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Mai 2021

The Return of Scan-Man!

Themen: Neues |

Die Älteren unter euch werden sich vielleicht erinnern: vor knapp drei Jahren habe ich mit Feuereifer begonnen, alles einzuscannen, was ich daheim stehen hatte und was das Internet (meinetwegen auch in grauen Quellen) nicht anderweitig hergab. An der großen Firmen-Workstation habe ich mehr als 100 Bücher und mehr als 200 Zeitschriften vom Analogen ins Digitale gezerrt. Das machte viel Freude, brachte jedoch auch viel Frust mit sich.

Es war sowieso keine Dauerlösung, denn ich wollte meine freien Tage nicht auch noch in der Firma zu verbringen. Also hatte ich mir über eine Kickstarter-Kampagne einen Overhead-Scanner von CZUR gekauft, der für wenig Geld erstaunliche Leistungsdaten mitbringt. Aber da steckte ein Wurm drin: Der Scanner erkannte die aufgelegten Seiten nicht, scannte teilweise schräg und manche Scans kamen trotz größter Sorgfalt seltsam gewellt auf die Festplatte:

Irgendwas hakte. Davon hatte ich dann irgendwann die Schnauze voll. Die CINEMAS, die TITANICS, die SPLATTING IMAGES blieben erstmal ungescannt.

Es lag nicht daran, dass ich zu doof war, den Scanner zu bedienen. Es stellte sich vielmehr heraus, dass der Scanner schlicht nicht richtig funktionierte – meine Vermutung ist, dass der bewegliche Spiegel in der Overhead-Mechanik nicht richtig sitzt. Die ganzen nicht erkannten Seiten, unlesbaren PDF und miesen Scans waren der fehlerhaften Elektrik/Elektronik geschuldet.

Nun gibt es durchaus Momente, da ergibt zweimal Pech einmal Glück. Das zweite Pech war die Tatsache, dass ich bei der Bestellung des Scanners seinerzeit einen Fehler gemacht und man mir deshalb zwei Geräte geschickt hatte. Somit standen die Chancen nicht schlecht, dass ich für das doppelte Geld wenigstens einen funktionsfähigen Scanner im Keller stehen hatte.

Aber kennt ihr das nicht auch? Einmal raus, kommt man nur schwer wieder rein. Die anfängliche Begeisterung für das Projekt war erstmal futsch. Es demotivierte mich zusätzlich, dass das Monster von Papierschneidemaschine nach einer Weile in Sachen Klinge doch deutlich stumpf wurde und sich in Baden-Baden niemand fand, der das Messer nachschleifen konnte.

Weil klar war, dass wir in absehbarer Zeit auch wieder umziehen würden, verschob ich das Thema Scan-Arbeit erstmal auf den Sankt Nimmerleinstag.

Sankt Nimmerleinstag war, so stellte sich heraus, der 1. Mai 2021. Ich hatte zum Mittag schon so rein gar nichts mehr zu tun (bzw. Lust auf nix), dass ich mich endlich aufraffen konnte, den zweiten Scanner aus dem Keller zu holen und mit ein paar CINEMA-Ausgaben der frühen 90er zu testen. Die Klinge des Papierschneiders hatte ich schon vor Monaten von einem Fachbetrieb hier in München nachschleifen lassen.

Wahrlich, es lief nicht gut an. Die nachgeschliffene Klinge, die monatelang nutzlos (sicher verpackt) auf meiner Kommode gelegen hatte, war in dem Moment, als ich sie brauchte, nicht zu finden. Der neue Scanner weigerte sich, mit der Software zusammen zu arbeiten und verlangte nach einem Update. Nach dem Update weigerte sich der neue Scanner, mit der Software zusammen zu arbeiten und verlangte nach einem Update.

Ich kann in solchen Sachen prima renitent sein und diesmal ließ ich mich auch nicht foppen – mit Hilfe der LvA fand sich irgendwann die Klinge. Und als primäres Problem der Software stellte sich die Tatsache heraus, dass sie auf die Seriennummer des kaputten Scanners registriert war, was ich ändern konnte.

Dann ging’s aber schon los. Ich säbelte einer CINEMA den geleimten Rücken ab und legte die einzelnen Blätter bereit, um sie nach und nach zu scannen. Klar gehörte es zu den Vorzügen eines Overhead-Scanners, dass er Bücher und Zeitschriften auch “non-destructive” scannen kann, aber die Hefte werden nicht mehr gebraucht und es ist auf diese Weise schlicht einfacher.

Und damit sind wir bei der Software des Scanners. Die ist nicht nur eingedeutscht und optisch gefällig präsentiert, sie ist auch erfreulich einfach zu bedienen und dennoch leistungsstark. Anfänger können einfach mal testweise auf den Scan-Button drücken. Die Software erkennt das auf die schwarze Matte gelegte Dokument, egal, wie schräg man es hingeschmissen hat.

Man kann dem Scanner übrigens dabei helfen, die Seiten besser zu erkennen, in dem man viel Umgebungslicht bereitstellt.

Zwar liegt dem Scanner ein praktisches Fußpedal bei (auf das man auch wie bei einem Quizshow-Buzzer mit der Hand hauen kann), aber ich empfehle die Autoscan-Funktion, die immer dann automatisch auslöst, sobald die Software ein neues Dokument erkannt und fixiert hat. Scannt man Hefte wie die CINEMA, entwickelt sich schnell ein Flow.

Wie man in der rechten Spalte sehen kann, versteht sich der CZUR nicht nur auf einfache Seiten oder Fotos, sondern scannt auch Bücher, die man händisch aufgeklappt auf die Unterlage drückt. Die Laser-Streifen, die der Scanner beim Scan auf die Oberfläche wirft, signalisieren der Software die Wölbung der Buchseiten, die dann im nächsten Schritt automatisch korrigiert wird. Dabei mag der CZUR nicht ganz so perfekt sein wie die großen Profi-Maschinen, mit denen die Universitäten aktuell ihre Bestände scannen, aber er kostet auch nur ein Bruchteil:

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Hier wird schön vorgeführt, wie das mit dem CZUR geht:

https://youtu.be/pwQn-s8O5BU

Es gibt viele Möglichkeiten, schon beim Scan Korrekturen zu initiieren. Ich persönlich halte davon wenig, weil ich erstmal bestmögliches Rohmaterial haben möchte, das ich dann in Ruhe und mit Augenmaß bearbeite. Allerdings lässt sich kaum bestreiten, dass die automatische Korrektur des CZUR eine deutliche Verbesserung bringt, die für den Gelegenheits-Archivar durchaus Vorteile hat.

Hat man gescannt, was zu scannen war, kann man die Scans als Bilder, als PDF oder als zusammen gefasstes PDF-Dokument speichern, wahlweise mit Texterkennung und Bildoptimierung. Einfach ausgedrückt: ich kann alle Seiten einer CINEMA-Ausgabe händisch scannen und dann per Knopfdruck als lesbare PDF-Ausgabe speichern. Das klappt auch ganz gut.

Es gibt Einschränkungen. Dazu gehört, dass der CZUR genau genommen kein Scanner ist, wie man ihn in modernen Druck/Scan/Fax-Kombis findet, sondern eine digitale Kamera, die von oben herab das Dokument fotografiert. Das bedeutet, dass man auch alle Schwächen der digitalen Fotografie von Dokumenten einpreisen muss. So ist es dem Papier und dem Druck der CINEMA geschuldet, dass sich die Bilder nicht perfekt ins Digitale heben lassen und besonders Rottöne stark bluten. Wem es wichtig ist, dass die Ergebnisse so nahe wie möglich an der Vorlage bleiben, der sollte erstmal eine Stunde investieren, mit den diversen Reglern zu spielen, bis alles passt.

Das gilt auch für das endgültige Format des Scans. Die CINEMA-Ausgaben z.B. möchte ich als einzelne PDF haben, OCR ist mir dabei nicht wichtig. Die Dateigröße ist ein Faktor, weil ich nicht einsehe, dass ein Heft auf der Festplatte 250 Megabyte belegt. Ich habe mittlerweile einen für mich guten Kompromiss aus Kompression und Qualität gefunden, der ein PDF von 60 bis 80 Megabyte pro Heft ausspuckt.

Die 80er Jahre hatte ich schon vor drei Jahren komplett gescannt, nun beginne ich mit den Ausgaben der 90er:

Ich werde sicher den heutigen Nachmittag noch damit verbringen, die Einstellungen des Scanners weiter zu optimieren, bevor ich den Rest der Hefte angehe. Sonst muss man die Arbeit hinterher doppelt machen. Danach geht es nur noch um die Perfektionierung des Flows – wenn man mehrere hundert Hefte scannen will, sind auch drei Sekunden, die man pro Seite vielleicht noch sparen kann, am Ende durchaus relevant. Kleine Beispielrechnung: bei 10 Ausgaben CINEMA spart man bereits eine Stunde Arbeit. Das rechnet sich sehr schnell.

Klar kann man sagen: wozu? Einfach nur, um ein paar Regalmeter zu sparen, ein paar Kilo Papier? Und dafür alles unrettbar kaputt machen, zerschneiden, wegwerfen? Das ist sicher für Puristen reine Folter. Aber ich sehe das anders. Ich kann euch versichern, dass die digitalen Ausgaben der Hefte mir im Gegensatz zu den Papierversionen jede Woche dienlich sind. Ob ich für ein Facebook-Posting eine alte Titelseite raussuche, eine Bumfilm-Kritik für meine Fotostorys brauche oder einem Freund bei der Recherche helfe. Während die Hefte im Regal nur Staub ansetzen, besitzen sie auf der Festplatte eine klaren und für mich messbaren Mehrwert.

Die Scan-Pause von 2018 bis 2021 hat übrigens durchaus einen unerwarteten Vorteil gehabt. Sehr viel von dem, was ich mühsam einzuscannen geplant hatte, ist mittlerweile anderswo digital verfügbar und ich habe keine Skrupel, mir die Arbeit anderer fleißiger Hobby-Scanner ins Archiv zu legen. Es liegt kein Sinn darin, die Arbeit zweimal zu machen. Von den Sachen, die mir wichtig sind, scheinen nur die genannten CINEMA, TITANIC und SPLATTING IMAGE partout nicht vollständig ins digitale Zeitalter umziehen zu wollen. Muss ich mir also die Mühe machen.

Wenn man größere Mengen zu scannen hat und ein einfacher Einzugscanner am heimischen Homeoffice-Multifunktionsdrucker nicht ausreicht, dann ist ein Overhead-Scanner wie der CZUR nach einer gewissen Einarbeitung eine gute Sache, zumal er im Alleingang des Preis dieser Gerätegattung von 1000 Euro auf unter 200 gedrückt hat. Es kommen auch regelmäßig neue Version mit verbessertem Design und höherer Auflösung auf den Markt. Ich kann allerdings nur dringend empfehlen, dem Gerät einen festen Platz zu zu weisen. Klar ist der CZUR zusammen geklappt sehr portabel, aber es ist dem Workflow und der Motivation zuträglich, alles perfekt eingerichtet und eingeleuchtet zu haben. Notebook anschließen, Dokumente bereitlegen – go!

Kommen wir zum Abschluss zu etwas völlig Anderem…

Ich bin normalerweise nicht paranoid, was die Ausspähung meines Systems durch Anwendungssoftware angeht. Ich glaube kaum, dass WORD meine Texte an Microsoft weiterleitet oder ALEXA alle meine Sprachkommandos in ein Einkaufsprofil umwandelt. Bei der Software von CZUR bin ich aber zumindest etwas skeptischer. Sie kommt – wie das Gerät – aus China und verlangt auf der Festplatte satte 1,8 Gigabyte Platz, was ich für ein bisschen überdimensioniert halte. Hinzu kommt, dass man, wie ich oben bereits andeutete, die Software direkt an die Seriennummer des Gerätes koppelt. Sollte die App also Kontakt zu einem Heimatserver aufnehmen, könnte ich exakt identifiziert werden. Obendrein könnte die Software alles, was ich scanne, analysieren und verwerten oder verkaufen. Gerade bei Akten wäre das extrem problematisch.

Das ist jedoch blanke Theorie. Ich habe aktuell keinen Hinweis, dass die Software beim Start nach außen funkt und auch meine Firewall meldet keine Probleme.

Es gilt wie immer: Proceed with caution.



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S-Man
S-Man
2. Mai, 2021 14:44

Ich habe eine Sache nicht verstanden: Wenn du deine Hefte zerhackst, sodass du nur noch Einzelseiten scannst, wieso machst du das nicht mit einem billigen Duplexscanner mit automatischem Papiereinzug, was einem das manuelle Wechseln, Umdrehen und Ausrichten der Seiten abnehmen würde?

Deins Gerät erscheint mir nur sinnvoll für den Scan von Büchern oder Heften, die man eben nicht in Einzelseiten zerlegen möchte. Oder habe ich da etwas nicht verstanden?

S-Man
S-Man
2. Mai, 2021 15:29
Reply to  Torsten Dewi

Ah, ok. 🙂

Dietmar
2. Mai, 2021 17:23

Mir fällt nur eines zu dem “cinema”-Cover ein: Ich habe Julia Roberts nie (!) als Mädchen wahrgenommen, so, wie da erscheint. Eigenartigerweise war sie für mich immer Frau und Dame. Keine Ahnung, warum. Dieser Look und sie: Das passt irgendwie nicht.

Das Gleiche gilt auch für Catherine Zeta-Jones.

takeshi
takeshi
3. Mai, 2021 07:29

Ich bin noch mal zu deinem 2019er Artikel zurückgesprungen und musste leider feststellen, dass der archive.org-Link zu Starbrite leider keine Ergebnisse mehr bringt: 0 Uploads
Sehr schade.

Rudi Ratlos
Rudi Ratlos
19. Mai, 2021 13:38

Drei Jahre ist der ursprüngliche Artikel schon alt 😳 hatte mich damals motiviert, alte GEE-Ausgaben einzuscannen, da meiner Holden die Papiermassen ein Dorn im Auge waren. Für drei Ausgaben hat die Motivation gereicht, denn die Kombination Cutter + Büroscanner ist nicht die beste 😅