Wortvogel fingert die Klinge: Blutbad in Trudering
Themen: Neues |Seufz… die LvA hat Recht: man darf mich nicht unbeaufsichtigt lassen. Ich schaffe es, Katastrophen an Stellen zu provozieren, an denen keine vorgesehen sind.
Erst im April hatte ich euch von meinem Frittierfett-Desaster erzählt. Danach verkündete meine Frau nur halb im Scherz:
Nun trug es sich vor einer guten Woche zu, dass der LvA nach einem stressigen Arbeitstag nach einem Cocktail zum Feierabend war. Kein Problem, ich barkeepe daheim gerne. Wir haben alles für einen fruchtigen Drink im Haus. Das Eis bevorzuge ich crushed. Sollte auch kein Problem sein (Symbolbild):
Man sieht: Das Teil hat scharfe Klingen und die mental begabteren meiner Leser ahnen schon, worauf das hinausläuft…
Der erste Durchgang klappt prima. Das Eis kommt als Eisschnee aus der Schale und wird in ein Longdrink-Glas gelöffelt. Dann hakt es aber irgendwie. Obwohl ich das Gerät bestimmt schon 20 mal auseinander- und wieder zusammengebaut habe, passen die gerade mal vier Teile irgendwie nicht recht ineinander.
Ich probiere alle Variationen, aber es kommt mir vor, als wäre selbstverständliches Wissen plötzlich abhandengekommen. Beginnt so die Altersdemenz? Nun werden die ersten Leser schon in böser Vorahnung unken: hallo, erstmal Stecker ziehen?!
Alles halb so wild – diese Geräte sind so konstruiert, dass der Motor nicht anspringen kann, solange nicht alle Teile ordentlich eingerastet sind und damit nichts mehr im Weg der Messer sein kann, was nicht im Weg der Messer sein soll.
Denke ich.
Ich denke das so lange, bis drei Dinge praktisch gleichzeitig eintreten: Der Motor springt an, eine Klinge häckselt meinen rechten Mittelfinger, und meine linke Hand lässt das Gerät augenblicklich fallen.
Blut. So. Viel. Blut.
Wäre ich nicht Torsten Dewi und daher unerwartete Missgeschicke mit drastischen körperlichen Folgen gewöhnt, würde ich mir vielleicht eine Auszeit in Form einer Ohnmacht gönnen. Alternativ bleibe ich bei Bewusstsein, obwohl mir ein wenig blümerant ist, wickle ein sauberes Spültuch um die Wunde und rufe laut und ohne jede Lebensfreude: “Britta, kannst du mal SOFORT kommen?”
Meine Frau ist nicht nur die Liebste von Allen, sondern auch sehr gut darin, meine Schwingungen aufzufangen. Sie lässt die Blumenarbeit auf der Terrasse fallen und kommt in die Küche gerannt. Ich bin froh, dass sie die Wunde nicht sehen kann: Da ist die Klinge SEHR tief in den Finger gesäbelt und zwei Fleischhälften lappen wie Blut spuckende Lippen umher. Noch bevor sie den Notfallkasten gefunden hat, tippe ich mit der Fingerspitze auf den Küchentresen. Okay, der Finger lässt sich noch bewegen und in der Fingerspitze spüre ich was.
Mullbinde haben wir leider keine. Also, natürlich schon, nämlich im Erste Hilfe-Kasten meines ausrangierten Aygo, aber der liegt im Arbeitszimmer und an den denke ich gerade nicht. Die Packung mit den blauen englischen Plastikpflastern schiebe ich zur Seite: “Kinderkram. Ich brauche Hansaplast.”
Solange ich denken kann, vertraue ich dem fleischfarbenen Wunderpflaster mit der groben Textur, das wie Bolle klebt und dessen Entfernung immer schaurig schön schmerzt. Pflaster für Männer. Pflaster für echte Verletzungen.
Ich gehe zur Spüle und wickle vorsichtig das Spültuch ab. Das sieht nicht schön aus, da fließt unangenehm viel Lebenssaft in den Ausguss. Ich spüle mit Wasser kurz drüber, dann nochmal das Tuch drauf. Der fliegende Wechsel zum Pflaster muss schnell gehen, wenn das alles halten soll.
Pflaster 1 drauf. Sitzt. Färbt sich sofort rot.
Pflaster 2 drauf. Rückseitig, um Pflaster 1 zu sichern.
Pflaster 3 drauf. Vorderseite, um die Blutung zu stoppen und die Wunde noch mal strammer zusammen zu ziehen.
Der Finger ist nun steif, relativ taub, aber es suppt nichts mehr raus. Ich setze mich in meinen Sessel, atme erstmal tiefe durch, dokumentiere das Drama:
Glaubt mir, das “vorher”-Bild wollt ihr nicht sehen.
Natürlich beginnt nun die Diskussion. Arzt? Notaufnahme? Nähen? Nicht unbedingt vernünftig, aber erwartbar entscheide ich mich dagegen. Der Gedanke, dass jemand mit Nadel und Faden an meinem Finger werkelt, bringt mich der Ohnmacht näher als die ganze Verletzung. Ich bin eine Pussy.
Ich gebe zu, die nächsten Tage sind nur so mittel schön. Es blutet bei jedem Pflasterwechsel, auch weil die Pflaster immer wieder an der Wunde hängenbleiben. Das ist sehr schmerzhaft. Ich kaufe mir in der Apotheke eine Vaseline-Gaze, die das verhindern soll. Den Rest muss mein Körper selbst erledigen.
Im Bericht zum Frittierfett-Fiasko hatte ich meine guten Selbstheilungskräfte erwähnt. Das war untertrieben. Seit ich Kind war, sind meine Selbstheilungskräfte so etwas wie meine Superkraft. Knochenbrüche, Fleischwunden. Wespenstiche – ich heile wie Wolverine, nur langsamer. Und darauf vertraue ich auch diesmal.
Nach fünf Tagen und zehn Pflasterwechseln blutet es erstmals nicht mehr aktuell, als ich vorsichtig das Pflaster abziehe:
Schön ist anders, aber es wird. Es hilft, dass die Klinge höllisch scharf war und der Schnitt dadurch sehr glatt. Mit etwas Glück sollte das eine saubere Narbe ohne viel totes Gewebe geben. Ich lasse das Pflaster einen Tag weg, damit Luft an die Wunde kommt.
Erst wenn man sie nicht benutzen kann, merkt man, wie praktisch die Finger an der rechten Hand sind. Roller fahren ist ebenso schwierig wie Einkaufstüten tragen, jede unbedachte Berührung verursacht einen stechenden Schmerz. Unter der Dusche ziehe ich mir einen Latex-Küchenhandschuh über, damit das Pflaster nicht nass wird.
Vor zwei Tagen nehme ich das Pflaster wieder ab, mittlerweile ziept und zerrt es dabei nicht mehr. Ich bin mit dem Ergebnis weitgehend zufrieden und beschließe, auf weitere Wundverbände zu verzichten:
Eine volle Faust machen kann ich noch nicht, das mittlere Glied des Mittelfingers über der Wunde fühlt sich etwas taub an, aber die Beweglichkeit ist weitgehend wieder hergestellt – und die LvA baff, dass eine so tiefe und blutreiche Wunde derart schnell verheilen kann. Ich bin durchaus ein bisschen stolz auf meinen Körper. Der heult nicht, der heilt.
Vor allem bin ich aber froh, dass es nicht danach aussieht, als würde mein Mittelfinger dauerhafte Schäden davon tragen. Als Autor brauche ich den zum Schreiben. Und als Mensch im täglichen sozialen Umgang noch viel mehr.
Ich bin definitiv beeindruckt. Ich hab seit 6 Wochen einen blauen Fleck am Arm (das kleinste Huhn sitzt da gern), der sieht schlimmer aus als deine Verletzung zum aktuellen Zeitpunkt.
Mein Körper behauptet immer daß jede Verletzung mindestens ein Viertel Jahr braucht.
Insofern :
Ein Hoch auf deine Selbstheilungskraft und auf Brittas Nerven.
Weiterhin gute Besserung
Ich hab mir schon für weniger im ER Nadeln durch die Finger jagen lassen. Mit klarer Bestätigung der auch so schon überlasteten Chirurgen.
Ich fixiere mein Hansaplast immer zusätzlich mit Panzertape.
Sieht dann noch brutaler aus.
Vielen Dank für die blumige Schreibe, da wurde mir direkt ein wenig schwummerig 😀
Neulich beim Gurkensalat machen auch zu motiviert gehäckselt, aber so finster wie auf deinen Bildern sah das zum Glück nicht aus 😉
Dieser Beitrag war blutiger als 90% der Filme auf dem Fantasy Filmfest!
Ich finde, es fehlt die Aufnahme der tatsächlichen Verletzung, aber ich bin einfach nicht gestört genug, um in so einer Situation zu denken: Wo ist mein Handy?!
Der wahre Horror spielt sich immer im Kopf ab!