30
Apr 2021

Filmverbrechen-Fotostory: BONDITIS oder: Schweizer Käse 007

Themen: Film, TV & Presse, Fotostory, Neues |

Es ist mal wieder so weit. Ich greife nach meiner Taschenlampe (fragt eure Eltern) und steige die knarzenden Stufen hinab in den Keller der Kinogeschichte. Vorbei an den Boxen mit den silbernen Scheiben, schiebe ich einen Stapel Festplatten beiseite und bahne mir den Weg durch Spinnweben, Schimmel und Filmfäulnis aller Art. Es riecht nach Kloake, nach Eigenlob, nach Schweiß und Verzweiflung.

Da sind Kassetten. Keine von den prima VHS-Kaufkassetten in Plastikboxen mit professionell gedruckten Covern. Nein, das hier ist eine Plastiktüte voller 180er ohne Hülle, mit mehrfach überkritzelten, oft unleserlichen Aufklebern. Zeugnisse ihrer Zeit, Aufnahmen, die schon am Tag der Entstehung bestenfalls unter “gucke ich ja vielleicht mal irgendwann” fielen. Kruder Kram aus dem Nachtprogramm, gerahmt von Abzocker-Gewinnspielen und geilen Girls aus deiner Gegend.

Ruf! Mich! An!

Was ist da drauf? Ist das überhaupt noch guckbar? War das jemals guckbar? Ich huste, als ich mit dem Daumen den Schmier von den Etiketten reibe. Ups – gut, dass Mutti diese Titel damals nicht entdeckt hat. Weiter. Oh ja, der war brutal geschnitten, aber wenigstens mit Nachspann. Haha! Den Sender gibt’s schon seit 20 Jahren nicht mehr.

Und dann…

What the what now? BONDITIS? Vage Erinnerungen. Mit Gerd Baltus, glaube ich. Späte 60er. Schweiz oder Österreich? Jedenfalls total obskur und selbst auf Video kein Standard in den deutschen Videotheken. Einer der wenigen Filme, die nicht mal in den dunklen Ecken dieses Interdings zu finden sind.

Ein Juwel. Ein streng riechendes, vergilbtes, klebriges Juwel!

Hilarious fun? Das steht zu bezweifeln. Aber ich bin bereit, die Probe aus Exempel zu machen! Ich bin bereit, mich der BONDITIS auszusetzen!

Und damit zurück in die Realität. Hallo zusammen. Wer ein gutes Gedächtnis hat, der erinnert sich vielleicht, dass ich BONDITIS mal in einem Podcast mit Holger Kreymeier angesprochen habe und selbst der große Bond-Fan noch nie davon gehört hatte. Kein Wunder, gehört BONDITIS doch zu den Bond-Parodien, die es nie ins digitale Zeitalter geschafft haben. Und auch die Kopie, die mir nun jetzt und endlich vorliegt, stammt von einer VHS-Aufnahme aus den 90ern (?). Trotzdem bin ich glücklich und dankbar, diese Rarität an dieser Stelle besprechen zu dürfen.

Einem lesenswerten Langartikel über das Bond-Phänomen von 1965 entnehme ich übrigens die Information, dass wohl seinerzeit der STERN den Begriff “Bonditis” geprägt hat.

Ein wenig Background: BONDITIS stammt aus dem Jahr 1967, der Hoch-Zeit der Bond-Parodien: Carry on Spying, Agent 077, Two Mafiosi against Goldfinger, Ok Connery, The Spy with the Cold Nose, etc. Und so entschied wohl der Schweizer Schauspieler, Autor und Regisseur Karl Suter, dass die Welt auch eine eidgenössische Agentengeschichte brauche, gedreht vor Alpenkulisse (der echte Bond trieb sich z.B. IM GEHEIMDIENST IHRER MAJESTÄT ebenfalls dort rum).

BONDITIS wurde ein massiver Flop, der einen ebenso massiven Karriereknick Suters nach sich zog, seine Produktionsfirma ruinierte und von dem er sich bis zu seinem Tod 10 Jahre später nicht mehr erholen sollte.

Nun mag BONDITIS an den Kinokassen der Schweiz und Deutschland (wo er ab 1968 lief) gescheitert sein, aber es lassen sich durchaus einige Poster und Artworks finden, die auf einen internationalen Vertrieb hindeuten. Ein ganz kleines bisschen Interesse muss der Film also bis in die 80er generiert haben. Allerdings hat z.B. diese (finnische?) Videohülle rein gar nichts mit dem Inhalt gemeinsam:

Das Schweizer Fernsehen strahlte den Film dann wohl 1993 erstmals aus – zum Beginn der Fastnacht. Der Kleinvertrieb MODCINEMA hat eine sehr wahrscheinlich unlizensierte englischsprachige Version im DVD-R-Programm.

Neben dem Thema war es vor allem die Obskurität des Films, die mich jahrelang gereizt hat, ihn zu sichten und zu besprechen. Es tut mir in der Seele weh, dass ich euch den Streifen aus rechtlichen nicht komplett auf YouTube hochladen kann, damit er endlich der Vergessenheit entrissen ist wie CHERIE MIR IST SCHLECHT, PROFESSOR ZAMORRA oder SO SPIELT DAS LEBEN IN KITZBÜHEL.

Vorab: erwartet nicht zu viel – ich habe es auch nicht getan. Den hier schaut man mit unschuldigen Rehaugen an, weil man nicht gedacht hätte, das es so etwas gibt. Es ist keine Übung in Sachen Selbstkasteiung.

Und damit – rein ins “Vergnügen”!

Gerd Baltus. Eins der ewigen TV-Gesichter der 70er und 80er, Held von Serien und Gaststar in unzähligen Krimis. Gerne auch mal in kuriosen Produktionen wie dem Science Fiction-Film DIE INSEL DER KREBSE. Jeder mit Fernseher kannte Baltus. Ich fand den immer toll und war sehr traurig, als er vor anderthalb Jahren verstarb (von der Schauspielerei hatte er sich wohl 2013 schon zurück gezogen).

Marion Jacob stammte aus dem Dunstkreis von Karl Suter, denn diverse ihrer wenigen Rollen spielte sie für ihn, darunter in dem großartig benamsten PROFESSOR SOUND UND DIE PILLE – DIE UNWAHRSCHEINLICHE GESCHICHTE EINER ERFINDUNG. Und auch BONDITIS mangelt es ja nicht an einem langen, vermutlich nur in den Augen der Macher rasend lustigen Untertitel:

Die Warhol-eske Postergrafik wird übrigens mittlerweile als Popart-Klassiker für teuer Geld verkauft. Kann man mögen. Muss man nicht.

Es werden weitere Darsteller gelistet, die für uns weitgehend uninteressant sind – auf die Interessanten gehe ich an geeigneter Stelle ein:

Ich bin mir nicht klar, was dieser Einschub mitten im Vorspann soll:

“Dieser Film schildert einen Fall aus der Praxis des Privatpsychologen Dr. Brandmeier”

Das klingt nach SCHULMÄDCHEN-REPORT. Macht BONDITIS aber weder als “true story” spannender, noch funktioniert es auf irgendeiner Ebene als Witz.

Und dann das hier:

“Um die Beteiligten vor Eingriffen in ihre Intimsphäre zu schützen, wurden Namen und Adressen leicht verändert”

Auch das: weder komisch noch relevant, schon gar nicht im Kontext einer Bond-Parodie. In was bin ich hier gelandet?!

Schließlich:

“Die Figur des Dr. Brandmeier ist frei erfunden”

Was die vorherigen Texttafeln negiert und endgültig einen Rohrkrepierer draus macht.

Wer ist schuld? Er ist schuld:

Nur dass kein Missverständnis aufkommt: Der Vorspann ist zwar schön bunt, versucht sich aber weder in Stil noch in der Musik an einer tatsächlichen Mimikry der legendären Bond-Vorspänne. Ist das WIRKLICH eine Bond-Parodie?!

Die nächste Szene legt meine Sorgen ad acta: ein geheimes (vermute ich mal) Labor irgendwo. Sinistre Vorgänge. Und da schiebt sich auch schon eine vertraute Silhouette ins Bild:

Es ist… Born. Frank Born. Der Anzug nicht maßgeschneidert, aber dafür die Pistole im Anschlag, macht er mit Schurken-Schergen kurzen Prozess:

Und doch bleibt immer noch Zeit für die schönen Dinge des Lebens:

Aber es ist das Los des Agenten – nur ein schlechter Tag, und man ist enttarnt, entwaffnet und überrumpelt:

Mündungen spucken Blei – das Ende der Doppelnull?

Die Kontextlosigkeit der gesamten Sequenz lässt es uns ahnen:

Jawohl, Frank Born hat mal wieder geträumt, James Bond zu sein. Doch es sind keine schönen Träume, denn die herbei imaginierten Abenteuer stressen ihn so sehr, dass er im wahren Leben kaum noch funktioniert.

Darauf erstmal eine warme Milch – gerührt, nicht geschüttelt:

Der Baltus, wie ihn jeder kannte und liebte – teigiges Gesicht und schlabbernder Morgenmantel. Kein Star, immer der leicht Depperte oder latente Psychopath. Hier genau genommen beides.

Es stellt sich heraus, dass jedes Malheur und jede Stresssituation Born in den Bond-Modus versetzen kann – in diesem Fall die überkochende Milch, die ihn schnurstracks zu einer schönen Frau im Sixties-Ambiente führt:

Sie mag “James Bond” überwältigt haben – der Tod des britischen Superagenten liegt aber nicht in ihrem Interesse, wie wir schon ahnen dürfen:

Und natürlich: Sie fordert unseren Helden auf, sich der Kleidung zu entledigen, um die fantastischen Erzählungen von Honey Rider und Pussy Galore, von Plenty O’Toole und Holly Goodhead auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen:

Dass sie dafür auch selber aus den Dessous steigen muss, ist eigentlich selbstverständlich – BONDITIS zeigt hier gleich zum Einstieg mehr, als sich die Bond-Filme bis heute trauen dürfen:

Die in den Credits nur “Traumblondine” genannte junge Dame nannte sich seinerzeit Jerry Brawand und hatte sonst keinerlei eintragungsfähige Rollen vorzuweisen. Eigentlich hieß sie wohl Yvonne und trat zuletzt 1999 als Besitzerin einer Modeboutique in Gstaad in Erscheinung.

Wir kennen das von Hui Buh: Immer, wenn’s am schönsten ist, schlägt’s gleich eins. In diesem Fall in Form von Dr. Brandmeier, der Frank Born aus seinem neusten Tagtraum weckt.

Angesichts des Szenarios würde ich erwarten, dass der Professor dem Patienten erstmal ein paar Minuten Zeit gönnt, seine Erektion herunter zu fahren. Aber nein, Therapiestunden sind teuer und das Leben ist keine Peepshow:

Gänzlich dem ärztlichen Eid entgegen findet Dr. Brandmeier das Problem von Born “amüsant”, “harmlos”, “ganz angenehm” und schiebt die Bonditis auf beruflichen Stress. Er rät zu einem vierwöchigen Erholungsurlaub im malerischen Margogün – einer Ortschaft, die sich nicht ergooglen lässt und deren Name womöglich wieder ein Witz ist, den nur Schweizer verstehen (irgendwelche Schweizer hier?).

Auch andernorts wird über Margogün gesprochen – augenscheinlich gibt es nur dort eine Chance, an hochgeheime Pläne zu kommen, auf die es die Schurkenorganisation HARFE abgesehen hat.

Der Macker mit dem Menjou-Bärtchen ist übrigens Herbert Weicker in einer seiner wenigen größeren Rollen. Wenn euch seine Stimme bekannt vorkommt: er war bis zu seinem Tod 1997 der deutsche Sprecher von “Mr. Spock”.

Die Agenten von HARFE sind alle nummeriert (Harfe 1, Harfe 2, etc.) und vom Chef Harfe 1 sehen wir nur die Harfe spielenden Hände. Man ahnt, dass das eine komische Version von SPECTRE und Konsorten sein soll, aber es ist Humor ohne Substanz. Der Name allein ist ja nicht witzig. Die Harfe auch nicht.

Einer der Agenten hat beim Versuch, den Amerikanern den Mikrofilm mit den Plänen abzujagen, kläglich versagt und wird dahin gemeuchelt, in dem man seine Hand in die Harfe steckt.

Das Schweizer Humorverständnis, es ist nicht meins.

Es stellt sich heraus, dass natürlich mehrere internationale Parteien hinter dem Mikrofilm her sind. Hier wird die Unterscheidung aber etwas schwierig. Da dieser Herr nur grob englisch synchronisiert wurde, können wir bestenfalls aus der Konstellation schließen, dass es sich um den amerikanischen Geheimdienst handelt, der seine beste Agentin Hata Sari nach Margogün beordert.

Da haben wir es auch schon wieder – was ist an der bloßen Änderung der Anfangsbuchstaben von Mata Hari lustig? Irgendwas? Wenigstens rang es mir ein Lächeln ab, dass der Chef die Agentin nur deshalb ins Feld schickt, weil alle männlichen Spitzenkräfte damit beschäftigt sind, Filme zu drehen. Eine Variante dieses Gags fand man im gleichen Jahr auch in CASINO ROYALE.

Natürlich wird Hata Sari standesgemäß mit diversen Gadgets und Gimmicks ausgestattet, dazu gehört u.a. ein Wanderstock mit verstecktem Gewehr:

Das wäre sicher wirkungsvoller, wenn die Gegenstände im Film dann nicht eher belanglos und beiläufig eingesetzt würden.

Es kommt aber auch zu einer sehr abstrusen Ausstattung:

What the what now?! Nicht nur gab es Antibabypillen 1967 schon normal auf Rezept – ich stoße mich auch an der Formulierung “sofort wirksam”. Und natürlich wird das Thema nicht wieder aufgegriffen. Es ist ein weiterer Gag-Blindgänger, der nicht zünden mag.

Ich fange gar nicht erst damit an, dass Sata Hari Britin sein müsste, um den Anforderungen des Genres gerecht zu werden…

Frank Born macht sich derweil entspannt auf den Weg nach Margogün:

Doch oh je – noch jemand teilt sein Abteil, was den dünnhäutigen Biedermann sofort unangenehm nervös macht:

Und so halluziniert Born augenblicklich einen sinistren Scheich herbei, der offensichtlich nicht weniger sinistre Absichten pflegt:

Aber was ein Born/Bond ist, der ist zumindest in der Phantasie gerüstet:

Es kommt zu dem, was für die Schweizer anno ’67 eine fette Actionszene gewesen sein mag – “ein bisschen Gerangel” trifft den Kern eher:

Natürlich wartet als Belohnung die Gunst einer Geretteten:

Doch verdammt – ein übersehener Scherge zückt die Waffe…

… und ist doch nur der Schaffner, der das Billet entwerten wll.

Es ist diese Stelle so gut wie keine, darauf hinzuweisen, dass Born sein Leben und das Geschehen im denkbar gelangweilten Voiceover kommentiert – was generell selten funktioniert, in James Bond-Filmen schon gar nicht, und hier ohne Mehrwert für die Handlung umgesetzt wird.

Nun gut. Da ist es auch schon, das pittoreske Mangogrün:

Am Bahnhof wartet Hata Sari – nicht auf Born, sondern auf die Ladung mit dem Codenamen “chicken”.

Nun kommt es erstmals zu einer Dopplung, aus der man eine pfiffige Agentenkomödie stricken könnte, wenn man denn wüsste, wie das geht – Born sieht in der schönen Agentin wegen seiner Halluzinationen… eine schöne Agentin:

Es gelingt ihm, die Bonditis-Attacke momentan abzuschütteln und sich an den Pfadfindern zu erfreuen, die Magengrün ein Hohelied singen:

Hata Sari stellt derweil fest, dass “chicken” nur begrenzt ein Codewort war – sie bekommt eine Ladung Hühner ausgehändigt und soll sich wohl vorerst als Bauersfrau tarnen.

Auf dem Weg zu ihrer Unterkunft trifft sie auf der Passstraße einen… Stalker? Vergewaltiger? Verehrer? Es ist mangels Dialog und Handlung kaum zu dechiffrieren.

Die Musikauswahl in diesem Moment ist ein weiteres schönes Beispiel, wie wenig sich BONDITIS an den Tropen des Genres, das es zu parodieren vorgibt, orientiert:

Auf jeden Fall schmeißt Sata Hari den liebesgeilen Bock talwärts:

Sein lustiges Auftauchen aus dem Gebirgsbach soll uns wohl versichern: das ist alles Spaß, wir wollen nur spielen.

Nun lernen wir noch fix die anderen Interessensgruppen kennen, die sich in Mangagern eingenistet haben – da wären zunächst einmal die Russen, die in einem Stall wohnen:

Die Amerikaner leben schon auf etwas größerem Fuß:

Und die finstren Chinesen unter Führung einer Frau sind technologisch auch auf dem neusten Stand und bestens informiert:

Die Killer von HARFE sind nicht weit, bekommen eine Art Telex aus Harfentönen, dass es einen amerikanischen Agenten zu finden gilt. Wir stellen fest, dass zum Kader ein psychopathischer Jungspion und ein flamboyanter Schwuler gehören:

Hier machen wir auch erstmals Bekanntschaft mit dem, was die Credits nur “Die Blondine” nennen:

Es ist keine Überraschung, dass die Dame auch in diversen begleitenden Materialien zum Film in den Vordergrund gerückt wurde:

Christiane Rücker kommt dem Personal, das ich in meinen Fotostorys üblicherweise präsentiere, noch am nächsten:

Kurioserweise ist die üppige Aktrice, die in den 60er und 70er Jahren Dutzende von Covern diverser internationaler “lad’s mags” und Illustrierten zierte, hier um die Ecke in Zorneding aufgewachsen, wo ich mal für knapp zwei Jahre gewohnt habe.

In ihrer Zeit war die Rücker so etwas wie eine Proto-Steeger, die Liebeleien mit “Persönlichkeiten” in den Klatschspalten und jede Menge freizügige Pinup-Bilder in ein paar kleinere und größere Rollen tauschen konnte. Fünf oder zehn Jahre später, in den deutlich liberalen 70ern, hätte sie damit vermutlich eine größere Karriere machen können.

Wie viele ihrer Zeitgenossinnen war Rücker irgendwann nicht mehr glücklich damit, nur als Betthäschen wahrgenommen zu werden – besonders, als sie im fortschreitenden Alter immer weniger als Betthäschen wahrgenommen wurde. Nach persönlichen Krisen wandte sie sich dem indischem Veda-Glauben zu.

Christiane Rücker weilt auch immer noch unter uns und hat mittlerweile ihre Autobiographie geschrieben:

Verkneift euch die Vorfreude: dies hier ist ein Film aus der Schweiz von 1967. Frau Rücker wird das, was sie den Printmedien gerne aufgeknöpft hat, weitgehend geschlossen halten.

Zurück zu BONDITIS: Frank Born fühlt sich in Margengarn so wohl, dass er seine “Krankheit” schwinden spürt. Ein entspannter Spaziergang zum Hotel ist genau das Richtig für ihn.

Doch da – ein Gewehrlauf aus dem Blumenkasten!

Ein Souvenirbär Kaliber 45 in der Haustür!

Eine Maschinenpistole am Eck!

Ein Asiate hinter der rustikalen Gardine!

Wahrlich, Borns Leben ist den sprichwörtlichen Pfifferling nicht wert:

Er steht im wahrsten Sinne des Wortes im Fadenkreuz:

Dabei lassen die Schurken keinen Trick aus, ihn “unauffällig” zu beobachten:

Man muss sich an dieser Stelle zusammen reimen, dass die Bösewichter aller Länder (vereinigt euch!) ihn für den Spezialagenten aus USA halten.

Born, dessen unbewusst, checkt in das gebuchte Hotel ein. Dort wird er mit großer Freundlichkeit empfangen.

Dummerweise ist die Gewohnheit stärker als die Wahrheit und dass sich Born aus Versehen als Bond ins Gästeregister einträgt, wird noch für Probleme sorgen.

Natürlich darf man sich wundern, dass in dieser Geschichte der von allen gesuchte Agent tatsächlich “James Bond” heißen soll.

Hotelsekretärin Heidi ist übrigens auch eine Patientin von Dr. Brandmeier – sie leidet jedoch nicht an Bonditis, sondern an schlichter…. na, kommt ihr drauf?

Genau, nymphoman soll sie sein.

Über die hübsche Darstellerin Bella Neri konnte ich nur wenig rausfinden – wenn die IMDB nicht irrt, hat sie vor zwei Jahren nach einer fast 40jährigen Pause (!) die Schauspielerei wieder aufgenommen. Es ist eine Kuriosität, dass ausgerechnet aus einem feministischen Mädchenfilm, in dem sie 1968 eine Nebenrolle spielte, in Italien ein recht schmieriger Fotoroman gedrechselt wurde, den ich hier ausschnittweise zeigen kann:

Man mag das für absurd halten, aber bis in die 90er galt so etwas durchaus als seriöses Hotelzimmer und kein Ort, an dem Serienkiller hausen:

Die Mona Lisa an der Wand ist nicht echt – hat aber erstaunlich realistische Augen, deren Blick Born durch das ganze Zimmer folgt.

Dahinter stecken im wahrsten Sinne des Wortes die Chinesen:

Ich verkneife mir an dieser Stelle die Frage, woher sie wussten, welches Zimmer Born bekommen würde – oder wie sie das alles vorbereitet haben, wo doch bis heute nicht mal klar war, wer der “Agent” sein würde. Man kann bei einer Komödie sicher keinen strengen Maßstab an die innere Logik anlegen, aber etwas mehr Sorgfalt wäre schon schön gewesen.

Auch die “Harfinisten” beobachten Born und halten es für einen verdammt cleveren Schachzug, dass sich dieser wie ein ganz normaler Tourist verhält.

Die Ankunft einer buntgemischten Schar Schwarzafrikaner mag den unbedarften Zuschauer einen Moment lang verwirren:

Lasst mich erklären, was der Film nicht ausreichend erklärt: das hier sind Abgesandte des Reiches Tsulutsim, es soll Entwicklungshilfe verhandelt werden. Und in diesem Kontext geht es auch um den Mikrofilm mit den wichtigen Daten.

Born wiederum glaubt, die Schwarzen würden nur in seiner bondigen Einbildung existieren, was zu diesem schmerzhaft cancel-würdigen Austausch mit Heidi führt:

Nehmt euch eine Minute Pause für peinlich berührtes Kichern. Ich hab’s auch getan.

Aber jetzt! Jetzt geht’s rund! Nun geht die Party richtig los! Action!

Die amerikanische Freiheitsstatue stürzt von ihrem Sockel in den Hafen! Menschen rennen in einem Tunnel um ihr Leben, verfolgt von gigantischen Wassermassen!

Fehlalarm – es sind nur zwei, drei Sekunden eines Trailers, die auf dem Videoband nicht korrekt aus der Werbeunterbrechung geschnitten wurden. Erkennt jemand den Film?

Nach der Werbung ist vor der Werbung. Die Harfinisten beobachten, wie die Amis die Russen beobachten. die wiederum die Chinesen dabei beobachten, wie sie die Amis beobachten. Als sich ankündigt, dass Frank Born zur Nacht aus dem Anzug steigt, streiten sich die Blondine und der schwule Spion um den Platz am Fernrohr:

Es kommt zu diesem denkwürdigen Austausch:

In der Branche kennt man den Begriff “geschliffene Dialoge”. Hier nicht.

Born telefoniert derweil mit Dr. Brandmeier, der über seinen Fortschritt erfreut ist, aber zeitgleich die lüsterne Heidi in sein Bett lotst.

Das geht natürlich eigentlich zu weit!

Es fällt noch diverse Male im Gespräch das hässliche N-Wort, denn die Delegation aus Tsulutsim bedankt sich für die Gastfreundschaft von Magensaft mit ein wenig Folklore der kolonialistischen Sorte:

Schon ein kurzer Besuch bei der Vorführung bringt Born das fleischliche Interesse einer dunkelhäutigen Prinzessin ein, die ihn sogleich auf die Bettstatt stößt.

Doch leider, ein baumlanger N… Neuzugang im Ort holt die junge Frau gegen alle Widerstände zurück zur kulturellen Festivität.

Jaaa, das ist alles eher unappetitlich und für ein heutiges Publikum so wenig verträglich, wie es für ein damaliges Publikum hätte verträglich sein sollen. Vielleicht einer der Gründe, warum BONDITIS im virtuellen Giftschrank verschwunden ist?

Die Russen bekommen derweil eine Depesche, dass es nichts Neues gibt.

Die Amis bekommen derweil eine Depesche, dass es nichts Neues gibt.

Die Chinesen bekommen derweil eine Depesche, dass es nichts Neues gibt.

Kein Scherz: der Film verschwendet drei Szenen daran, Figuren mitzuteilen, dass gerade nichts passiert. Vielleicht ein Meta-Gag, vielleicht spezifisch schweizer Humor, vielleicht post-lustige Gesellschaftskritik oder der Widerstand gegen jede konventionelle Form der Spannungserzeugung?

Auch Hata Sari bekommt eine Order: “Nicht schlafen. Ende.”

Ich hinterfrage das gar nicht mehr, das macht nur Kopfschmerzen. Aber die Top-Agentin nutzt die Zeit wenigstens gut, in dem sie aufmerksam dem Soundtrack lauscht.

Ja, das ist so ein Moment, wo ich BONDITIS fast glauben möchte, dass die Macher viel schlauer waren als wir. Was jetzt kommt, ist derart deppert, dass es kaum auf gewöhnliche Dämlichkeit zurück zu führen ist. Das Musikstück auf der Tonspur wird nämlich ergänzt vom Gegacker der gelieferten Hühner:

Und DIESES Gegacker identifiziert Hata Sari als Geheimcode:

Lasst euch das langsam wie Öl den Rücken runter laufen: das Gegacker verrät, dass ein schwarzes Huhn am nächsten Tag ein Ei mit dem Mikrofilm legen wird.

Man kann nur vermuten, wie die Schweizer in den 60ern drauf gewesen sind…

Weil die Hühner nun also ein integraler Bestandteil des Agentenplots geworden sind (und ich kann nicht glauben, dass ich das gerade geschrieben habe), besorgt Hata Sari ihnen erstmal einen Sack lecker Futter.

Muss ich unterstellen, dass die Tiere ansonsten hätten hungern müssen?!

Es kommt zum erneuten Zusammentreffen von Sari und Born – und weil dieser zufällig das Codewort “chicken” vom Sack abliest, hält sie ihn für einen Kollegen.

Darum benutzt man keine Codewörter, sondern Codephrasen, ihr Anfänger! Das Pferd frisst keinen Gurkensalat! Weiß jeder, der mal Asterix oder Geheimagent Lennet gelesen hat.

Die Begegnung mit Hata Sari lässt Born verwirrt zurück und die verschiedenen Spionage-Fraktionen nehmen ihn wieder ins Visier, aber ein freundlicher Pfarrer beruhigt ihn:

Sapperlot – das war doch der schwule Harfinist!

Etwas überfordert wandert Born in einen Stall, in dem die pralle Blondine gerade ein Bad nimmt:

Von allen Fragen, die man stellen könnte, an dieser Stelle nur die eine: wie kam das Schaumbad in die Wanne, wenn die Wanne im ersten Stock einer Scheune ohne sanitäre Installationen steht?

Die Tatsache, dass die Blondine Born für Bond hält, triggert seine Bonditis – und als er von einem Schergen angegriffen wird, verteidigt er sich tollkühn mit einem Melkschemel:

All is well that ends well:

Zur Belohnung winkt “James” nun ein Schäferstündchen im Heu, das aber durch einen Schlag auf seinen Kopf empfindlich abgekürzt wird:

Da man bei Born allerdings keine inkriminierenden Daten findet, wird er unsanft wieder in sein Hotelbett verfrachtet, von wo aus er telefonisch Kontakt mit Dr. Brandmeier aufnimmt, um die vermeintliche neuste “Episode” seiner Bonditis zu besprechen:

Es ist schmerzhaft offensichtlich, dass Brandmeier weder zu Borns Heilung noch zur Handlung des Films etwas beizutragen hat. Er ist Füller und bremst BONDITIS immer mal wieder für zwei Minuten aus.

Weil der Film von nichts als Zufällen zusammen gehalten wird, bestellt sich Born ein Frühstück mit extra Ei – gerade als die Agenten aller Fraktionen den Hinweis bekommen, dass sie speziell auf Eier achten sollen.

Die Chinesen schlussfolgern messerscharf (aber falsch), dass Borns Frühstücksei der Schlüssel zum Mikrofilm ist.

Also grabbelt sich der Arm der Mona Lisa das Hühnerprodukt…

… und schiebt es in den Ausschnitt:

Nachdem festgestellt wurde, dass im Ei kein Film steckt, bekommt Born es wieder auf das Frühstückstablett gelegt:

Zuerst einmal kann ich an dieser Stelle auf das einzige Musikstück des Soundtracks verweisen, dass sich wenigstens an einer Bond-Atmosphäre versucht:

Der Rest der Musik von BONDITIS ist erheblich banaler mit viel “big band brass”:

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Darüber hinaus bleibt aber – abgesehen vom Gimmick-Effekt – die Absurdität der Szene unbestreitbar: die Chinesen waren also darauf vorbereitet, Born mit einer aufwändigen Apparatur einen Gegenstand stehlen zu müssen, gleichzeitig aber darauf angewiesen, dass dieser zufällig gerade Zeitung liest und es nicht merkt?!

Die Harfinisten haben derweil die Ladung einer Bauersfrau gekapert und suchen den Mikrofilm mehr in der Quantität als in der Qualität der Eier:

Weil ja nun ein Überangebot besteht, hat sich die Blondine an den Herd gestellt, was zu einem weiteren kuriosen Austausch führt:

Ich kann nur entweder totale Wurstigkeit oder cineastische Anarchie unterstellen, dass wir willkürlich in den Wald schneiden, wo die beiden Harfinisten sich bis zur Weinerlichkeit an der Schönheit der Natur berauschen:

Lasst es euch auf in den Ohren zergehen:

Gleich im Anschluss hörte der schwule Agent das Huhn gackern – und kann sofort ebenfalls den Code knacken, dass der Mikrofilm heute vom schwarzen Federtier gelegt wird. Schon das ist an den Haaren herbei gezogen, aber der Film verhehlt seine Verzweiflung bei der Suche nach irgendeiner Comedy-Formel nicht mal mehr:

“Ein Huhn mit Geheim-Code! Na, wenn das kein Witz ist! Das ist der beste Witz, den ich seit langer Zeit gehört habe!”

Sprich nur für dich selbst, Eidgenosse.

Hata Sari, sich auf der kratzigen Bergwiese im Bikini sonnend, hat derzeit ebenfalls eine unheimliche Begegnung der schwyzer Art:

Jedoch, der Wandertrupp entpuppt sich als Invasion der Harfinisten und trotz heftiger Gegenwehr in der Tradition von Emma Peel wird Sari bald überwältigt:

So gelangen die Schurken an ein (das?) schwarzes Huhn und könnten Sari einfach abmurksen, aber die Blondine wendet ein, dass das doch unnötig sei – eingesperrt in einer Holzkiste werde sie ebenfalls umkommen. Der schwule UND der psychopathische Harfinist fühlen sich nun (wie das Publikum) um Schauwerte gebracht:

Ich könnte das kritisieren. Könnte bekritteln, dass man keine feindliche Agentin am Leben lässt, nur damit sie langsamer stirbt. Aber da es zu den Standards der Bond-Reihe gehört, dass die Bösewichte den Agenten pathologisch am Leben lassen, wenn sie ihn vor der Flinte haben, muss ich das sogar als “korrekt kopiert” respektieren.

Sari ist nicht dankbar – sie beisst einem der Schergen in die Nase:

Und nun lüften wir das vielleicht größte Geheimnis von BONDITIS  – nämlich wo der Film herkommt:

VOX haben wir also diese seltene Ausstrahlung zu verdanken – und mehr, wie zwei im Mitschnitt verbliebene Restsekunden dokumentieren:

Aus der Tatsache, dass die Homecall-Internet-Adresse nicht mehr geschaltet ist, kann ich schließen, dass die Aufnahme schon ein paar Jahre auf dem Buckel hat. Andererseits: abgerechnet wird hier schon in Euro, es können demnach nicht mehr als 20 sein. Inhalt und freizügige Darstellung verweisen zudem auf eine Spätnacht-Ausstrahlung.

Mit diesen Informationen konnte ich mich an weitere Detektivarbeit machen. Ein fast 20 Jahre alter Forumseintrag engte die Ausstrahlung auf 2003 ein, das Media-Archiv einer Universität dann schließlich auf den 17.06.2003. Wer will, kann sich den Streifen demnach in Lüneburg ausleihen.

Back the movie! Harfe 1 lässt sich nun persönlich von seinen Agenten Bericht erstatten und es wird wieder mal etwas merkwürdig:

Schaut man sich das Interieur der Szene an, wird klar, dass sich die Zentrale von HARFE auf einem kleineren Schiff befindet. Das war auch in der ersten Szene bereits so, als keiner der Beteiligten wusste, dass es beruflich nach Morgenrot geht. Demnach: lag das Schiff schon in der Schweiz (einem Land ohne direkten Meereszugang, siehe WO BITTE GEHT’S ZUR FRONT?), oder sind die Agenten nur für das Teamgespräch tatsächlich eingeflogen worden? Ersteres ist unwahrscheinlich, Letzteres in der Timeline des Films eigentlich unmöglich.

Harfe 13 hat ausreichen Grund, Blut und Wasser zu schwitzen:

Wenn er das falsche Huhn eingepackt hat, ist der Mikrofilm immer noch ungelegt. Und in der Tat – das Ei ist ein Ei ist ein Ei.

Fast schon dem Harfentod ins Auge blickend, wird dem verängstigten Schurken ein letzter Aufschub gewährt. Es scheint ja auch so, als sei er der Einzige im Team, der seine zwei Murmeln beieinander hat.

Nun löst es sich doch auf – Harfe 1 beordert seine Leute zurück “in die Düsenmaschine”. Allen Ernstes. Die sind samt Huhn zum Boot geflogen, ohne Not. Und nun müssen sie wieder zurück, um die anderen Hühner zu suchen. Eins MUSS doch das begehrte Ei legen.

Wir sind uns alle einig, dass das selbst im Kontext einer Bond-Parodie ein ziemlich depperter Plot ist, oder?

Nacheinander bekommen nun Chinesen, Russen und Amerikaner die Meldung, dass sich der Mikrofilm in einem Ei in der einsamen Hütte befindet und die dortige Agentin Hilfe benötigt.

Man darf durchaus mal darauf hinweisen, dass die Amerikaner in diesem Film völlig impotent sind. Sie werden zwar gezeigt, kommen genau genommen aber nicht vor. Sie nehmen weder Kontakt zu Hata Sari noch zu Frank Born auf, haben keine handlungsrelevanten Szenen oder wenigstens Input bei der Action. Man hat das Gefühl, Karl Suter hat sie als Gegenpart der Russen und Chinesen für notwendig erachtet, dann aber nicht gewusst, was sie tun sollen. Den “amerikanischen Part” übernehmen ja eh schon Sari und Born als “Bond”.

Und so ist es auch nur folgerichtig, dass zwar die amerikanischen Agenten den Befehl bekommen, Sari beizustehen, es aber Born ist, der (natürlich zufällig) vorbei kommt.

Er befreit die gefesselte und geknebelte Agentin und glaubt zuerst, wieder einmal unter einer Halluzination zu leiden:

Als nächstes glaubt er, Hata Sari leide an einer ähnlichen Form der Bonditis, weil sie ihn mit “Versteck aufgeflogen” und “Hauptquartier” zulabert. Zumindest erfahren wir dadurch, dass sie das Huhn ausgetauscht hatte.

Während Born versucht, den “Ei-Fetisch” der seltsamen Fremden zu bedienen, schleichen sich von allen Seiten die Agenten aller Seiten an:

Hata Sari schwant langsam, dass Born gar nicht Agent “null null sechseinhalb” ist.

Halluzination oder nicht – Born hat nun die Schnauze voll und will sich wieder auf den Weg zum Hotel machen. Ein  Schuss aus dem Lippenstift von Hata Sari überzeugt ihn, dass er so leicht nicht aus der Sache raus kommt.

Zwischen päng und bumm macht sich das Pärchen an die gemeinsame Flucht.

Mit einer Granate vernichte Sari noch schnell alle verräterischen Spuren – ich vermute, in Maurenkorn gibt es heute Abend Brathähnchen:

Es schießen nun alle auf alle und niemand weiß genau, warum. Irgendeine Art der Choreographie oder interne Logik glänzen durch Abwesenheit. Es zeigt sich mal wieder der Unterschied zwischen “Action” und “Äktschn”.

Auf der Flucht (u.a. durch ein Höhlensystem, weil – Fremdenverkehrswerbung) kommen sich Sari und Born ein wenig näher.

Man beschließt, in einer Alpenhütte einzukehren, um die kühle Nacht in Sicherheit zu verbringen. Die Einheimischen sind wenig begeistert:

Und siehe – man kann dem jungen Paar nur eine winzige Kammer anbieten.

Bei Hitchcock hätte das Alphorn schwer symbolische Bedeutung – ich frage mich in Erinnerung an einen alten Playboy-Cartoon, ob der Typ auch “Oh when the Saints” spielen kann…

Man glaubt es kaum – Hata Sari hat die ganze Zeit eine touristische Spieluhr mitgeschleppt, über die sie Funkkontakt mit der Zentrale aufnehmen kann.

Sie wird gefragt, ob sie die Hütte erreicht habe, was keinen Sinn ergibt, da nie geplant war, diese Hütte aufzusuchen. Und man teilt ihr mit, dass sie beim Alpenfest eine neue Botschaft erhalten werde. Ich rieche noch mehr Folklore.

Born ruft derweil mal wieder bei Dr. Brandmeier an:

Es ist wenig verwunderlich – Brandmeier seilt wieder nur Plattitüden ab, dass Born sich doch einfach ein wenig amüsieren und das alles nicht schwer nehmen solle.

Ehrlich? Hätte Born gleich in der ersten Szene, als er im Bett aufwacht, die Worte “ich brauche wohl Urlaub” gemurmelt, hätte man sämtliche Brandmeier-Szenen ersatzlos streichen können. Dass man so etwas in den späten 60ern für ein verfilmbares Drehbuch gehalten hat, macht schon ein wenig fassungslos. Andererseits: Schweiz.

Natürlich geht es nun rund in Sachen Liebesgeschichte – Born erkennt, dass Sari ihn nicht für James hält, sondern für Frank. Das beweist nicht nur, dass er gerade nicht an Bonditis leidet, sondern dass sie ihn wirklich mag.

Ein Schild über dem Bett gibt weitere Motivation – man achte drauf, dass es (übersetzt!) auch auf dem englischsprachigen Plakat ganz weit oben zu sehen ist:

Und damit: ran an den Speck!

Statt einer langen und lustvollen Sexszene mit der sehr ansehnlichen Marion Jacob schneidet BONDITIS leider sofort zum nächsten Tag und zur ausgewalzten Folklore des komischen Bergvölkchens:

Man könnte fast meinen, der Tourismusverband habe beim Budget ausgeholfen.

Und da sind ja auch wieder ein paar N… nette Herren aus Tsulutsim.

Die wuschige Heidi macht sich gleich an den psychopathischen Harfinisten heran – impliziert wird, dass der bloss mal eine richtige Braut brauchte.

Sari und Born erhalten die Nachricht, sich zu einer Alm zu begeben – was im Grunde genommen die Verfolgungsjagd vom Vortag nahtlos fortsetzt, denn selbstverständlich sind wieder alle Agententruppen hinter ihnen her. Inklusive der Amerikaner, die doch eigentlich auf zumindest Saris Seite stehen sollten.

Born wirft eine Thermosflasche in die Luft, die Sari abschießt.

Nach der Explosion regnet es rote Farbe kurioserweise nur auf die Schurken, nicht aber auf den Rest der Umgebung:

Und so werden sie von Stieren gejagt, weil die Mär, dass die Bullen auf rote Farbe gehen, einfach nicht aussterben will.

Tatsächlich müht sich BONDITIS, zum Finale ein bisschen so etwas wie Action zu bieten – es wird nicht nur geschossen, es gib auch ordentliche Explosionen:

Der Steinschlag wirft die Gegner zumindest etwas zurück:

Es geht ordentlich bergauf, sogar über die Schneegrenze:

Nun ist kein Halten mehr – Fallschirmspringer!

Wir erfahren nie genau, welcher Partei diese angehören, aber Action ist Action, da darf man nicht so pingelig sein.

Sari und Born wehren sich nach Kräften, aber der Gegner setzt sogar Helikopter und Rauchbomben ein.

Beim Gerangel mit einem unidentifizierten Bösewicht – oh Schreck! – entgleitet Frank das gesuchte Ei:

Es ist jedoch nicht verloren, sondern landet wundersam im Schmetterlingsnetz des Pfadfinder-Führers, der seinerseits mittlerweile Heidi ins Netz gegangen ist.

Genau genommen ist es Heidi, die in diesem Film den geschlechtlichen Umsatz des Doppelnull-Agenten schafft.

Endlich gelingt BONDITIS mal eine Szene, die einer Bond-Parodie würdig ist – des Einsatzes verlustig gegangen, stellen alle Agentengruppen die Feindseligkeiten ein, geben sich die Hand und bedauern den unrühmlichen Ausgang.

Mehr noch: Man trifft sich zum finalen Umtrunk und beschließt, der Schmach kollektiv mit Gift ein Ende zu bereiten.

Aber Hata Sari mag darin keinen Nutzen sehen:

Und so kommt es zu einer hanebüchenen, aber nicht sonderlich witzigen Volte: alle Spione entscheiden sich, die Seiten zu wechseln. Die Chinesen laufen zu den Amis über, die Harfinisten dienen sich den Chinesen an, und Sari überlegt, entweder bei den Russen oder bei HARFE in Festanstellung zu gehen.

Das ist aber gar nicht nötig, denn – das Ei ist ja noch da!

Und schon kommt es wieder zu einer fetten Massenschlägerei im Stil alter Saloon-Prügeleien, bei der jeder das Ei für sich haben will:

Selbstverständlich gelangt das Naturprodukt in die Hände der “Guten”:

Wobei “gut” natürlich relativ ist, haben wir doch gerade gesehen, dass alle Beteiligten jederzeit den Auftraggeber wechseln würden.

Hata Sari gelingt auf Skiern die Flucht, aber Born wird gefangen und zum Chef von HARFE gebracht:

Warum genau man Born verantwortlich macht und unbedingt abservieren will, bleibt eher nebulös – nicht aber, warum man es nicht augenblicklich tut. Denn Harfe 1 hat sich einen Tod für den “Superagenten” ausgedacht, der einen weiteren Ausflug in die Schweizer Tourismusfolklore erlaubt.

Ich hab’s extra für euch recherchiert: Bei der Winterverbrennung wird im Rahmen eines großen Volksfestes üblicherweise ein Strohschneemann verbrannt. Aber dieser ist heuer nicht mit Stroh, sondern mit Frank Born lecker gefüllt:

Doch bevor der arme Biedermann abgefackelt werden kann, holt ein Hubschrauber ihn aus der höchsten Not – natürlich mit der hübschen Hata Sari am Steuer:

In einer wirklichen guten Bond-Parodie käme nun eine Einblendung wie

“Frank Born will return in… Schwyzertod!”

Aber nein, es ist nur der Nachspann. Das muss zum Happy End reichen.

Es war ein sehr langer Tag, kommen wir zum Fazit. BONDITIS hat Kuriositätenwert, keine Frage, und ich kann gut verstehen, warum gerade Fans der Doppel-00 scharf darauf sind, ihn zu sehen. Darüber hinaus sind seine Qualitäten aber sehr beschränkt und mit “drollig” noch am gnädigsten beschrieben. Ich muss da auch ausnahmsweise dem Lexikon des Internationalen Films widersprechen, das seinerzeit behauptete:

Streckenweise witzige und einfallsreiche, im zweiten Teil wenig stilsichere und in Klamauk abgleitende Parodie auf Agentenfilme.

Nein. Im Guten wie im Bösen: BONDITIS ist das, was man bekommt, wenn Schweizer meinen, eine Bond-Parodie drehen zu müssen. Und es gibt gute Gründe, warum die Alpenrepublik kein Blockbuster-Powerhouse ist:

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Als Bond-Parodie ist BONDITIS zu truschig und zu wenig auf das konzentriert, was er eigentlich parodieren soll. Weder Kostüm noch Requisite noch Musik geben sich sonderlich Mühe, die Tropen des Vorbilds tatsächlich aufzugreifen. Inhaltlich gibt es Wassersuppe statt Fondue: Borns Bonditis, die für ein paar wilde Verwicklungen sorgen könnte, ist letztlich irrelevant – er hätte auch ein stinknormaler Biedermann sein können, der fälschlich für einen Agenten gehalten wird.

So schlendert BONDITIS vor sich hin, statt irgendeinen Vorwärtsdrang zu entwickeln – alles ist irgendwie Zufall, die Motivation der Spione ist ebenso vage wie der MacGuffin, um den es gehen soll. An keiner Stelle zeigt der Film die ausreichende Menge an Chaos oder Witz, um zu überzeugen. Andere Streifen dieser Zeit, gerade aus Italien und Spanien, haben das besser gemacht, weil sie einfach das Image von 007 auf 11 gedreht, den Agenten als Supermann ironisiert und damit zugleich als Clown entlarvt haben.

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Es ist daher vielleicht doch kein Wunder, dass BONDITIS nach dem ersten Kinostart schnell in Vergessenheit geraten ist – außer als Randnotiz der Bond-Mania der 60er taugt er wenig, auch wenn ihn das grausige deutsche Videocover der 80er tapfer “toll” findet und auf der Rückseite sogar gegen alle Realität zum Erfolg erklärt:

Wenn ihr die Artwork noch mal mit dem Original vergleichen möchtet:

Es ist, wie es meistens ist: ich bin froh, den Film endlich mal gesehen zu haben. Wie auch PROFESSOR ZAMORRA oder EIN KAKTUS IST KEIN LUTSCHBONBON. Aber ich brauche das nicht zweimal schauen. Meine exorbitanten Fotostorys, sie sind Exorzismus und Katharsis, eine so umfangreiche Beschäftigung mit den Trash-Perlen, dass sie mir das System freispülen und ich diese Leerstellen mental abhaken kann. Ich schwimme durch filmische Kloaken und steige am Ende doch gereingt aus ihnen empor.

Hamlet: Der Rest ist Schweigen.



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Pascal
Pascal
30. April, 2021 14:04

,,…jedes Malher…“
Ich möchte ein ,,u“ kaufen!

Ansonsten super geschrieben!

Dinozeros
Dinozeros
30. April, 2021 15:59

Ist die Tunnel-Szene nicht aus “Im Angesicht des Todes”? Das Finale, bei dem Mayday in Kürze gesprengt wird.

FBI
FBI
1. Mai, 2021 00:50
Reply to  Torsten Dewi

Könnte aus “Daylight” gewesen sein

Dinozeros
Dinozeros
1. Mai, 2021 21:35
Reply to  Torsten Dewi

Logo. Nicht richtig gelesen.

PabloD
PabloD
30. April, 2021 19:24

Wieder mal schön zu lesen, macht vermutlich mehr Spaß als den Film selbst zu sehen.
Aber wer davon spielte denn nun in Sanfter Schrecken welche Rolle?

Raphael
Raphael
1. Mai, 2021 00:45

Ich wette 50 Cent, dass Suters Eltern Margot und Günther hießen.

Selle
Selle
1. Mai, 2021 08:17

Ich möchte lösen:

Aftershock: Earthquake in New York.

Auf deutsch noch schöner:

Erbeben-Inferno: Wenn die Welt untergeht

DMJ
DMJ
1. Mai, 2021 09:41

Ach ja, Parodien … so ein zweischneidiges Schwert. Einerseits eine schöne Humorform, andererseits verleitet sie gern Leute dazu, sich über Sachen lustig zu machen, die besser sind als das, was sie zustande bringen.
Mein erstes Beispiel ist immer, wie viele deutsche Superheldenparodien es gibt, obwohl es keinen wirklichen, ernsten deutschen Superhelden gibt. Mit Bond ähnlich, weil es eben auch so formelhaft und leicht zu erfassen ist, dass man nicht zwingend eine gute Idee braucht, ihn zu parodieren.

Tom
Tom
1. Mai, 2021 14:26

Das Zitat aus der dritte Mann ist einfach Quatsch. Die Schweizer waren geschichtlicht betrachtet bis vor relativ kurzem ein ziemlich kriegerisches Volk (auch untereinander), von wegen 500 Jahre Eintracht und Bruderliebe … und die Kuckucksuhr kommt aus Deutschland.

Kleine Anmerkung: Wenn von “Schwyz” oder “schwyzer” Dingen die Rede ist, ist der gleichnamige Kanton gemeint (in dem der Film aber eher nicht zu spielen scheint, zumindest kommen mir die zu sehenden Trachten der Einheimischen eher Appenzellerisch vor). Ein Schweizer würde “Schwiiz” sagen.

Matts
Matts
1. Mai, 2021 15:00

Danke, dass du uns wieder so einen kuriosen Film präsentierst. Mit kuriosen Dialogen (“Du dummes Stück Sex!”)
Wird eigentlich jemals verraten wofür HARFE steht? Hintermänner von Attentaten, Randale, Falschmünzerei und Entführungen?