Mumpitz, Monstren, Mutationen: Die dunkle Seite der Daily Soaps
Themen: Film, TV & Presse, Neues |Es gibt gerade in den Zeiten des Internets nur wenige “blinde Flecken” für Genre-Fans. Wer auf Horror, Science Fiction und Fantasy steht, kann sich über die Abenteuer mutiger Kosmonauten ebenso informieren wie über die Prügeleien maskierter mexikanischer Wrestler. Philippinische Superhelden? Been there, done that, bought the t-shirt.
Tatsächlich gibt es aber eine Quelle von Genre-Motiven, auf die bisher kaum das hässliche Licht der Recherche geleuchtet wurde: die Soap Operas, in Deutschland auch gerne als Daily Soaps bezeichnet. Weil die Überschneidung der Zielgruppen von REICH UND SCHÖN und SAW relativ gering ist, bleiben die melodramatischen Perlen im Tagesprogramm weitgehend unentdeckt. Hinzu kommt, dass die meisten paranormalen Handlungsbögen der zumeist amerikanischen Seifenopern hier in Deutschland oft nicht oder ohne Kontext ausgestrahlt wurden.
Aus diesem Grunde nehme ich euch heute auf eine Reise mit in das dunkle Reich des täglichen Wahnsinns mit – be afraid. Be very afraid.
Über DARK SHADOWS habe ich an anderer Stelle bereits geschrieben. Da die Serie aber den Grundstein für die weiteren Entwicklungen legte, fasse ich es hier noch mal zusammen: Eine “gothic soap”, die ab dem zweiten Jahr mit der Einführung des Vampirs “Barnabas Collins” zum Hit der späten 60er wurde. 1225 Folgen wurden gedreht, danach zwei Kinofilme, eine Serien-Neuauflage in den 90ern, ein weiterer Versuch 2004, dann der Kinofilm von Tim Burton mit Johnny Depp als Barnabas. So sieht Kult aus:
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Erstaunlich wenig bekannt ist, dass die Kanadier Ende der 60er versuchten, den Erfolg von DARK SHADOWS zu kopieren. Allerdings konnte STRANGE PARADISE trotz diverser Konzeptanpassungen nie ein großes Publikum begeistern und wurde nach 195 Episoden abgesetzt. Für eine Soap ist das nicht viel, aber immer noch mehr als z.B. BUFFY und CHARMED.
Schaut man sich STRANGE PARADISE an, wundert man sich angesichts der pudrigen und billigen Machart nicht über den Misserfolg:
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Ihr merkt schon: Die Verquickung von Okkultem und Lovestory gebiert eine ganz besondere Form des Grusels, die am ehesten mit den SPUKLICHT-Romanen auf dem deutschen Markt vergleichbar ist. Wehende Vorhänge, verfallene Herrenhäuser, Ölgemälde und Kerzenleuchter dominieren das Geschehen.
Wirklich aufgedreht hat dann DAYS OF OUR LIVES, eine Seifenoper, die seit 1965 läuft und sogar das große Soap-Sterben der letzten 15 Jahre überlebt hat. Obwohl die Serie in Salem spielt, dem Ort der Hexenverbrennungen, blieb man über die 70er recht konservativ, was die Storylines anging. 1982 allerdings änderte sich das – es ist ausgerechnet der Slasher-Welle zu “verdanken”, dass in Massachusetts plötzlich der maskierte “Salem Strangler/Slasher” umging:
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Er meuchelte gleich fünf Besetzungsmitglieder. Ein paar Jahre später ging der Riverfront Knifer um, gefolgt vom Necktie Killer. Ki, ki, ma, ma, sage ich nur…
Bei der Konkurrenz von ONE LIFE TO LIVE drehte man 1989 noch weiter an der Wahnsinnsschraube – die Charaktere entdeckten eine “lost city” namens Eterna, die angesichts des beschränkten Budgets eher nach Regionaltheater aussah und die entgeisterten Blicke der Darsteller Lügen straft:
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Noch nicht wild genug? Kein Problem, GENERAL HOSPITAL has got you covered! Hier entstieg 1990 einem geheimnisvollen Kristall ein nackter Alien!
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Nochmal zurück zu DAYS OF OUR LIVES. In einem Handlungsstrang von 1993, der vermutlich von den preiswerten Poe-Verfilmungen der damaligen Jahre inspiriert war, wird “Carly” von ihrer Erzfeindin lebendig begraben und obendrein noch per Funkgerät verhöhnt. Wahrlich, es ist nicht leicht, reich und schön zu sein:
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Der sicher legendärste Durchknaller der Seifenoperngeschichte muss allerdings die ausgewalzte Exorzisten-Nummer von DAYS OF OUR LIVES gewesen sein, die sich über mehrere Monate hinzog und bei der das beliebte Paar “John Black” und “Marlena Evans” so ziemlich alle Klischees des Subgenres auf Daily-Niveau herunterbrach:
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Übrigens: Die Darstellerin von “Marlena” ist Deidre Hall, die sich die ersten Sporen in den 70ern als ELECTRA WOMAN verdient hatte:
“John Black” hat es als klassischer Heldentyp sowieso nicht leicht, denn die Macher von DAYS OF OUR LIVES waren entschlossen, ihn statt in die Arme wechselnder Gespielinnen in immer neue Abenteuer zu treiben. So musste er sich in einem Unterwassergefängnis (!) schwer schocken lassen:
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GUIDING LIGHT startete als Radio-Soap 1937 (!) und erst 2009 ging nach über 15.000 TV-Episoden ging das Licht aus. Bis heute ein Rekord. Ein langlebiger Charakter in der Serie war “Reva”, die in der folgenden Szene mit einer Doppelgängerin konfrontiert wird. Das ist Soap-Standard, klar – aber in diesem Fall doch besonders: “Dolly” ist nämlich keine plötzlich auftauchende Zwillingsschwester oder eine Böstante nach Gesichts-OP, sondern… ein Klon!
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2002 tauchten in DAYS OF OUR LIVES die “Gemini Twins” auf, die wir erstmal für Aliens halten mussten, weil sie mit einem UFO gelandet waren. Am Ende stellte sich aber heraus, dass es sich um ein Klon-Pärchen handelte:
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PORT CHARLES war ein Ableger des Soap-Dauerläufers GENERAL HOSPITAL, der vor allem jünger und sexier sein sollte, um ein entsprechendes Publikum anzuziehen. Weil Anfang der 2000er die Genreserien in der Primetime einen Boom erlebten, erlaubte man sich auch einen ordentlich Schwung an schwülstigem Grusel. Das Traumpaar Rafe und Allison wurde sogar mit Vampiren konfrontiert:
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Wer genau hinschaut, kann bei PORT CHARLES übrigens viele vertraute Genregesichter entdecken:
- Michael Easton aus TOTAL RECALL 2070
- Rebecca Staab aus FANTASTIC FOUR (Corman-Version)
- Michael J. Anderson und Ian Buchanan aus TWIN PEAKS
- Anders Hove aus den SUBSPECIES-Filmen
- Erin Gray aus BUCK ROGERS
- Jeffrey Byron aus DUNGEON. MASTER
- Jean Bruce Scott aus AIRWOLF
- Ramy Zada aus TWO EVIL EYES
- Edward Albert aus PLANET DES SCHRECKENS
sowie die Playmates Amy Weber und Kelly Monaco.
Im neuen Jahrtausend, angesichts des wegsterbenden Publikums und des Booms der Genreserien, drehten die Soaps noch mal richtig auf.
Im Rahmen eines weiteren Killer-Plots wurde “Marlena Evans” von DAYS OF OUR LIVES 2004 auf eine bizarre Insel verschlagen, die so etwas wie ein Spiegelbild von New Salem darstellte und deshalb auch konsequenterweise Melaswen hieß:
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Ähnlich wie PORT CHARLES wurde die Soap PASSIONS 1999 gestartet, um ein neues, jüngeres Publikum für die Daily Soaps zu begeistern. Dafür setzte man von Anfang an auf überdrehte und sexualisierte Plots, die nicht selten ins Übernatürliche kippten. So hatte man von Anfang die Hexe Tabitha Lenox im Cast, immer in Begleitung des kleinen Timmy, der in Wirklichkeit eine Fleisch gewordene magische Puppe ist:
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PASSIONS lässt wenig aus, um die Zuschauer zu verblüffen und zu ködern – besonders den Charakter “Charity” erwischte es übel, sie wurde im Verlauf der Serie sogar zum Zombie! Beim “production value” hat man schon anständig geschraubt, aber mit Primetime-Serien konnte DAS trotzdem nicht mithalten:
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Aus dem Cast von PASSIONS stammt übrigens Justin Hartley, der in Teenie-Magazinen so sehr zum Traumboy hochgejubelt wurde, dass man Alan Ritchson (mittlerweile in REACHER zu sehen) die Rolle des Aquaman für den erfolglosen Spinoff von SMALLVILLE zu seinen Gunsten wieder weg nahm.
Damit sind wir fast wieder in der Gegenwart angelangt – und möchte man es glauben? “John Lock” und “Marlena Evans” sind nicht nur immer noch dabei, sondern wärmen auch den Exorzistenplot von 1994 wieder auf!
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Man möchte fast meinen, die bizarren Ideen der Soaps des neuen Jahrtausends seien so etwas wie ein letztes Hurra des Genres, das mittlerweile ein Nischendasein bei Online-Sendern fristet und selbst dabei am Tropf hängt.
In anderen, streng (aber)gläubigen Ländern ist es übrigens erheblich üblicher, Herzschmerz und Intrigen mit Flüchen, Geistern und Hokuspokus zu kombinieren. Dabei wird auf die Mechanismen der schon erwähnten Frauengrusel-Romane zurück gegriffen und damit auch wieder auf DARK SHADOWS. Sehr typisch scheint mir eine Produktion wie EL EXTRANO RETORNO DE DIANA SALAZAR:
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Wie populär diese Stoffe sind, kann man u.a. daran ablesen, dass es sich bei EL MALEFICIO um ein Remake einer Telenovela von 1983 handelt:
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Auch in asiatischen Ländern wie den Philippinen und Korea mutet man den Zuschauern in Sachen magischem Mumpitz deutlich mehr zu als uns.
Ich würde meiner journalistischen Pflicht nicht nachkommen, wenn ich zum Abschluss nicht noch auf den depperten Plot einer wöchentlichen Primetime-Soap eingehen würde, der uns damals in SAT.1 saftig aus den Socken gehauen hat. “Fallon Colby” wurde in DIE COLBYS (einem Ableger des DENVER-CLAN) von einem UFO entführt! Ich schwör’s! Hier ist der Videobeweis!
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Leider haben wir nie erfahren, was aus ihr wurde, denn DIE COLBYS wurde mit diesem Cliffhanger nach nur zwei Staffeln eingestellt. Ich persönlich war ja auch eher ein Fan von FALCON CREST, wo zwar Ninjas und Nazi-Kartelle mitmischten, aber keine Vampire oder Aliens.
Gibt es irgendwas, was die Seifenopern sich noch nicht getraut haben? Superhelden! Vermutlich. Ich hab’s nicht überprüft. Ich habe Angst.
Und damit sind wir auch schon am Ende unseres kleinen Ausflugs in die Welt der mythisch-mystisch-magischen Seifenopern. Ich hoffe, es hat euch gefallen. Klappt die Tabletts hoch, stellt die Rückenlehnen gerade und wartet mit dem Aufstehen, bis die Anschnallzeichen über euren Köpfen erloschen sind.
Aus mir heute nicht mehr erklärlichen Gründen hab ich als Kiddie mit meiner Mutter für “Unter Uns” vor dem Fernseher gesessen. Ich kann daher beitragen, dass es dort seinerzeit neben den fast schon obligatorischen Gangster/Psychostalker-Plotlines auch mal 2 Wochen lang eine Story gab, in der der Cast von gedankenkontrollierenden Aliens übernommen wurde. Wer betroffen war, war daran zu erkennen, dass er oder sie etwas seltsam betont gesprochen hat und das Gesicht von einer Seite mit einem giftgrünen Spot angeleuchtet bekam.
„Gibt es irgendwas, was die Seifenopern sich noch nicht getraut haben? Superhelden!“
Doch, selbst dieses Feld haben sie beackert, und zwar in… guiding light: https://m.imdb.com/title/tt0897670/
Hatte noch grau was im Gedächtnis von einem cracked Artikel, den ich mal vor Jahren gelesen hatte. IIRC führte dieser Genrewechsel dann auch zum baldigen Ableben dieser Soap.
Sensationell! Noch besser/scheißer, als ich zu hoffen wagte:
https://youtu.be/u6kUhtyebg4?si=fZCwGj9JZTjncX80
Wow, du hast nicht untertrieben! Dagegen ist she-hulk ja wahre Kunst!
„She’s got no breath, no pulse, nothing.“
„Is she gonna be ok?“
„Oh she’s doing fine!“
Kann man sich nicht ausdenken.
Aber die gute Heldin nach dem Namen der Serie Guiding Light zu nennen, ist unbestritten toll.
Und man kann immer noch einen draufsetzen; “{THIS EPISODE WAS A SPECIAL CROSSOVER BETWEEN GUIDING LIGHT AND MARVEL COMICS GROUP}”
ROFL das wird ja immer besser/schlechter: https://www.marvel.com/comics/issue/29904/guiding_light_2009_1
Danke für dieses rabbit hole heute, ich wurde selten so sehr von einer soap unterhalten! 😀
Wir haben schon erfahren was aus Fallon Colby wurde. Nach dem Ende von DIE COLBYS kehrten sie und Jeff für die letzten beiden Staffeln zum DENVER-CLAN zurück.
Ja, aber der UFO-Plot wurde nie aufgelöst, darum geht’s.
Anfang der 90er, ich war in der Ausbildung zur Krankenschwester, hatte ich einen 3-monatigen Einsatz in der damals noch so genannten Gemeindepflege.
Einer meiner Patienten war Herr M., ehemaliger Jagdpilot und über Griechenland abgeschossen und in Gefangenschaft geraten.
Herr M. litt unter einem Schlaganfall und ich mußte ihn morgens aus dem Bett holen, auf den Pott setzen, waschen, anziehen und ihn dann aufs Sofa bringen.
Den Rest hat seine Frau gemacht.
Wenn er am Kacken war, mußte ich mit seiner Frau erstmal Kaffee trinken und 2 Kippen rauchen.
Wenn er dann endlich auf seinem Sofa saß und frühstückte, mußte ich noch mehr Kaffee trinken und rauchen und 2 Folgen “Reich und schön” gucken.
Ey, nach 2 Wochen war ich so in dieser Kackserie drin…
Das erinnert mich an viele Geschichten aus meiner Zivi-Zeit in der Altenbetreuung. Generell gilt: Der Suchtfaktor der Soaps ist nicht zu unterschätzen. Meine These: wer – auch gegen seinen Willen – mehr als fünf Folgen am Stück schaut, will wissen, wie es weitergeht.