei allen Gunn Filmen, nicht alles funktioniert und nicht jeder Gag mag jedem gefallen, aber, besonders im Vergleich zur letzen Zeit, eine schallende Ohrfeige für alle anderen Produktionen, was die Beherrschung von Komik, Tragik und Drama, in teilweise irrem Wechsel, angeht.
Wie der Hausherr schreibt: Unsere Guardians.
Ich bin etwas weniger euphorisch. Klar ist: Seit Endgame das mit Abstand Beste, was Marvel geliefert hat.
Zu Bestnoten reicht es bei mir allerdings leider nicht, dafür fand ich das letzte Drittel leider deutlich zu zäh. Was ich an dem Ende von Herr der Ringe liebe, lässt mich hier leider emotional in die andere Richtung kippen. Der (vor)letzte Kampf zu lang, der Abschied zu pathetisch für meinen Geschmack.
Dazu kommt leider, dass ich unbedingt mal die ScreenX Technologie des neuen UCI ausprobieren wollte (erweiterte 270° Leinwand), was mich absolut enttäuschte, um nicht zu sagen: Ich hab mich komplett verarscht gefühlt.
Wenn ich sage, dass ich ihm eine zweite Chance geben muss, dann meine ich das auf hohem Niveau. Großteils ist es ein toller Film, aber aufgrund der teils heftigen Szenen natürlich deutlich schwerer zu verdauen als man es bei GotG gewohnt war. Jetzt weiß ich aber, woran ich bin. Jetzt weiß ich, dass ich ne normale Leinwand präferiere. Mit der Einstellung, denke ich, kann ich den Film nochmal anders genießen. Ob sich das letzte Drittel dann entzerrt, weiß ich allerdings nicht.
PS: Mit Will Poulter werde ich in diesem Leben nicht mehr warm. Ich lernte ihn damals bei Narnia 3 als Milchbubi und Weichei kennen und leider ist das eines von diesen Gesichtern, die für einen nichts anderes mehr darstellen. Einmal Milchgesicht, immer Milchgesicht.
Ich bin sehr zwiegespalten. Klar ist der weit besser als der letzte Thor oder Wakanda forever (Ant-Man 3 habe ich noch nicht gesehen), aber an Spider-Man:No way home kommt er imho nicht ran, denn mir fehlt da der emotionale Impact. NWH hat für Peter massive Auswirkungen, die nicht in "Friede/Freude/Eierkuchen" endeten, während GOTG 3 mir viel zu positiv endete. Das liegt z.T. auch daran, wie im Vorfeld immer betont wurde, dass es das Team so nicht mehr geben würde und der Film der endgültige Abschied für einige der Mitglieder wäre, aber das Ende legt nahe, dass genau das eben nicht der Fall sein könnte (und erzähle mir keiner, dass das Team so bleiben wird wie in der ersten Abspannszene).
Generell war mir der Streifen auch mal wieder zu lang und trotz mancher großartiger Sequenz hat er das Tempo immer wieder zu sehr verschleppt. Ich würde ihn als den zweitbesten Film der Reihe sehen, direkt nach dem ersten.