TraumFABRIK Hollywood: Die Wahrheit über Filme vom Fließband
Themen: Film, TV & Presse, Neues |Ich möchte diesen Beitrag mit dem Versprechen und der Hoffnung beginnen, dass ich mich diesmal kurz fassen kann, dass ich beim Konkreten bleibe, statt beim uferlosen Allgemeinen zu landen. Ich ahne aber, dass ich damit unangemessen optimistisch bin. Ich erzähle auf Partys ja auch nicht nur einen Witz…
Wir hatten vor ein paar Wochen das Thema Serials – und es kam zu meiner Freude sehr gut an. Weil ich gestern einen guten Grund fand, beschäftige ich mich heute mal mit einer sehr artverwandten Gattung aus der selben Ära: dem B-Movie.
Es ist kein Geheimnis, dass sich die Definition von B-Movies über die Jahrzehnte verändert hat. Heute steht der Begriff für billigere und meist anspruchslosere Filme, schnell produziert für Kommerz und Entertainment, nicht für Kunst und Erziehung. Die Aufwertung der Gattung durch die Filmkritik hat zu einer Erweiterung geführt – ganz besonders billige und anspruchslose Filme nennt man mittlerweile C-Filme, im Extremfall sogar D- oder Z-Filme. Bodensatz.
Das war nicht immer so, wie man ziemlich gut in der Wikipedia nachlesen kann. “B-Movie” bezog sich zu Beginn der Tonfilm-Ära auf die Rangfolge des Films in der Doppelvorstellung des US-Kinos. Der “A-Film” war die Hauptattraktion, das Star-Vehikel, der Köder für die Dollars. Der vorgeschaltete “B-Film” war die Sättigungsbeilage, die Erfüllung des “2 für 1”-Versprechens. Aus dieser Platzierung ergab sich auch fast zwangsläufig, dass man B-Movies günstiger haben wollte, knalliger (die Leute waren ja müde vom ersten Film), und auch kürzer. Mitunter liefen B-Movies in den 30er und 40er Jahren unter einer Stunde, alles über 75 Minuten galt als kontraproduktiv.
B-Movies waren mehr als nur Lückenfüller. Sie sorgten dafür, dass die Schlote rauchten, dass Sets, Drehorte, Kameras und Requisiten ständig in Gebrauch waren. Die B-Movies waren ein Inkubator für die Stars von morgen – und ein Gnadenhof für die Stars von gestern. Hier verklappten Produzenten ihre Geliebten, hier durften Stuntmen auch mal ein paar Dialogzeilen sprechen. B-Movies bedeuteten Arbeit und ausgeglichene Bilanzen. B-Movies waren das Fundament, das Kiesbett, auf dem Stars und Blockbuster standen.
B-Movies waren teilweise echte Fließbandproduktionen wie die Serials, entwickelt entlang der Möglichkeiten, nicht der Ansprüche. Vorhandene Sets, unbekannte Darsteller, ein paar Schauwerte: waschen, trocknen, föhnen, wiederholen. Hier verdiente sich Hollywood die Bezeichnung TraumFABRIK, hier entwickelte sie das Konzept der Serie, bevor es das Fernsehen gab.
Weil die B-Movies, die auch außerhalb von Doppelvorstellungen in kleineren Kinos einzeln liefen, kein Geld für Stars oder aufwändige Effekte hatten, mussten sie ihre eigenen Franchises etablieren. Und genau darum geht es heute.
Der Unterschied zwischen den B-Movie-Reihen und den Serials ist folgender: Serials wurden am Stück produziert und erzählen eine abgeschlossene Story in 10 bis 15 Teilen. B-Movie-Reihen sind in sich geschlossene Filme begrenzter Länge, die separat voneinander produziert wurden und Themen, Figuren oder Handlungsorte teilen. Vor 80 Jahren wären z.B. die POLICE ACADEMY-Filme eine B-Movie-Reihe gewesen. Am Ende waren sie das genau genommen auch.
Ich will gar nicht die komplette Entwicklung der B-Movies nacherzählen, zumal der Begriff spätestens ab den 70er Jahren komplett verwässert wurde. I blame Corman – der “Gottvater der B-Movies” hat die Umdefinierung im Alleingang vollzogen: dreht er in seinen Anfangszeiten in den 50ern noch “echte” B-Movies für Doppelvorstellungen und Autokinos, wandte er sich später der direkten Vermarktung seiner Filme an kleinere Kinos und auf Video zu. Es gab zu diesen B-Movies keine A-Movies mehr, sie wurden abgekoppelt von ihrer eigentlichen Existenzgrundlage und ihrer Definition. Hollywood kaperte das teenie-taugliche Remmidemmi, um spätestens mit DER WEISSE HAI den Blockbuster zu erfinden, der im Grunde das B-Movie auf einen goldenen Thron stellt.
Seht ihr? Ich schweife schon wieder total ab. Das hier sollte doch nur die Einleitung sein! Seufz. Hier stehe ich nun und kann nicht anders…
Ich erwähnte ja, dass die erfolgreichen B-Movie-Reihen sich ihre Franchises selber bastelten. Eines der frühesten Beispiele war Rin Tin Tin, ein deutscher Schäferhund, der die Popularität seiner Rasse in den USA ungemein steigerte und u.a. dazu führte, dass Schäferhunde vermehrt in der Army eingesetzt wurden. Vergesst Lassie – Rin Tin Tin war “the wonder dog”:
Nun ist das natürlich die perfekte Franchise: der Hund verlangt keine Gagenerhöhung, hat keine Drogen- und Sexskandale und kann nach seinem Ableben durch ein ähnlich aussehendes Tier ersetzt werden. Und genau so kam es auch: während die Hunde nach spätestens zehn Jahren außer Dienst genommen wurden, drehte “Rin Tin Tin” von 1922 bis 1959 – plus spätere Revivals.
Grund für die Popularität war sicher auch die Backstory: der originale Rin Tin Tin war von seinem Besitzer und Trainer vom Schlachtfeld des Ersten Weltkriegs gerettet worden. Er war ein Held genau so, wie er ein Hund war.
Haltet euch fest: in seiner aktiven “Schauspieler-Zeit” von 1922 bis 1931 war der erste Rin Tin Tin Star in 27 Filmen UND 2 Serials!
Oder nehmen wir Mickey Rooney, den hoch talentierten Kinderschauspieler der 30er und 40er, der bis in die 90er Jahre in TV-Serien und B-Filmen mitspielte. Mit sieben Jahren wurde er Star der Kurzfilm-Comedy-Reihe MICKEY MCGUIRE und spielte die Titelrolle in 78 Shorts von 1927 bis 1936. Aber das war nur der Anfang – seine Bestimmung fand Mickey Rooney als frühes Teenager-Idol ANDY HARDY:
In den neun Jahren zwischen 1937 und 1946 drehte er 14 ANDY HARDY-Filme.
Was überrascht: Superhelden und Science Fiction waren in den 30er und 40er Jahren als Serials omnipräsent, als B-Movie-Reihen aber non-existent. Generell waren B-Movies weniger als die Serials auf die Genres Mystery, Horror, SF und Western beschränkt. Da sie im Anschluss an größere Produktionen gezeigt wurden, war ein familienfreundlicherer Ansatz erwünscht.
Das soll aber nicht heißen, dass die B-Movie-Reihen sich nicht fleißig wie die Serials bei spannenden Romanen und Radio-Hörspielen bedienten. Eine ganz besonders erfolgreiche Reihe basierte dabei auf den Charlie Chan-Krimis:
In der Tat – dieser Film spielt (teilweise) bei der Olympiade 1936 in Berlin. Auf viel Lokalkolorit braucht man bis auf zwei, drei “stock shots” nicht zu hoffen.
Auch hier erstaunen die Fakten: mit Warner Oland drehte Fox von 1931 bis 1938 16 Filme über den chinesischen Detektiv. Als Oland starb, übernahm Sidney Toler für weitere 11 Filme bis 1942. Aber damit war die Reihe immer noch nicht am Ende: als Fox abwinkte, übernahm der Hauptdarsteller die Rechte und drehte weitere 11 Chan-Filme in den nächsten zwei (!) Jahren. Dann starb Toler und Roland Winters übernahm die Rolle für die finalen 6 Filme.
Mitgezählt? Das sind 44 Filme in 18 Jahren!
CHARLIE CHAN war so erfolgreich, dass er Fox durch die Weltwirtschaftskrise brachte und eine Art Spin-Off inspirierte – MR. MOTO mit dem aus Nazi-Deutschland geflüchteten Peter Lorre:
In zwei Jahren drehte Lorre acht erfolgreiche MR. MOTO-Filme für die Fox.
Von 1939 bis 1946 wurden zudem 14 SHERLOCK HOLMES-Filme gedreht, in denen Basil Rathbone eine bis heute gefeierte Interpretation des Helden liefert – beginnend mit der Adaption von HOUND OF THE BASKERVILLES als A-Film:
Noch etwas gruseliger wurde es bei der filmischen Umsetzung der INNER SANCTUM-Radiohörspiele, über die mein verstorbener und vermisster Freund Markus im 35mm-Magazin mal einen tollen mehrteiligen Artikel geschrieben hat, den die außerordentlich lobenswerte Redaktion mir (und damit euch) zur Verfügung gestellt hat:
Lon Chaneys finstere Geheimnisse, Teil 1
Lon Chaneys finstere Geheimnisse, Teil 2
Obwohl die Radioserie über 500 Episoden schaffte, war die Filmreihe von Problemen geplagt und für dieses Segment unerfreulich kurzlebig: nur sechs Filme wurden in zwei Jahren produziert. Zu Abwechslung eine Episode aus dem Äther:
Und damit kommen wir langsam zu dem Thema, weshalb ich überhaupt mit diesem Artikel begonnen habe. Es liegt auf der Hand, dass es sehr viele B-Movie-Reihen aus dem Westerngenre gab. Die konnte man rund um Los Angeles mit den immer gleichen Kutschen, Colts und Bretterbuden filmen, ausreichend agile Helden gab es genug, und die Pferdeoper erfreute sich einer breiten Zustimmung in allen Altersgruppen.
Ganz besonders aktiv auf dem Gebiet war Ray “Crash” Corrigan, den wir schon aus dem Serial UNDERSEA KINGDOM kennen. Er war – anders als viele seiner Kollegen – vor der Karriere als Schauspieler kein Sportstar, sondern ein schnöder Fitnesstrainer. Aber einer mit sehr guter Nase für Investitionen: vom Geld seiner B-Movies und Serials kaufte er sich eine große Ranch, die er dann an Filmproduktionen vermietete. Das sollte sich auszahlen, wie wir sehen werden.
Corrigan war Teil einer der erfolgreichsten B-Movie-Reihen mit dem Titel THE THREE MESQUITEERS, in der drei charmante Cowboys in wechselnden Besetzungen Abenteuer erleben. Zwischen 1936 und 1943, also in gerade mal sechs Jahren, drehte Republic unfassbare 51 dieser Cowboy & Indianer-Streifen. Einen der wiederkehrenden Hauptdarsteller könntet ihr kennen:
Jawoll, der “Duke” höchstselbst war vor seinem Durchbruch ein B-Movie-Star.
Wie das so oft ist, verkrachte sich Corrigan aber nach einer Weile mit den Machern, weil ihm die Gage nicht hoch genug war. Er schlug Monogram Pictures vor, eine neue Reihe im gleichen Stil zu produzieren – und zwar auf seiner Ranch, die mit allem ausgestattet war, was man für einen schnellen Dreh brauchte. Tatsächlich heißt es, Corrigan habe durch diese Taktik (Star, Produzent, Vermieter der Location) 50 Prozent des Profits der RANGE BUSTERS-Filme eingesackt. Bei 24 Filmen in den Jahren 1940 bis 1943 sicher ganz lukrativ.
Nun wird den aufmerksameren unter meinen Lesern vielleicht aufgefallen sein, dass ein Großteil dieser Reihen mit der Machtergreifung der Nazis und dem Zweiten Weltkrieg zusammen fiel. Das ließ sich im populären Entertainment nicht nur schlecht verheimlichen, ganz im Gegenteil – die B-Movie-Produzenten stürzten sich auf die Themen Krieg, Spionage und Nazis, denn sie versprachen Gänsehaut beim Publikum und man konnte sich obendrein rühmen, was für die Wachsamkeit des amerikanischen Volkes getan zu haben.
Und das bringt uns zu COWBOY COMMANDOS, einem der letzten und sicher bizarrsten Filme der RANGE BUSTERS-Reihe. Wie immer geht es um Cowboys, die gegen Bösewichte den Colt ziehen, mit ihren Pferden über die Steppe reiten und im örtlichen Saloon einen Whisky trinken. Alles wie gehabt. Gesungen wird auch, denn der “singing cowboy” war damals eine extrem beliebte Figur. Aber die Einblendung des Titels kann den Zuschauer durchaus verwirren:
Es war übrigens dieser Screenshot, der mich zu diesem Artikel inspiriert hat. Ich habe ihn gestern in finsterer Nacht entdeckt und erkannte: ich muss wissen, was dahinter steckt. Wir reden hier von einem Western. Mit Cowboys. Und dem Führer? Da schauen wir doch mal rein. Gleich zu Beginn werden wir Zeugen einer beeindruckenden Reitperformance mit dem damals üblichen Aufruf, die Kriegsanstrengungen der USA durch den Kauf von Anleihen zu unterstützen:
Ganz genau – dieser Film der Reihe wurde tatsächlich deutsch synchronisiert auch bei uns gezeigt. Wann und wo konnte ich leider nicht rausfinden.
Nun mag der eine oder andere Zuschauer einwerfen, dass der Wilde Westen zeitlich ein kleines bisschen VOR dem Dritten Reich zu Ende ging. Die Macher von RANGE BUSTERS stört das nicht – sie tun einfach so, als spiele ihr Western ausnahmsweise in der “Gegenwart”, also den frühen 40er Jahren. Der Beweis? In einer Szene kommt ein Auto vor:
Und im Saloon steht (I kid you not) ein Flipper:
Ansonsten werden alle Westernklischees ungerührt von ihren Anachronismen weiter bedient – nur dass es halt gegen Nazis geht:
Nachdem ich mich ausreichend entgeistert habe, fühle ich mich verpflichtet, den Machern meinen Respekt auszusprechen. Die Eier muss man erstmal haben, einen Western mit Nazis zu drehen, und alle historischen Diskrepanzen mit einem Flipper wegzuwischen (diese Geräte wurden übrigens in den 40ern bis in die 70er als illegales Glücksspiel weitgehend verboten).
Dass solche Filme kein realistisches Bild der Weltpolitik vermitteln? Geschenkt. Das tut TOP GUN: MAVERICK schließlich auch nicht. Wir hatten Cowboys vs. Aliens, Cowboys vs. Dinosaurs – warum also nicht Cowboys vs. Nazis? Was mich auf eine Idee bringt: hatten wir Cowboys vs. Zombies schon? Hmmm…
Im Gegensatz zu den Serials wurden viele der B-Movie-Reihen nach Deutschland importiert, wenn auch gerne als Einzelfilme und ohne jeden Kontext oder Chronologie. Sie waren praktische, billige Lückenfüller für kleine Kinos und späte Sendeplätze. Ich kannte als kleiner Knirps schon Charlie Chan:
Ich meine, dass Basil Rathbone mein erster Sherlock Holmes war – er hat mein Bild des Detektivs bis heute geprägt:
https://youtu.be/rPQJc–nn8k
Ein Wiedersehen mit MR. MOTO – bei den Sprechern höre ich u.a. Ilja Richter:
Es ist mir nicht bekannt, dass es in anderen Ländern eine vergleichbare B-Movie-Kultur gab, die eigene Franchises entwickelte und Dutzende von Filmen über einen kurzen Zeitraum tragen konnte. Manchmal half aber der Staat aus: so beschloss die britische Regierung in den 20ern eine Quotenregelung, nach der Hollywoodfilme Teile ihrer Einnahmen in England investieren mussten. Das führte zu einer Welle an preiswerten britischen Produktionen, die als “quota quickies” bekannt wurden. Diese kann man legitim als B-Movies amerikanischen Zuschnitts bezeichnen.
Als durchaus vergleichbar mit den US-Vorbildern würde ich die Reihe EDGAR WALLCE MYSTERIES bezeichnen, die praktisch zeitgleich zu unseren heimischen Kultkrimis gedreht wurde, aber gerade mal 22.000 Pfund pro Film kostete:
Und was ist mit uns? Hatte Deutschland eigene B-Movie-Reihen? Das ist eine nicht so leicht zu beantwortende Frage, gab es hierzulande doch keinen “gewachsenen” B-Movie als eigene Gattung. Die Trennung war nicht so strikt, was auch bedeutet, dass viele Filme als große Publikumserfolge liefen, die in anderen Ländern als B-Movie-Reihen klassifiziert worden wären. Edgar Wallace, Winnetou, Dr. Mabuse, Jerry Cotton – alles klassische B-Franchises, die in den Kinos aber über lange Zeit wie A-Produktionen vermarktet wurden.
Dem “spirit” der B-Movies ist in meinen Augen am ehesten die KOMMISSAR X-Reihe mit Tony Kendall verbunden:
Aber damit strecke ich das Thema über Gebühr. Ich habe erzählt, was ich eigentlich erzählen wollte. Der Weg dahin war lang, aber ich hoffe, er war auch halbwegs unterhaltsam und lehrreich.
Danke, das war richtig interessant. Charlie Chan und die Holmes-Filme kenne ich auch noch aus dem TV und ich meine auch, John Wayne mal in einem dieser Western gesehen zu haben, aber da könnte mich meine Erinnerung trügen
Geht mir genau so!
Von den alten John Wayne-Dingern liefen ein paar bei Western von Gestern.
Liebe diese ausufernden Exkurse. Überragend.
Ich schließe mich meinem Vorredner an. Danke für das Ausufern 😉
“Was mich auf eine Idee bringt: hatten wir Cowboys vs. Zombies schon?”
Ja, Django war so frei, gegen diese anzutreten:
https://www.imdb.com/title/tt1565441/
Hm. Die Ankündigung von Kürze doch eher ein Schock. Lieben wir doch deine Ausuferungen. Also einfach dabei belassen?
Wann genau kann man dein gesammeltes Wissen als Buch kaufen? 🙂 Mit interaktiven Videos auf den Seiten, versteht sich – wie bei Harry Potter.
Wirklich interessant! Gerade, was “Cowboys vs. Nazis” angeht. Ich meine, mit dem Rathbone-Holmes haben sie das ja auch gemacht, aber eine Schritfttafel davor gestellt, die erklärt, dass Holmes ebenso gut in der Gegenwart leben könnte und wie das aussähe, zeige dieser Film.
Aber es völlig unkommentiert einfach so zu machen, hat schon Stil.
Blöde Frage, aber würde es nicht mehr Sinn machen, den B-Film vor dem A-Film zu spielen? Nach dem Motto:”Das Beste kommt zum Schluß”?
Wann sind eigentlich Vorfilme (ähnlich wie die neulich besprochenen Kinoprogramme) aus dem Kinoerlebnis verschwunden? Ich kann mich dunkel in den 80ern (aber da war ich noch sehr klein) erinnern, daß es damals soetwas noch gab.
Ich glaube, es wäre nicht im Sinne des Kinos gewesen, den B-Film zuerst zu zeigen. Dann wären viele Leute erst störend zum A-Film gekommen und ich meine gehört zu haben, dass es den Betreibern durchaus recht war, dass sich der Saal nach dem A-Film leerte – ob Leute einen oder beide Filme guckten, konnte dem Kino ja wurscht sein, solange sie zahlten. Der Vorfilm war in Deutschland immer nur ein sporadisches Phänomen. Das hängt sicher auch damit zusammen, dass wir (im Gegensatz z.B. zu den Engländern) vor den Filmen viel Werbung zeigen. Mein letzter Vorfilm dürfte in den 80ern der legendäre “Der Hahn ist tot” gewesen sein. Vor 13 Jahren habe ich mal über diese Reihe geschrieben. Der Regisseur hat dann in den 90ern die Serie MATCHBALL mit Howard Carpendale inszeniert.
“Und was ist mit uns? Hatte Deutschland eigene B-Movie-Reihen? ” würde ich eher zu “hatten andere Länder als die USA eigene B-Movie-Reihen?” umformulieren. Was bei uns gut lief, wäre dort sicherlich B-Wäre gewesen, aber ich glaube nicht,dass dies auch noch für weitere Länder gilt. Spanien, Italien, Japan waren ja in der gleichen Situation und ich habe deren Produktionen zumindest bis Ende der 80er durchaus als A-Produktionen in der hiesigen Vermarktung in Erinnerung.
Ich meine auch, noch dunkel zu erinnern, dass Frankreich für kurze Zeit eine mit den USA vergleichbare B-Serial-Kultur hatte, Quelle und Beispiele wollen mit aber nicht einfallen.
Das sehe ich schlicht nicht so. Was in den USA B gewesen wäre, kann hier A gewesen sein – und darum definiert sich der deutsche B-Film am hiesigen A-Film und nicht an seiner Wahrnehmung woanders.
Aber die fraglichen Reihen (Edgar Wallace, Karl May usw.) waren ja hiesige A-Filme. Klammert man die Wahrnehmung woanders aus, sind das klare A-Filme. Nimmt man die Wahrnehmung mit rein, dann meines Erachtens eben auch, mit den USA als einziger Ausnahme.
Definiert man das als deutschen B-Film, macht man gerade das Gegenteil und nimmt die amerikanische Wahrnehmung als Maßstab.
“Aber die fraglichen Reihen (Edgar Wallace, Karl May usw.) waren ja hiesige A-Filme.” – das eben nicht. Besonders die späteren Filme der Reihen waren auch nach deutschem Maßstab klare B-Produktionen. Aber niemand nannte das so, weil wir diese Aufteilung nicht kennen.
Sehr interessanter Beitrag über die Geschichte des B-Movies. Ich wusste tatsächlich bisher noch nicht, woher der Begriff kommt.
Und wenn es Cowboys vs Zombies wirklich noch nicht gibt, dann brauchen wir das auf jeden Fall! Im Videospiel-Bereich haben wir das auch schon: RED DEAD REDEMPTION hat einen Zombie-DLC.
Würde man nicht die Lümmel oder zumindest die Report Filme als B-Movie bezeichnen?
Gutes Argument. Theoretisch ja. Aber der erste Schulmädchen-Report war mit weitem Abstand der erfolgreichste Kinofilm des Jahres 1970. Es waren halt A-Erfolge. Die zehn erfolgreichsten deutschen Filme 1970 sind sowieso sehr aufschlussreich:
Schulmädchen-Report: Was Eltern nicht für möglich halten
Oswalt Kolle: Dein Mann, das unbekannte Wesen
Wenn die tollen Tanten kommen
Wir hau’n die Pauker in die Pfanne (Die Lümmel von der ersten Bank 5. Teil)
Dr. Fummel und seine Gespielinnen
Hurra, unsere Eltern sind nicht da
Josefine Mutzenbacher
Liebestechnik für Fortgeschrittene
Musik, Musik – da wackelt die Penne
Nachbarn sind zum Ärgern da
Nicht fummeln, Liebling
Unsere Pauker gehen in die Luft
Verbotene Sexualität
Echt jetzt???
Mann, die Prä-Internet-Zeiten waren hart. Da mussten Mama und Papa noch ins Kino gehen, um die Filme zu sehen, die dafür sorgen, dass sie sich besonders lieb haben.
Sehr interessant, vielen Dank dafür. Zum Phänomen des Hollywood B-Films lassen sich natürlich dicke Bücher schreiben, das ist wirklich pralle Kinogeschichte. Spontan dachte ich übrigens, dass der B-Film in einem klassischen (1930/1940er Jahre) double feature immer VOR dem Hauptfilm lief, eine kurze Recherche ergab: ja, das war der Fall, siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Double_Feature.
Der Eintrag sagt nichts über die Reihenfolge der Filme aus. Meine Quellen sind nicht eindeutig. Es mag auch sein, dass das von Region zu Region und Kino zu Kino unterschiedlich gehandhabt wurde.
ah sorry, in der englischsprachigen Version steht die Reihenfolge: “In the typical 1930s double bill, the screening began with a variety program consisting of trailers, a newsreel, a cartoon and/or a short film preceding a low-budget second feature (the B movie), followed by a short interlude. Lastly, the high-budget main feature (the A movie) ran”. Und da die Filme in dieser Zeit in Kinos liefen, die ja ohnehin den Major Studios selbst gehörten (bis dies 1948 gerichtlich verboten wurde und somit das Studiosystem sich auflöste), wurde das auch einheitlich gehandhabt, je nach Studio. Den B-Film nach dem Hauptfilm abspielen macht auch weniger Sinn als umgekehrt: Läuft der Hauptfilm vor dem B-Film, würden diesen ja weniger Leute sehen, nehme ich an.
Du hast prinzipiell Recht und ich werde den Text entsprechend anpassen, aber ganz so einfach ist es eben doch nicht. Praktisch alle meine Quellen sprechen davon, dass die B-Filme separat für Pauschalen gebucht wurden und die Kinobetreiber sehr wohl starke Freiheiten bei der Programmgestaltung hatten, um ihren Gewinn zu maximieren – so wurden auch gerne mal zwei B-Filme gekoppelt. Bei der Reihenfolge der “double bill” war das ähnlich. Aber wie gesagt: grundsätzlich hast du Recht. Danke für den Hinweis.
Supergerne, ein faszinierendes Thema. Du hast es tatsächlich fertiggebracht, dass ich gestern noch mal in diverse meiner alten Filmbücher geschaut habe, um mehr Belege zu finden. Tatsächlich wurde und wird immer sehr viel über die Produktionsgeschichte im Hollywood Studiosystem geschrieben, aber sehr wenig bis gar nichts über die Distributions- oder Kinogeschichte – wer noch ein Thema für eine Promotion in Filmgeschichte sucht, there you go 😉 Tatsächlich galt diese festgelegte Reihenfolge des double bill eher für die “guten” Kinos in den grossen urbanen Zentren, nicht aber für die “grind houses” am falschen Rand der Kleinstadt im Mittleren Westen oder deep in the heart of Dixie – denn diese waren ggf. gar nicht an die Major Studios gebunden, als sogenannte “unaffiliated” Kinos. Alles in allem ein Riesenthema, wir könnten darüber ein Buch schreiben oder einen Podcast machen – vielen Dank für die Inspiration! Wer noch mehr wissen möchte, sehr interessant ist auch das Thema “block booking”: Die Kinobetreiber wurden gezwungen, ihnen unbekannte B-Filme zusammen mit einem A-Film zu buchen, Monate im Vorhinein, ach, es nimmt kein Ende…
Genau so sehe ich das auch – das Thema ist auch deswegen interessant, weil es hier keine äquivalenten Systeme gab.