29
Apr 2023

Die meisten Unfälle passieren im Haushalt: Das Frittier-Fiasko

Themen: Neues |

Die LvA war für ein paar Tage auf Dienstreise. Das allein sollte ausreichen, bei euch alle Alarmsirenen schrillen zu lassen. Wortvogel – Allein zu Haus! Recipe for disaster nennt man so etwas – und eine gute Überleitung, weil ich die sturmfreie Bude nämlich für ein paar Rezepte nutzen wollte.

Wobei… Rezepte trifft es nicht genau. Ich hatte mir in den letzten Monaten in den Kopf gesetzt, dass man aus herkömmlichem Leberkäse/Fleischkäse sicher ein paar tolle Fast Food-Ideen über “Scheibe mit Senf auf Brot” hinaus entwickeln könnte. Leberkäs-Hot Dogs? Leberkäs-Köttbullar? Leberkäs-Schnitzel?

So gebe ich mich am Montag abend ran und raspele einen Metzger-Leberkäse:

Die Idee – und schon der Name macht mich besoffen vor Begeisterung -:

Leberkäse Bolognese.

Ober besser Leberkäse Bolognäse? Aus rechtlichen Gründen?

Dazu ein paar hausgemachte Nudeln dank Pastamaschine:

Tatsächlich ziemlich lecker, auch wenn die Leberkäs-“Fäden” zu dünn geworden sind und damit zu wenig Biss haben. Bei einem weiteren Experiment würde ich den Leberkäse eher händisch kleinhacken.

Dergestalt angespornt, folgt am nächsten Tag gleich das nächste Experiment. Dafür brauche ich eine Fritteuse. Haben wir nicht. Aber wir haben ein Kilo Palmin, einen hochwertigen Kochtopf und ein Küchen-Thermometer.

Zuerst einmal frittiere ich ein paar Würfel Leberkäse, um zu sehen, wie das vom Look & Feel funktioniert:

Ist jetzt nicht der Hammer-Anblick, schmeckt aber ganz lecker. Leberkäse mit Kruste ist immer besser als Leberkäse ohne Kruste und Leberkäse warm ist immer besser als Leberkäse kalt. Kann man also durchaus durchwinken.

Die nächste Idee: Leberkäse-Stücke in Eigelb und mit Bröseln panieren, um eine “crunchy crust” zu erzeugen, sowohl in der Fritteuse als auch in der Pfanne als “Wiener Leberkäse-Schnitzel”. Mir ist klar, dass ich mit den Bröseln das Frittierfett weitgehend versauen werde, also beschließe ich die Sättigungsbeilage zuerst ins Fett zu legen.

Pfanni Kroketten.

Herkunft/Rechte: Stiftung Domäne Dahlem – Landgut und Museum (CC BY-NC-SA)

Habe ich seit meiner Kindheit nicht mehr aus der Tüte gegessen, aber als sehr lecker in Erinnerung. Leider findet sich in den Supermärkten, die ich danach abgrase, kein Vorrat mehr. Ich erinnere mich aber vage, mal Folgendes gelesen zu haben: Kroketten und Kartoffelknödel von Pfanni sind letztlich deckungsgleich und unterscheiden sich lediglich in der Zubereitung (Knödel im kochenden Wasser, Kroketten im Fett). Kann man also äquivalent verwenden.

Das werde ich doch glatt mal ausprobieren!

In der Tat fühlt sich der angerührte Teig der Kartoffelknödel so an, wie ich Krokettenteig in Erinnerung habe. Ich forme ein halbes Dutzend kleiner Kugeln und versenke sie bei 170 Grad in den Topf mit dem Frittierfett. Es sprudelt gut, aber nicht zu heftig. Ich wende mich dem Leberkäse und der Panade zu.

Nach ein paar Minuten checke ich den Topf: Hhhhmmm, die “Kroketten” haben eine deutlich glattere Oberfläche als erwartet und werden auch nicht richtig braun. Ich fische ein Exemplar aus dem Fett, schneide es an, probiere vorsichtig. Schmeckt tatsächlich super. Knusprige Hülle, zartes Innenleben. Ich beschließe, die “Kroketten” um der Farbe wegen noch zwei Minuten zu frittieren, während ich den Leberkäse paniere.

Irgendwann im Laufe der nächsten zwei Minuten drehe ich mich zum Kühlschrank um. Vermutlich will ich noch ein Ei holen. Ich höre ein deutliches und latent aggressives “plopp” hinter mir. Wir wissen alle “plopp, das heißt stopp!”. Ich weiß nur nicht, wo es geploppt hat. Ich drehe mich zum Herd, stehe in ca. ein Meter Entfernung davon.

Die “Kroketten” explodieren.

Der Deckel wird vom Topf geschleudert.

Mindestens ein Viertelliter Frittierfett spritzt in einer Fontäne durch die Küche.

Zwei Gedanken rattern durch mich durch:

“Boah, was für ein Schwein, dass ich nicht direkt am Herd gestanden habe!”

“Scheiße, was mache ich jetzt?”

Der Herd ist an, die verbliebenen “Kroketten” frittieren weiter. Zeitbomben. Also zum Herd, Deckel wieder drauf, Platte abstellen, Topf zur Seite ziehen.

Weitere Kroketten explodieren, der Deckel springt hoch, Fett spritzt auf meinen Unterarm. Das kann und muss mir jetzt egal sein. Hauptsache, der Topf steht nicht mehr auf dem Herd.

Desaster:

Das Fett ist bis an den Kühlschrank gespritzt, zur Dunstabzugshaube, auf die Flaschen neben dem Herd, den Boden, den Mülleimer. Fett überall.

Meine These: Der Knödelteig erzeugt beim Frittiervorgang eine deutlich glattere und dichtere Kruste. Der Teig innen enthält viel Wasser, das aufkocht und Druck erzeugt. Und irgendwann kann die Hülle dem nicht mehr standhalten und platzt gewaltsam auf. Ich war von der dabei freigesetzten kinetischen Energie durchaus beeindruckt. Vielleicht kann ein Foodie-Ingenieur das besser erklären.

Ich inventarisiere das “Glück im Ungück”: Ich trage eine Schürze, das Macbook und das Handy wurden weitgehend verschont, es ist kein Feuer ausgebrochen. Die LvA hat es nicht mitbekommen. Ich mache erste Fotos – wenn schon nix sonst, soll wenigstens ein Blogbeitrag dabei rausspringen.

Zwei, dreimal knallt es noch. Die letzten “Kroketten” verabschieden sich. Ich merke, dass mein Unterarm brennt. Erstmal eiskaltes Wasser drüber, dann eine dicke Schicht Fenistil auftragen – die ersten Blasen bilden sich schon:

Dann mache ich mich daran, die Küche vom Schlachtfeld wieder in einen geordneten Zustand zu überführen. Die Flaschen mit Essig und Öl stelle ich in eine Plastikwanne, die ich mit Wasser und Putzmittel fülle – da kann sich das Fett schon mal lösen. Dann sichte ich die Küchenplatte. Sieht nach Arbeit aus: das Frittierfett härtet bereits wieder aus und lässt sich nicht so einfach abwischen.

Für den Boden hole ich den Dampfwischer aus der Abstellkammer. Eher im Vorbeigehen merke ich, dass die Plastikwanne mit den Flaschen drin wohl einen Riss im Boden hat – der ganze Teppich unter der Essecke ist klatschnass. Im Zweifelsfall nicht gut fürs Parkett. Manchmal kommt es ganz dicke. Ich seufze schicksalsergeben und räume die gesamte Essecke beiseite, um den Boden zu trocknen und den Teppich ins Bad zu bringen.

Danach ist wieder das Fett in der Küche dran. Die ersten zwei, drei Reinigungsdurchläufe bringen trotz abenteuerlicher Putzmittel-Kombinationen kaum Ergebnis. Das Fett ist überall – und es ist gekommen, um zu bleiben. Aber vom AdBlue-Debakel des letzten Jahres weiß ich noch: da muss man hartnäckig bleiben. Also schrubben, schrubben, schrubben.

Es braucht fast drei Stunden, bis ich die Küche in einem Zustand habe, in dem ich zumindest der LvA gegenüber behaupten kann, es sei “kaum was” passiert. Bis sie am nächsten Abend heimkommt, ist auch der Teppich getrocknet.

I didn’t do it, nobody saw me do it, nothing happened.

Weil es nun eh egal ist, esse ich die kalt gewordenen Stücke Leberkäse und die übrig gebliebenen Schalen der “Kroketten-Granaten”. Schmeckt lecker.

Da ich gute Selbstheilungskräfte besitze, sieht mein Unterarm am nächsten Morgen so aus:

Im Laufe des Tages erledigt sich das mit den Blasen auch. Und während ich diesen Beitrag schreiben, muss sich nur noch die Haut von der Eskapade erholen:

Ich denke, Experimente mit der Fritteuse lasse ich in der absehbaren Zukunft. Das steht unter keinem guten Stern. Erstmal kann ich froh sein, dass die Schäden an Mensch und Material vergleichsweise überschaubar geblieben sind.

Frittierte, panierte Leberkäs-Köttbullar – wer kommt denn auch auf so etwas?!



Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest

13 Kommentare
Älteste
Neueste
Inline Feedbacks
Alle Kommentare anzeigen
Nummer Neun
29. April, 2023 12:51

That escalated quickly

thetruemilhouse
thetruemilhouse
29. April, 2023 13:01

Dass Kartoffelbrei zu frittieren problematisch sein kann, ist auch hier schön zu sehen: https://youtu.be/UkXy12xVnRs (The action starts at 1:20.)

Thomas Bunzenthal
Thomas Bunzenthal
29. April, 2023 14:17

Ich hab vor 25 Jahren mit so einer Impro-Fritteuse meine nagelneue Einbauküche abgefackelt. Inklusive Feuerwehr- und RTW-Einsatz.
25000 Mark.

Stefan
29. April, 2023 19:55

Wie wäre es denn mit Wurstsalat? Gibts in verschiedenen Varianten, und du musst nichts frittieren. Nicht mal erwärmen. Den Leberkäse würde ich Julienne schneiden.

S-Man
S-Man
30. April, 2023 11:18

Bei mir wäre schon die Reibe der Endgegner gewesen. Dafür hab ich mir irgendwann Schnittschutzhandschuhe gekauft. Wie oft ich mir da in die Finger gehauen habe…

Alexander Freickmann
Alexander Freickmann
9. Mai, 2023 11:15
Reply to  S-Man

Wäre zumindest passend zur Evil Dead Review Crosspromo gewesen.

Squirrelius
Squirrelius
1. Mai, 2023 20:16

Fürs nächste Fiasko mit Fett oder Ähnlichem: SGRASSTORE
Ist ein italienischer Allzweckreiniger, bekommst man in so ziemlich jedem italienischen Laden. Löst und reinigt alles. Jedoch sollte man vorher immer testen was man reinigen will, Bekannte von mir sind damit ihr Herdbeschriftung losgeworden.

Kuhbaert
Kuhbaert
2. Mai, 2023 11:46

Ich glaube Kartoffelbrei ist das korrekte Eqivalent zu den Kroketten nicht Klöse.

Gut das du da einigermaßen heil aus der Nummer rausgekommen bist, experimente mit heisem Fett können übel ausgehen

comicfreak
comicfreak
2. Mai, 2023 12:50

Herrje, das muss an meinem Alter liegen, dass ich gerade sowas von in den Mütterlichkeitsmodus falle..

Tipp fürs nächste Disaster:
gaaaaaaanz lange richtig kalten Wasser drüber laufen lassen, danach Kühlkompresse.
Auch wenn’s zu spät kommt, hier ein *PUST* für dich.

Das Fett erst aushärten lassen, dann kann man das wunderbar mit einem Pfannenspatel abnehmen und hat viel weniger zu putzen.
Mikrofasertuch mit heißem Wasser auswaschen, gut auswringen, und durch dfie Kombination von Wärme und Saugfähigkeit noch mehr Fett aufnehmen.
Danach erst putzen.

Zum Glück waren die Katzen nicht in der Nähe und du nicht direkt vor dem Topf!

Goran
Goran
3. Mai, 2023 22:25

Meine Güte, was Du für ein Glück gehabt hast.

Rudi Ratlos
Rudi Ratlos
9. Mai, 2023 16:48

Puh, das klingt fies – jetzt weiß ich auch, warum mir meine Holde Frittieren mit Fett / Öl untersagt hat und wir uns ne Heißluftfriteuse geholt haben 😅