25
Jan 2024

TED LASSO und das Problem mit dem modernen Frauenbild

Themen: Film, TV & Presse |

Ich hatte es angekündigt (bzw. angedroht, je nach Sichtweise): Wir müssen nochmal über das Frauenbild von TED LASSO reden. Spoiler voraus.

Klar ist, dass eine Serie über einen Premier League-Verein relativ wenige Möglichkeiten bietet, weibliche Charaktere zu entwickeln. So sind die meisten Nebenfiguren wie Pub-Besitzerin Mae und Rebeccas Freundin Sassy (die großartige Ellie Taylor) mit grobem Strich gezeichnet, funktionieren als Story-Katalysatoren und Stichwortgeber. Auch Ted Lassos Frau ist weit weg und eher Auslöser als tatsächliche Person.

Bleiben Rebecca Welton, die Club-Besitzerin, und Keeley Jones, die Spielerfreundin, die im Laufe der Serie ihr Talent zum Marketing entdeckt. Beide Frauen haben sich ihren Status nicht erarbeitet, benehmen sich aber, als sei er eine Form von natürlichem Vorrecht.

Rebecca war eine Hostess in einem Restaurant, wo sie sich vom anderweitig verheirateten Rupert aufgabeln ließ, dem sie später in der schmutzigen Scheidung sein liebstes Spielzeug abringen konnte. Weder hat sie den AFC Richmond aufgebaut, noch hat sie ihn wirklich verdient. Schlimmer noch: die erste Staffel verbringt sie damit, die Lebensgrundlage Hunderter Menschen aktiv vernichten zu wollen und den Traditionsclub in den Ruin zu treiben. Ihr Hass auf Rupert ist zutiefst heuchlerisch, denn der habituelle Fremdgeher hatte mit ihr ja ebenfalls Ehebruch begangen. Sie war vor 20 Jahren das “neue Modell” – nun ist sie das Auslaufmodell. Man kann das ekelhaft und sexistisch nennen, aber es macht Rupert nur begrenzt zum Schurken, dem Rebecca zudem eine willige Komplizin war. Egal, wie gekränkt sie sich fühlt – er hat sie zur Milliardärin (!) gemacht.

Tatsächlich lassen sich die meisten “Untaten” von Rupert aus einem anderen Blickwinkel als durchaus angemessen rechtfertigen. Er hat halt ein anderes Verständnis vom “business football”. Sein immer deutlicherer Abstieg zum einzig “unrettbaren” Fiesling der Serie ist primär der Notwendigkeit geschuldet, dass Rebecca im Vergleich zu ihm besser aussieht. So gesehen ist er ihr Opfer und nicht umgekehrt. Ihm wird keine Erlösung erlaubt.

Und dann ist da noch Keeley Jones, die nach eigener Aussage seit ihrer Teenager-Zeit als Freundin von Profifußballern “Karriere” gemacht hat: anzügliche Fotos, Werbeverträge, Influenzerin. Sie hat keine erkennbare Ausbildung – im Gegenteil: Keeleys “street smarts” werden immer wieder als ihre größte Stärke betont. Moralisch wird sie als allen ihren “Jungs” überlegen dargestellt, die ihr gesamtes Leben dem Fußball gewidmet und damit ihre Körper ruiniert haben.

Da werden Erinnerungen an BIG BANG THEORY wach, wo Karriere-Wissenschaftler um die Gunst einer Kellnerin buhlen, als wäre sie der Hauptpreis in der Lebenslotterie. Keeleys “Talent” ist aber lediglich behauptet. Das wird auch deutlich, als sie eine eigene Marketingagentur gründet – finanziert wird das Edelprojekt komplett durch “venture capital”. Klein anfangen ist heutzutage offensichtlich out. Als das Konstrukt scheitert und Keeley ihre Agentur zu verlieren droht, muss sie wieder nicht “bei Null anfangen”, was eine klassische Erfolgsgeschichte sein könnte. Stattdessen springt Rebecca ein. Erneut wird Keeley gänzlich fremdfinanziert. Und die Serie sieht an keiner Stelle ein Problem darin.

Das hinterlässt ein unschönes Geschmäckle: Jungs müssen sich für ihren Erfolg körperlich und mental ruinieren, während Frauen einfach nur reich heiraten und/oder Fremdkapital für sich beanspruchen müssen. Trotzdem sind sie es, denen eine größere moralische Reife und ein inhärentes Verständnis für das Menschliche zugesprochen wird. Unsere Empathie für sie wird vorausgesetzt, nicht verdient. In knapp: Frauen sind grundsätzlich die besseren Menschen.

Man kann zudem noch tiefer graben, wenn man bei TED LASSO eine unschön riechende Leiche finden will. Jason Sudeikis hatte nämlich seinerzeit bei den Dreharbeiten zu HORRIBLE BOSSES 2 das ehemalige Nacktmodell Keeley Hazell kennengelernt:

Es ist kein Geheimnis, dass die Figur “Keeley Jones” in groben Zügen Keeley Hazell nachempfunden ist. Spielen konnte Keeley Hazell “sich selbst” nicht, weil sie für die Rolle bereits zu alt war und sie zu wenig schauspielerische Expertise mitbringt.

Aber als müsse die Selbstverständlichkeit betont werden, mit der Frauen Privilegien beanspruchen, bekam Hazell einen Posten als “staff writer” in der dritten Staffel TED LASSO. Nicht, weil sie ein hervorragende Autorin ist. Sie hat keinerlei Qualifikation auf dem Gebiet. Sie war nur zum rechten Zeitpunkt die Freundin von TED LASSO-Showrunner Jason Sudeikis.

Normalerweise entwickeln “staff writer” im Team die Storys für die gesamte Staffel, die dann von einzelnen Autoren in Drehbuchform gebracht werden. Keeley Hazell durfte letztlich konkret an EINEM Drehbuch mitarbeiten. In der Folge “We’ll Never Have Paris” geht es darum, dass von Keeley Jones ein privates Sextape veröffentlicht wird. Was jetzt schon niemanden mehr wundern wird: Auch von Keeley Hazell wurde vor einigen Jahren ein privates Sextape veröffentlicht.

Art imitates life.

Natürlich kann man die Sache so sehen, dass Keeley Hazell quasi prädestiniert war, eine Episode über ein Spielerliebchen zu schreiben, dessen Sextape in den Klatschblättern rumgereicht wird. Eine Art von verfilmter Katharsis. So wurde es in der Presse auch kolportiert.

Aber man kann auch alternativ denken, dass Jason Sudeikis sein “arm candy” mit einem Job versorgt hat und ihre Expertise erst gefragt war, als es um ihre eigene Vergangenheit als Boulevardfutter ging. Dazu passt, dass diese Episode zu den definitiv schwächeren der Staffel gehört, gerade weil sie das Thema Sextape zu einem reinen Männerproblem erklärt und die Frauen von jeder Verantwortung dafür freispricht.

All das addiert sich für mich zu einer Serie, die erheblich besser komplexe Männer als komplexe Frauen entwickeln kann, weil die Frauen eben doch wieder nur Girlboss und/oder Opfer sein können. Das ist ungefähr so spannend wie der Ethno-Kitsch in WHAT… IF?! und BLACK PANTHER – und genau so authentisch. Ich wünsche mir, dass Autoren mittelfristig wieder die Freiheit bekommen, Frauen gefahrlos als hinterlistig, kompetent, dumm und gnadenlos zu schreiben. Weil sie das eben AUCH sind.

Was nichts an der Tatsache ändert, dass ihr TED LASSO sehen müsst. Sofort.



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10 Kommentare
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Mison
Mison
25. Januar, 2024 11:39

Interessant…

War Helena Shaw in Indy 4 dann für dich ein besserer Charakter?
“hinterlistig, kompetent und gnadenlos” trifft ja schon mal zu.
Nicht, dass ich sie oder den Film mochte, aber immerhin war sie konsequent auf selbstsüchtig getrimmt

el flojo
25. Januar, 2024 17:59

Keeley Hazell hat doch sogar ne Rolle gekriegt, als Bex, die neue Frau von Rupert.

Klaus
Klaus
26. Januar, 2024 15:19

Warum “müssen” wir darüber sprechen – aber nicht über die Männerrollen? Warum werden die Frauen so zerlegt, die Männer nicht? Oder ist ein weiterer analoger Beitrag zu den Männerrollen geplant?

Vitalis Eichwald
Vitalis Eichwald
4. Februar, 2024 18:16

Kleiner Typo im letzten Satz: “sehen müsste
Danke für all Deine tollen Artikel!

zorra vom kochtopf
9. Februar, 2024 14:30

Gut auf den Punkt gebracht. Ted Lasso muss man sehen, aber nur die ersten zwei Staffeln, danach verpasst man wirklich nichts mehr.