21
Nov 2023

Mini-Laptop, Maxi-Tablet, Comic Reader: Das Experiment Chromebook Convertible

Themen: Neues |

Vor ein paar Monaten war ich bei einem sehr launigen Treffen von Science Fiction-Senioren im Hause des Herausgebers Joachim Körber eingeladen. Dort hatte einer der Anwesenden ein gigantisches Tablet mit anflanschbarer Tastatur dabei, um seine gemachten Fotos gleich vor Ort zu sichten und zu sortieren. Ich meine, es wäre ein Samsung Galaxy Tab S8 Ultra gewesen:

Satte 14 Zoll. Ich erwähnte beiläufig, dass man darauf vermutlich auch toll Comics im franko-belgischen Format 1:1 lesen könne, woraufhin der Kollege gleich mal eine ALIEN VS. PREDATOR Graphic Novel auf den Bildschirm holte. Wahrlich, das war ein Gamechanger – kein scrollen, kein zoomen, kein springen zwischen den Panels mehr nötig.

Das wollte ich auch! Aber nicht so teuer. Das Galaxy Tab kostet aktuell steile 1250 Euro. Aber der Gedanke hakte sich in meinem Kopf fest: Mit so einem Gerät könnte ich endlich die gigantische digitale Bibliothek, die ich mir in den letzten Jahren aufgebaut habe, angemessen im Sessel sitzend genießen.

Ich gebe mich ran, schaue mich ein wenig um und siehe da – mit dem MESWAO Tablet finde ich einen preiswerten chinesischen Ableger um die 350 Euro:

Unter 1 Kilo, Full HD – sollte passen. Das veraltete Betriebssystem oder der lahme Prozessor sind für mich keine relevanten Faktoren. Ich will das Gerät für einen einzigen spezifischen Zweck: Comics und Magazine im Vollbild lesen.

Allerdings finde ich als jemand, der Fire Tablets für 50 Euro kauft, die 350 Euro für die Fernost-Ware immer noch happig. Beim Cyber Day schieße ich mir daraufhin erstmal ein neues Fire Tablet mit 11 Zoll – vielleicht reicht das ja schon:

Es reicht nicht. Die Größe ist perfekt für Lustige Taschenbücher von Disney, aber schon bei Asterix braucht man eine Lupe. Zurückgeschickt wird das für Amazon-Verhältnisse erstaunlich wertige Gerät dennoch nicht. Die LvA nutzt es gerne als Video-Display und für Casual Games.

Also bis zum Black Friday warten, ob das MESWAO im Preis reduziert wird. Und siehe da: Es sinkt auf knapp 300 Euro. Aber bevor ich den “sofort kaufen”-Button klicken kann, fallen mir die Alternativen ins Auge, die Amazon vorschlägt.

Chromebooks.

Damit habe ich ja schon immer geliebäugelt. Die Idee, mit einem auf der Google-Sphäre basierenden Ultralight-Betriebssystem zu arbeiten, reizt mich ebenso wie die Tatsache, dass man hier anscheinend schon Markengeräte für alberne 300 Euro bekommt. Als Mac-user empfinde ich solche Preise fast als Provokation.

Doch “halt!”, höre ich euch rufen – wollte der Wortvogel nicht ein TABLET?! Und genau das ist das Verführerische: sogenannte Chromebook Convertibles sind beides. Laptop und Tablet. Man kann die Hälfte mit der Tastatur nämlich komplett nach hinten wegklappen:

Damit geht man natürlich einen Kompromiss ein. Das Tablet ist vergleichsweise dick, schwer und man hat nach hinten keine glatte Rückseite, sondern eine (deaktivierte) Tastatur. Außerdem bin ich nicht ganz sicher, ob die Auflösung von gerade mal ‎1366 x 768 Pixeln für meine Zwecke ausreichend ist.

Aber egal – angesichts der Tatsache, dass es das HP Chromebook x360 mit 14 Zoll Diagonale am Black Friday für schlappe 199 Euro gibt, bin ich bereit, mich auf das Experiment einzulassen. Es ist mir ein Rätsel, wie man ein Markengerät für einen solchen Preis produzieren und gewinnbringend verkaufen kann – bei Apple kostet nur der Ständer für einen Computer schon das Fünffache.

Die Lieferung am Samstag schlägt leider fehl, ich muss mich bis Montag gedulden. Das fällt mir nicht leicht. Dann endlich: der Paketbote! Das HP Chromebook kommt mit erfreulich wenig Verpackungsmüll und Schnickschnack, als Zubehör liegt gerade mal ein kleines Netzteil dabei, das ich nicht brauche, weil mein Baseus 65w GaN Ladegerät das übernehmen kann.

Mein erster Eindruck? Schick, schick, schick:

Eindeutig den Macbooks nachempfunden, schön proportioniert, großes Trackpad, sehr angenehme Tastatur. Ich muss mich nur umgewöhnen, dass das @ hier woanders zu finden ist. Auch der Sound ist okay, wenngleich mangels Bass nicht für die nächste Party zur Raumbeschallung geeignet. Das Trackpad begeistert mich nur begrenzt, der Mauszeiger rutscht sehr ruckelig über den Bildschirm.

In das Chrome OS arbeite ich mich in Nullkommanix ein – ich bin nicht ohne Grund seit 20 Jahren Bewohner der Biosphäre Google. Mit einer simplen Anmeldung schafft das HP Chromebook blitzschnell eine Umgebung, die mir vertraut vorkommt. Es mag einige spezielle Anwendungen, die ich öfter mal brauche, hier nicht geben, aber für die tägliche Arbeit und Kommunikation ist das mehr als ausreichend. Das OS muss ja auch längst nicht mehr zwanghaft online sein – Dateien werden zwischengespeichert und man hat Zugriff auf den internen Speicher als “Festplatte”.

An Anschlüssen mangelt es dem kleinen Multitalent auch nicht:

Was mich überrascht, sind einige unnötige Defizite: Viele Apps aus dem Google Store sind für Smartphones geschrieben worden und passen sich nur widerwillig dem vollen Bildschirm an. Und Programme aus anderen Quellen zu installieren ist vom System unerwünscht. Um eine profane APK-Datei aus Google Drive zu starten, müsste ich tief in den Eingeweiden des Betriebssystems die Entwickler-Umgebung freischalten. Habe ich in diesem Moment noch keinen Bock drauf.

Nun habe ich das HP Chromebook aber nicht gekauft, weil ich ein Zweit-Laptop brauche (ich habe noch ein funktionsfähiges Macbook Air für diesen Zweck in der Schublade). Ich will einen 14 Zoll-Reader für Comics und Magazine. Nimmt man das HP Chromebook in die Hand und dreht es zum Tablet, dann wird klar, wo die Unterschiede zu meinem regulären Macbook liegen: bei HP ist alles Plastik und der mechanische Vorgang des Umklappens lässt das vermissen, was man gerne “Verwindungssteifigkeit” nennt. Damit kann ich leben, denn ich habe für den Preis auch nicht mehr erwartet. Das hier ist ein preiswertes Zweitgerät, kein Porsche.

An dieser Stelle muss man auch mal anerkennen, was für eine technische Leistung das ist – das Laptop lässt sich stressfrei komplett umklappen und das ganze System schaltet verzögerungsfrei vom Laptop- in den Tablet-Modus mit Touchscreen. Keine Zauberei, aber eine verdammt coole Sache:

Nun haben wir bereits vier oder fünf Tablets (berufsbedingte iPads eingerechnet), da brauche ich mich mit der Funktionalität in dem Bereich nicht auseinander zu setzen. Das HP Chromebook soll primär als Reader dienen.

Zuerst einmal merke ich, dass der Vorteil beim Genuss von Kinofilmen zum Nachteil beim Konsum von Comics wird – 16:9 ist dafür ein blödes Format. Zu schmal, dafür zu hoch. Es ist eben nicht DinA4. Bei einem ASTERIX-Comic bleibt oben und unten ein fetter Rand übrig, was einen großen Teil des 14 Zoll-Vorteils gleich wieder auffrisst:

Was mich nicht stört: Das Gewicht des HP Chromebook mit 1,5 Kilogramm. Ich habe schon schwerere Bücher gelesen.

Und damit kommen wir zum hässlichen Teil des Tests. Bis hierher war ich ganz zufrieden. Ein leichtes und portables Chromebook ist für den Urlaub eine prima Sache, ganz besonders wenn man es auch noch als Tablet und halb umgeklappt als Fernseher verwenden kann. Technisch bin ich ziemlich baff, was heute so alles geht. Bei dem Preis macht man sowieso nix verkehrt.

Aber schon bei den ersten Versuchen, Comics und Zeitschriften im Tablet-Mode zu lesen, wird mir klar: das taugt nix. Das ist kein Kompromiss, sondern indiskutabel.

Ich sage etwas ungern so harsch und pauschal, aber: Das Display des HP Chromebook ist eine Frechheit. Ramschware, die im Jahr 2023 nichts mehr in einem aktuellen Gerät zu suchen hat.

Klar, ich wusste, dass die Auflösung von 1366 x 768 Pixeln ein Problem sein könnte. Und sie ist eins. Schon im Chrome OS kann man bei einigen Details die Verpixelung sehen. Daran bin ich nicht mehr gewöhnt. Bei den Comics wird es allerdings schlimmer. Die teilweise sehr kleine Schrift in Sprechblasen wird erkennbar unscharf:

Es gilt die Faustregel: Was nach fünf Minuten stört, wird nach fünf Stunden unerträglich. Hier tut man sich mit Leidensfähigkeit keinen Gefallen.

Erheblich schlimmer ist aber die Tatsache, dass die Blickwinkelabhängigkeit des Displays jeder Beschreibung spottet. Ich kann mich nicht erinnern, überhaupt je einen Bildschirm gesehen zu haben, auf den ich so perfekt im 90 Grad-Winkel starren muss, um etwas zu erkennen. Minimales Kippen nach oben, unten, links oder rechts lässt das Display sofort ins Negative kippen. Das geht so weit, dass man sogar schon Probleme bekommt, wenn man das Tablet auf 50 Zentimeter Entfernung vor sich hält und der Blick zum Bildrand wandert.

Beim Chromebook-Betrieb mag man damit leben können, weil das Gerät statisch auf dem Tisch steht und sich der Blickwinkel nicht ändert. Im Tablet-Modus ist das HP Chromebook aber permanent in Bewegung und flirrt wie Hölle.

No go. No mutherfriggin go.

Es ist mir ein absolutes Rätsel, wie HP in ein so thereotisch solides Gerät ein so minderwertiges Display verbauen kann. Ich hätte liebend gerne 50 Euro mehr gezahlt, um dafür ein akzeptables Full HD-Display zu bekommen. Der Bildschirm ist der Teil, auf den der User den ganzen Tag starrt – da DARF man nicht sparen!

Wenn ich etwas gelernt habe, dann das – halbgare Lösungen sind keine Lösungen. Heute Nachmittag geht das HP Chromebook zurück. Schweren Herzens.

Das heißt nicht, dass ich aufgebe. Die Idee, ein preiswertes Chromebook zu besitzen, das ich zum großen Tablet umklappen kann, reizt mich noch immer. Und die Black Friday Week dauert ja noch ein paar Tage. Also habe ich mich bei den aktuellen Angeboten umgesehen und das hier entdeckt:

Ein Asus Chromebook Flip CM1. 90 Euro teurer als das HP Chromebook, dafür mit dem gewünschten Full HD IPS-Display und doppeltem Speicher. Ich bin zwar kein Fan von schwarzen Laptops (mehr), aber daran soll es nicht scheitern.

Vielleicht wird noch was draus. Nach den Erfahrungen mit dem HP Chromebook bleibe ich aber skeptisch. Die eierlegende Wollmilchsau ist nicht ohne Grund nur eine Legende. Kann sein, dass ich zum Wochenende zwei Chromebooks zurück an Amazon geschickt habe. Dann wären bei dieser Black Friday Week nur eine neue Katzenbürste und ein Set Scheibenwischer rumgekommen. Ein schlechter Schnitt.

Ich bin frustriert.



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Khaanara
Khaanara
21. November, 2023 11:04

Das ist einer der Vorteile des Samsungs S8 Ultra, neben dem Amoled-Display mit besserer Auflösung: Die Tastatur ist im Schutzcover und daher auch abnehmbar, so lassen sich die Comics besser lesen 🙂

Klaus
Klaus
21. November, 2023 11:31

Wenn auch 12,3 Zoll ausreichen und Windows okay ist, dann schau mal nach dem Hyrican Enwo Pad. Tastatur kann man abnehmen, Bildschirm hat 2880 x 1920 Pixel. Ich hab’s bei einer ebay Auktion für €130 bekommen.

Marko
21. November, 2023 19:57

Ich lese Comics und Zeitschriften eigentlich nur noch auf dem Tablet. Meine eierlegende Wollmilchsau: Das Medion p9702. Das hat zwar “nur” 9,7 Zoll, löst mit 2.048 x 1.536 aber ordentlich auf und hat ein tolles Display mit vernünftigem Seitenverhältnis, das dem DIN-Printformat angenehm nahe kommt. Ich bin so angetan von dem Tablet, dass ich mir das über Kleinanzeigen noch zweimal zusätzlich für jeweils einen Fuffi besorgt hab (ist halt schon etwas älter und daher günstig zu bekommen). Die drei Tablets liegen in Bad, Schlaf- und Arbeitszimmer und decken meinen gesamten Bedarf an Comics und Zeitschriften ab. Und ja, die Größe reicht mir völlig aus, dank der guten Auflösung ist alles gut les- und konsumierbar – aber das ist natürlich auch ein Stück weit Geschmackssache. Ich hätte natürlich nichts gegen ein günstiges 12 Zoll Tablet mit ähnlich guten Spezifikationen, so etwas habe ich bislang halt leider noch nicht gefunden.

Flay
Flay
21. November, 2023 20:19

Das ist ja wirklich ein sehr spezieller Use Case. Wenn es unbedingt ein Tablet sein soll, vielleicht ein Honor Pad 8 (200 Euro, 12 Zoll…zu klein?), oder ein gebrauchtes Galaxy Tab S8 ultra für 700 Euro.
Ich persönlich nehme zum Lesen einfach den PC Monitor. Auch ziemlich große Bildschirmdiagonalen + WQHD Auflösung sind mittlerweile recht günstig. Meiner steht auf einem kleinen Normalo-Tisch ohne Schubladen, den ich bei so ner Aktion von der Wand wegziehe, und statt dem Bürostuhl einen leichten Recliner drunterschiebe, so dass ich halb unter dem Tisch liege;) Dann kann man schön relaxen und mit kabelloser Maus oder Tastatur umblättern. Wenn es fancy sein soll, könnte man auch einen mit Pivot-Funktion nehmen und dann hochkant die Comics reinziehen (hab ich aber nicht).

Marko
21. November, 2023 20:22
Reply to  Flay

Das ist für mich nicht “schön relaxet”. Ich will entspannt im Bett oder aufm Klo lesen. Find auf einem Monitor ja schon Filme und Serien eher zweckmäßig als gemütlich.

dopey
dopey
21. November, 2023 23:33

Mit einem Convertible wirst du immer einen Kompromiss eingehen, fürs entspannte Lesen lieber gleich zu einem Tablet mit hochwertigem Display greifen.
Ich lese Comics und Zeitschriften auf dem Galaxy Tab S7 (12,4 Zoll) in einer schönen Stoffhülle und kann es sehr empfehlen. Dank des hellen und hochauflösenden Displays ein echter Augenschmaus.

Martin
Martin
22. November, 2023 00:08

Wird es seitens der LvA auch eine Beurteilung des Amazon Fire Max 11-Tabletgeben?

Tobias
Tobias
22. November, 2023 06:18

Ich besitze seit eineinhalb Jahren das Samsung Galaxy Tab S7 FE. Ich bin immer noch restlos begeistert von dem Gerät. Es besitzt einen 12,4 Zoll Bildschirm mit 2.560 x 1.600 Pixeln Auflösung. Manchmal ist es schon für 349 € erhältlich. Es gibt mittlerweile auch einen Nachfolger, das Galaxy Tab S9 FE+. Ich nutze das Tablet teilweise mit einer portablen Tastatur und Maus von Logitech. Damit lässt sich dann auch super arbeiten.

Edin Basic
Edin Basic
24. November, 2023 19:30

Mensch Wortvogel.Ich wurde so getriggert durch diesen Beitrag,das ich mir gerade den Galaxy Tab S9 Ultra Wi-Fi für 1.069,00 gekauft habe.Ich hoffe Samsung zahlt eine Provision.

Flusskiesel
29. November, 2023 15:15

Wegen des Displays habe ich mich seinerzeit ja dann doch für ein iPad entschieden. Die alten Augen sind des Blinzelns müde.
Meine beiden Chromebooks (allerdings als Reiseschreibmaschine genutzt) habe ich echt geliebt. Als Google dann allerdings die speziell für ChromeOS programmierten Apps abschaffen wollte (ist das eigentlich passiert?), war ich enttäuscht, weil mir die für Tablets und Smartphone optimierten Apps auf den Keks gingen.
Hach! Danke für die Zeitreise! 🙂