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Okt 2021

Fantasy Filmfest 2021 Tag 1, Film 1: GUNPOWDER MILKSHAKE

Themen: Fantasy Filmf. 21, Film, TV & Presse, Neues |

Frankreich/Deutschland 2021. Regie: Navot Papushado. Darsteller: Karen Gillan, Lena Headey, Angela Bassett, Michelle Yeoh, Carla Gugino, Paul Giamatti, Chloe Coleman, Ralph Ineson

Offizielle Synopsis: Vor Jahren musste Profikillerin Scarlet ihre Tochter Sam zurücklassen und vor ihren Feinden in den Untergrund abtauchen. Inzwischen ist Sam in die Fußstapfen ihrer Mutter bei der „Firma“ getreten. Kein Job ist der Assassine zu schmutzig, furchtlos und abgebrüht schaltet sie ihre Widersacher aus – auch wenn es schon mal ein paar Dutzend werden. Der neueste Auftrag bringt sie jedoch ins Straucheln und löst einen Bandenkrieg aus, der ihrem Boss Nathan gar nicht schmeckt. In die Enge gedrängt sucht sie Hilfe bei ihren einstigen Hitwoman-Gefährtinnen, und die haben offensichtlich nur darauf gewartet, ihre tödlichen Talente wieder unter Beweis stellen zu dürfen.

Kritik: Ich gebe zu, dass ich vorbelastet an den Film rangegangen war – ich fand schon Papushados Erstling RABIES vor 10 Jahren unterirdisch und die Genese von GUNPOWDER MILKSHAKE als Euro-Produktion ist eigentlich immer ein Warnsignal.

Letztlich soll das hier ein ins Abstrakte, comic-eske überzogenes feministisches Pendant zu JOHN WICK sein – SISTERHOOD OF THE TRAVELING GUNS, wenn man so möchte. Und wie bei BIRDS OF PREY können die Gewaltausbrüche der beteiligten Damen nur dadurch gerechtfertigt werden, dass alle Männer noch viel größere Schweine sind, die den Tod mehr als verdienen. In seiner totalen artifiziellen Erscheinung gibt sich GUNPOWDER keine Mühe, irgendeine Form von Realität abzubilden jenseits der “set pieces”, die er für seine (mit einer Ausnahme) sehr hausbackenen und in Zeitlupe ersaufenden Shootouts braucht.

Es müsste uns halt scheren. Aber es schert uns nicht. Weder Scarlet noch Sam sind irgendwie als Personen über tranige Action-Klischees hinaus begreifbar, die drei “Bibliothekarinnen” (kann man Carla Gugino, Michelle Yeoh und Angela Bassett krachender verschenken?) existieren in einer bizarren Blase, die außer der weiblichen Loyalität keinerlei Moral kennt – und wann immer der aufjaulende Italowestern-Rocksoundtrack von großem Drama kündet, bleibt man als Zuschauer seltsam unberührt.

Es hilft nicht, dass ich mit Karen Gillan nicht warm werde – ihre distanziert trotzige Art der Schauspielerei ringt mir keinerlei Empathie ab.

Der einzig genuine emotionale Moment bleibt dem großartigen Ralph Ineson vorbehalten, der als Bösewicht eine sehr plausible Erklärung abliefert, warum er den Unsinn der Blutrache erkennt, aber letztlich nicht enden will.

Inszenatorisch ist das extrem dünn: die Kamera wird immer mittig platziert, rahmt alle Szenen wie Dioramen in einem Puppenhaus und man ist sich nicht mal zu schade, auf beschleunigende Schnitte zu setzen, um Gillans mangelnden körperlichen Einsatz zu kaschieren. Die Dialoge sind – wie die Figuren – aus der untersten Klischee-Schublade.

Ich könnte noch diverse Absätze darauf verschwenden, dass die Konstruktion der filmischen Wirklichkeit schon nicht mehr unglaubwürdig, sondern rotzig-doof ist, aber das hätte was mit Eulen und Athen zu tun. Diese Sorte Film macht sich selten die Mühe, irgendwie plausibel zu sein. Es sei mir aber ein Beispiel gestattet: Das große Finale soll im Diner stattfinden, weil Sam weiß, dass die Bösewichte den “heiligen Boden” nicht durch Waffeneinsatz entehren werden. Und der Twist ist dann, dass Scarlet und ihre Genossinnen völlig unbemerkt mit großkalibrigen Waffen dazu treten und die Gangster niedermetzeln. Wohlgemerkt: die “Guten” brechen den “Code” und metzeln die “Bösen” nieder, die sich an den Code halten. Das ist so falsch, dass nicht mal das Gegenteil richtig wäre.

So ist GUNPOWDER MILKSHAKE letztlich ein holperiger Versuch, eine feministische Franchise wie WICK zu bauen, dem es zwar nicht am Geld oder der technischen Kompetenz der Crew mangelt, wohl aber an der Vision des Drehbuchs und der Regie. Es kann nicht jeder ein SCHNEEFLÖCKCHEN sein. Kann man sich an einem lauen Abend mal geben, weil schön laut und bunt, ist aber schon wieder vergessen, wenn man danach aufs Klo geht.

Fazit: “Feminist gun porn” im Comic-Look, der gerne ATOMIC BLONDE oder JOHN WICK wäre, aber eher an Totalausfälle wie BUNRAKU erinnert und an keiner Stelle ein Interesse für die Figuren oder die Story entwickelt. Ich respektiere das Wohlwollen vieler Zuschauer, aber auch das hievt diese leeren Action-Kalorien nicht über 5 von 10 Punkten.

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S-Man
S-Man
18. Oktober, 2021 13:30

Ich fand den film launisch. Für mich waren das Setting und die Sets nie so, dass der Film in irgendeiner Art Ernst zu nehmen war. Also Kopf aus und gucken. Im Kino bekam er Szenenapplaus und das macht das Filmerlebnis natürlich insgesamt besser.

Da ich auch sonst keinerlei Vorbelastungen hatte, konnte ich den Film als reinen Unterhaltungsfilm ohne Anspruch auf tiefere Handlung oder Sinnsuche genießen. Das wurde auch durch die launige Ansprache des anwesenden Regisseurs sowie einer Crewmitglieder angefacht.

Rudi Ratlos
Rudi Ratlos
21. Oktober, 2021 08:16

Mh, da ich Bunraku recht unterhaltsam fand und Karen Gillan eigentlich mag, sollte ich dem ne Chance geben 😉

Matts
Matts
27. Oktober, 2021 13:26

Ich stimme S-Man zu: Es war sicher nicht die neue Offenbarung des Actionkinos, aber ein launiger Einstiegsfilm. Das Publikum hatte hörbar Spass.
Interessanterweise habe ich schon ein paar Mal den Vergleich mit dem neuen Netflix-Actionfilm KATE anklingen hören. Während beide Filme sich um eine junge weibliche Auftragskillerin mit minderjähriger weiblicher Begleitung drehen gibt tonal doch ein paar Unterschiede. Mary Elizabeth Winstead hängt sich in ihrer Rolle auch ein bisschen mehr rein als Karen Gillan, finde ich.

Thies
Thies
4. November, 2021 02:12

Zur Vorbelastung: ich hatte “Rabies” nicht gesehen, aber der Nachfolger “Big Bad Wolves” war für mich eines der Highlights beim FFF 2014.

Den Film fand ich als Eröffnung durchaus kurzweilig, aber ich muß dem Wortvogel recht geben, dass die vielen Schiessereien im Rückblick schnell wieder verblasst sind. Und das kann nicht nur an den vielen Filmen liegen die danach kamen.

Tobias
Tobias
5. November, 2021 06:39

Der Film ist einfach nur ärgerlich, besonders als Eröffnungsfilm. Er strotzt vor filmischem Versagen an allen Fronten. Sorry, das ist mir einfach zu flach. Es gibt keine wirkliche Story, kein Schauspiel, nichtmal irgendein geiles Styling. Alles nur bunt und hohl wie eine Kaugummiblase. Ich meine, da hat ein Regisseur offenbar Budget zur Verfügung und sogar eine Auswahl an durchaus fähigen Schauspieler(innen) und schafft es, rein gar nichts daraus zu machen. Wäre ja sogar ok, ein inhaltloses Fighting-Girls-Spektakel mit Popcorn, wenn es denn wenigstens sexy wäre, aber auch hier: ein Film über killende Frauen und nicht ein Hauch Hotness. Die Damen sind allesamt alt, steif, blass und mies gekleidet…. wie gesagt: was für eine Verschwendung! Was für ein unnötiger Film! Und als Opener für ein Festival der totale Abturner…

Marcus
Marcus
27. November, 2021 23:04

Pretty much.