17
Mrz 2022

Das Problem (mit) Louis C.K.

Themen: Film, TV & Presse |

Das hier sollte eigentlich nur eine kleine Konzert-Kritik werden. Aber schon beim Kauf der Karten war mir klar, dass das wahrscheinlich nicht reichen würde. Weil man schlicht nicht unkommentiert stehen lassen kann, dass ich mich fragte, ob irgendwer zur Performance eines der besten und popluärsten Stand Up-Komiker der letzten 20 Jahre kommen würde – oder ob es womöglich feministische Störaktionen geben würde.

Es ist auch auffällig, dass einer meiner Facebook-Freunde die Ankündigung der deutschen Auftritte von Louis C.K. dergestalt kommentierte:

“Ach, ist der schon wieder rehabilitiert?”

Die nachfolgende Diskussion machte klar, dass Louis C.K nichts, aber auch gar nichts tun kann, um bei bestimmten Leuten je wieder rehabilitiert zu werden.

Es ist ein absurder “fall from grace”. Louis ist nicht nur ein großartiger Comedian, er ist auch ein begnadeter Drehbuchautor, Produzent, Regisseur und Schauspieler. Er hat große Mengen Geld für wohltätige Zwecke gespendet, hat junge Komiker (männliche wie weibliche) gefördert und über seine Webseite auch immer mal wieder spannende neue Vertriebsmodelle ausprobiert.

Ich kenne niemanden, der die Hilflosigkeit, die Überforderung, die Ratlosigkeit des modernen großstädtischen Mannes in der “midlife crisis” derart perfekt artikulieren kann. Das zieht sich durch sein ganzes Werk, von der noch sehr kantigen Sitcom LUCKY LOUIE bis zur Dramedy LOUIE, die für mich einen der TV-Höhepunkte dieser Generation darstellt. C.K. spielt darin eine fiktionalisierte Version von sich selbst, einen halbwegs erfolgreichen Komiker, der immer noch das Scheitern seiner Ehe, die Sorgerechtsverteilung der Töchter, und die Probleme des modernen Datings jongliert.

Der Umgang der Figuren miteinander ist dabei unfassbar authentisch, weich, plausibel, wenn z.B. seine Tochter erklärt, warum sie lieber bei der Mama ist:

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Oder die Szene am dritten Staffelende – Louie ist an Silvester allein, hat keine Perspektive, ist vom Leben überfordert und ausgelaugt. Er packt seine Sachen, will irgendwo hin fliegen – irgendwas machen, nur nicht allein daheim sitzen. Und dann trifft er im Bus Liz, mit der er vor ein paar Monaten ein interessantes, aber ihn völlig überforderndes Date hatte:

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Wie es weitergeht? Louie fliegt spontan nach China, wandert ziellos durch Vororte, bis er irgendwo am Stadtrand einen Fluss findet, nach dem er gesucht hat – der sich als kaum mehr als eine Pfütze herausstellt. Eine chinesische Familie greift ihn auf, lädt ihn zum Essen ein. Ein Wendepunkt: Umgeben von Menschen, die er nicht versteht und die ihn nicht verstehen, findet er das erste Mal seit langer Zeit wieder Verständnis und die Erfüllung seiner Bedürfnisse.

LOUIE ist voll von solchen brillanten, warmen Momenten – als Louie einmal eine seine Tochter in der New Yorker U-Bahn verliert, ist seine Panik spürbar. Es ist nicht nur die Angst um das Wohl des Kindes. Es ist auch die Angst des Mannes, als Vater versagt zu haben.

Oder nehmen wir die Folge, in der sich eine Comedienne in Louie verliebt – aber obwohl er selber deutlich übergewichtig ist, gilt auch für ihn die Regel: I don’t date fat chicks. Die folgende Aussprache ist schmerzhaft und allgemeingültig. Sie schlug in den Medien hohe Wellen und wurde allenthalben gelobt:

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Man darf also legitim fragen: WHAT THE FUCK HAPPENED?

Ganz einfach: Louis C.K. (also die reale Person) hat einen “kink”, eine sexuelle Vorliebe. Die kann man unappetitlich finden, ekelhaft sogar, aber sie ist weder besonders selten, noch besonders extrem, noch besonders aggressiv. Es klingt albern, wenn man es aufschreibt: Louis C.K. masturbiert gerne vor Frauen. Wir erinnern uns. Aber anders als zwanghafte Exhibitionisten macht er das bei Frauen, die er kennt, und die er vorher fragt, ob es okay ist.

Man muss das klar sagen: Louis hat sich nie einer Frau aufgedrängt. Er hat keine Frau gegen ihren Willen angefasst oder nach irgendeiner Definition missbraucht. Er hat nichts mit Kindern, er ist kein Vergewaltiger, nichts an seinen Handlungen war oder ist illegal. Masturbation vor Frauen ist halt “sein Ding”.

Das Problem: Die Vorliebe kam auf dem Höhepunkt der woke/ cancelc ulture/ metoo-Welle raus und wie Al Franken wurde Louis C.K. radikal abgesägt. Die Tatsache, dass er keiner Frau ungefragt etwas angetan hatte, war dabei irrelevant. C.K. wurde in einen Topf geworfen mit Harvey Weinstein, steht heute noch neben Armie Hammer, R. Kelly, Bill Cosby und Bill O’Reilly in der “Hall of Shame”.

Seine Serie wurde eingestellt, alle weiteren Projekte abgebrochen, selbst die Leute wandten sich von ihm, die ihm wirklich alles zu verdanken hatten – was der Grund ist, warum ich heute noch nicht gut auf Tig Notaro zu sprechen bin.

Mich fasziniert und ekelt, wie eine Kultur, die sich sexuelle Selbstbestimmung und das Recht auf den Fetisch auf die Fahnen geschrieben hat und dieses jedes Jahr mit zügellosen Sexparaden feiert, einen Komiker absägen kann, dessen “Verbrechen” es ist, sich gerne beobachtet einen runterzuholen. Ist DAS auf einmal die “rote Linie”? Muss die Gesellschaft DAVOR geschützt werden?

Natürlich nicht: Louis C.K. war angreifbar, weil er weiß, männlich und heterosexuell ist. Wäre er schwarz oder homosexuell oder eine Frau – man hätte die selben “Enthüllungen” mit einem schulterzuckenden “jedem Tierchen sein Pläsierlichen” abgetan. Mehr noch: “good for him”. It takes all kinds.

Aber C.K. gehört zu keiner Randgruppe, er wird nicht unterdrückt, er hat keine Lobby. Er ist ein weißer, bierbäuchiger Hetero, der zum Abschuss freigegeben wurde. Die Frauen, mit denen er zu tun hatte, gaben plötzlich alle zu Protokoll, “irgendwie unangenehm” sei das schon gewesen. Und das reicht heute bereits aus, um gesellschaftlich geächtet zu werden. Nach “I am offended” ist “it makes me uncomfortable” die schärfste Waffe der Bewegung, denn sie dämonisiert ein beliebiges Verhalten völlig unabhängig von der Frage, ob es illegal oder verdammenswert ist.

Vielleicht ist genau das die Quintessenz des “Skandals”, die Meta-Ebene zu Louis’ “comedy persona”: als mittelalter weißer Mann bist du in dieser Gesellschaft oft nicht nur überfordert und hilflos, du bist auch eine bequeme Zielscheibe. Louis ist Louie, konsequent zu Ende gedacht.

Diese Zeilen sollten klar machen, auf welcher Seite ich stehe. Louis all the way. Auch wegen der umfassenderen Implikationen: wenn DAS reicht, um einer Person das Leben, die Karriere und den Beruf zu vernichten, dann ist niemand mehr sicher. Tomorrow it could be you. Jeder hat eine Leiche im Keller, über die sich bloß jemand ausreichend medial empören muss.

Mittlerweile hat sich Louis C.K. halbwegs gefangen. Er geht wieder auf Tour, sucht sich das Publikum neu jenseits der Kreise, für die er auf ewig “so eine Art Vergewaltiger” sein wird. Und genau deshalb ist er auch gerade in Europa unterwegs – hier ist der Griff der SJW-Bewegung noch nicht so eisern, hier muss er nicht fürchten, von selbstgerechten Vertretern des Tugendfurors auf Schritt und Tritt bepöbelt zu werden.

Und trotzdem war ich nervös. Ich hatte im Vorverkauf Bestkarten (vierte Reihe Mitte) problemlos bekommen – war zu erwarten, dass der Saal halb leer bleiben würde? Wer genau würde überhaupt kommen? Hierzulande ist C.K. ja keine etablierte Größe. In einer ganz kleinen Ecke meiner Seele kaufte ich die Karten auch, um im Fall eines Zwischenfalls auf der Seite des Mannes stehen zu können. Ihr kennt mich: ich mach das.

Also fanden die LvA und ich uns gestern Abend an der alten Kongresshalle hinter der Theresienwiese ein – einem modernisierten Viertel, das ich in meinen 30 Jahren in München noch nie gesehen hatte, aber definitiv künftig häufiger frequentieren werden.

Vor der Halle schon mal erste Entwarnung: lange Schlangen. Das Interesse an Louis C.K. offensichtlich groß. Das Publikum jung. Studenten größtenteils, würde ich sagen. Es wird viel englisch gesprochen. Muss ja auch.

Es wird mehrfach darauf hingewiesen, dass jede Verwendung elektronischer Geräte im Saal einen Rausschmiss zur Folge haben wird – fürchtet man doch Störer, die ihre “Aktion” dann in den Sozialen Medien stolz präsentieren möchten?

Ein Foto, bevor es losgeht, dann kommt das Handy in die Jacke.

Ich mache es kurz: Falscher Alarm. Der Saal ist voll, die Stimmung gut (allerdings tragen erschreckend viele Besucher trotz Aufforderung keine Maske). Drei Warm-Upper bringen mit jeweils zehn Minuten das Publikum auf Temperatur, bevor gegen 20.30 Uhr Louis C.K. die Bühne betritt.

Er ist deutlich älter geworden, als die fünf Jahre seit dem Skandal erlauben sollten. Der Gang etwas schlurfig, die Haare komplett weiß. Dabei ist er in meinem Alter. Schlurfe ich auch? Ein bisschen sieht er aus wie Hanns Dieter Hüsch. 75 Minuten lang zieht er vom Leder. Viel rüdes Material über Mord und Totschlag, Sex und Alter. Knappe Stücke ohne roten Faden, immer wieder Haken schlagend, Themen wechselnd. Kein Verweis auf das Durchlebte, keine verbitterte Abrechnung mit seinen Kritikern. C.K. ist ein Vollprofi – was man auch daran merkt, dass er über den gemeinsam erlebten Humor hinaus keine Beziehung zum Publikum aufzubauen versucht. Er ist nicht Chris de Burgh.

Die Zuschauer hat er schnell und dauerhaft im Griff, die Zeit vergeht wie im Flug, zur Zugabe gibt es teilweise Standing Ovations. Es wirkt aber nicht so, als ob jemand rehabilitierend klatscht. Der Applaus gilt nur der Performance.

Ein toller Abend mit einem Komiker, der einen breiteren Erfolg immer noch verdient hätte, auch wenn er ihn nicht bekommen wird. Weil ein Comeback bedingen würde, dass genau die Menschen ihr Fehlverhalten einsehen, deren Tagewerk daraus besteht, immer nur das (vermeintliche) Fehlverhalten anderer Menschen zu verurteilen.

Das Problem mit Louis C.K.? Es gibt kein Problem mit Louis C.K..  Und so lange Louis C.K. was produziert, bekommt er mein Geld dafür. Isso.

P.S.: Die präziseste Erkenntnis “to go” kam an diesem Abend aber vom ersten Warm-Upper, der sehr schön (und meiner eigenen Argumentation nicht unähnlich) erklärt hat, warum er mit Klimawandel-Leugnern nicht diskutiert: “I don’t know shit about the climate. Believe me: wrong information always beats no information.”



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John
John
17. März, 2022 18:57

Geht’s denn nur so “ganz oder gar nicht”-mäßig? Ich mag Louis CKs Zeug auch sehr gerne, wäre auch fast zu der Show gegangen (und war nur aus Pandemiegründen nicht, siehe “Leute ohne Maske”) und finde es TROTZDEM problematisch, pauschal zu sagen, es gäbe “kein Problem” mit CK. Das würde ich nämlich zuerst einmal den Betroffenen überlassen zu definieren, ob es ein Problem mit ihm gibt, und als supermächtiger Übercomedian kriegt man halt evtl. “Genehmigungen” zum Masturbieren, die nicht ganz koscher sind. What do I know.

Aber natürlich heißt das nicht, dass nicht auch er sich rehabilitieren könnte, und dass man nicht evtl. sogar Künstler und Werk trennen kann. Ich würde auch Woody-Allen-Filme noch gucken, wenn sie lustig wären, und hin und wieder höre ich sogar Musik von Michael Jackson. Künstler müssen keine fehlerfreien oder moralisch höherstehende Wesen zu sein – deswegen kann man aber ihr Verhalten doch trotzdem kritisieren?

Thomas G. Liesner
Thomas G. Liesner
17. März, 2022 19:05
Reply to  John

Es wäre mir nicht bekannt, dass von Gewalt oder Erpressung die Rede war, und es geht um volljährige geschäftsfähige Frauen. Ist es wirklich zuviel von diesen verlangt, so ein Angebot abzulehnen, wenn man kein Mastrubationsfan ist? Der Fetisch ist im Rahmen sexueller Interessen sehr harmlos, er geht die Öffentlichkeit sowieso nichts an, von daher sehe auch ich keine Notwendigkeit für irgendeine Form von Rehabilitation in diesem Fall.

Volker
Volker
17. März, 2022 20:02
Reply to  John

John, wie hätte Louis sich verhalten müssen um keinen Ärger zu bekommen?

robert
robert
18. März, 2022 21:02
Reply to  John

Was genau ist denn das Problem mit Michael Jackson?
Nach einschlägiger Recherche Lesen des Wikipedia Artikels wirkt auch das auf mich nach einem Medienskandal, und nicht nach einem Kinderschänder.
Keiner der Vorwürfe wurde gerichtsfest belegt, sondern es war oft so, dass sich die Ankläger in Widersprüche verstrickt haben, oder Schilderungen nachweislich falsch waren.

Viele der Beteiligten haben später zugegeben, dass sie es nur des Geldes wegen gemacht haben.

MJ hatte psychische Probleme, aber nach der aktuellen Quellenlage hat er sich nicht an Kindern vergangen.

Lutz
Lutz
17. März, 2022 23:42

Neben dem Zeitpunkt ist das große Problem von Louis CK meiner Meinung nach, die mangelnde Trennschärfe zwischen der realen Figur Louis CK und die Kunstfigur, die in dieser Form ja auch absolut gewollt ist. Louis hat seine Karriere in gewisser Weise als Unsympath aufgebaut und das macht es leicht, diese Vorwürfe für diese Person anzunehmen und erfordert im Gegenzug wesentlich mehr Anstrengunden, sich erstmal emotional davon zu distanzieren als wenn er Americas Darling gewesen wäre (darum dauerte der Niedergang von Cosby ja auch so lang).

Ich finde auch, dass es übertrieben ist, auf dieser Sache ewig rumzuhacken und Die Härte, mit der das Ganze damals explodiert ist, erschien mir von Anfang an bedenklich, aber ich finde trotzdem, dass du es zu einfach machst, wenn du sagst, dass er nichts Schlimmes gemacht hat.

Louis hat zumindest ein Problem damit gehabt, Einverständnis für seine Aktionen einzuholen. Da sind auf seiner Seite schon starke Defizite sichtbar, die Situation, in der er und die jeweiligen Damen sich befanden, richtig einzuschätzen. Mehrere Personen, und dazu gehören nicht nur solche, die ihm sein Verhalten vorwarfen, sondern zum Beispiel auch Sarah Silverman, die ihn als seinen Freund sieht und seine Aktion nicht als Belästigung betrachtete, beschreiben, dass Louis die Frage, ob er seinen Schwanz rausholen und vor Ihnen wichsen kann, überraschend in Momenten anbrachte, in denen dieses Level an Intimität aus Ihrer Sicht nicht in Entferntesten erreicht war. Diese Art von Überrumpelung ist schon problematisch, und einfach zu denken: “Sie hätte ja nein sagen können, wenn sie nicht will”. greift meiner Ansicht nach zu kurz. Entweder hat LouiS geringe Fähigkeiten darin, die Lage einzuschätzen oder er nutzt diese Überrumpelungstaktik absichtlich, um seinen Kink gezielt ausleben zu können. In beiden Fällen kann das dann schon von den betreffenden Personen glaubhaft als sexuell belästigendes Verhalten wahrgenommen werden

Ich finde es problematisch, jede Form von sexueller Belästigung gleichzusetzen, ebenso wie ich es problematisch finde, jede Person, die irgendeine Form von sexuelle Belästung erlebt hat, als “Survivor” zu bezeichnen (oder überhaupt irgendeine Person, deren Leben nicht direkt bedroht wurde), aber harmlos ist das nicht – vor allem, wenn die andere Person ein Authoritätsgefälle wahrnimmt, dass Louis nicht gesehen haben will.

Das ist freilich kein Grund, die Sache in dem Maße aufzublasen, in dem es geschehen ist. Das Problem ist, dass “Gras über eine Sache wachsen lassen” ein stiller Vorgang ist, während die Aufschreie in sozialen Medien, die diese Cancelei betreiben, eben sehr laut sind. Eim vernünftiges Übergehen zur Normalität wird eben erschwert, sobald man von einem Brüller gezwungen wird, doch wieder öffentlich Stellung zu beziehen, warum man den Prominenten X auf einmal wieder unterstützt.

Réne
Réne
18. März, 2022 09:20
Reply to  Torsten Dewi

“Und ja, CK hat sicher in seinem Fetisch gerne mal über die Stränge geschlagen – was bei einem Fetisch aber auch der Normalfall ist, denn die Natur einer solchen Neigung besteht darin, dass man jemanden damit konfrontiert, der sie vermutlich nicht hat.”

Dann haben wir den “seltsamen, aber harmlosen Kink” aber längst hinter uns gelassen und sollten so ein Verhalten stärker kritisieren als mit einem schulterzuckenden “Hat halt über Stränge geschlagen”

“Solange keine tatsächliche körperliche Übergriffigkeit vorliegt und die Frauen einfach jederzeit hätten “lass mal gut sein” sagen können, sollte das – im Sinne ALLER Menschen und ihrer privaten Sexualität – diskret gehandhabt werden.”

Torsten, in aller Sympathie, kannst du dir denn wirklich keine Situationen vorstellen, in denen eine Frau technisch gesehen Nein sagen “könnte” und ihr trotzdem alle möglichen Steine in den Weg gelegt wurde, damit sie das nicht macht? Hast du dich noch nie im Leben zu einem Ja oder stillschweigender Zustimmung gezwungen gefühlt? Wurdest du noch nie überrumpelt?

Last edited 2 Jahre zuvor by Réne
Réne
Réne
18. März, 2022 09:39
Reply to  Torsten Dewi

Ich finde den von dir gezeigten Mangel an Problembewusstsein verstörend. Gerade wenn es um Angelegenheiten geht, in denen man sich nur schwer in die Gegenseite versetzen kann (ich bin nunmal keine Frau in einem Abhängigkeitsverhältnis zu einem Mann) sollte man vielleicht einsehen, dass hier ein extra vorsichtiges, sensibles Denken vonnöten ist. Dass hier vielleicht die Perspektiven Anderer Priorität über die eigene Betrachtung haben sollte.

Und mit Verlaub, was der korrekte Umgang mit einem Trauma ist entscheidet der betroffene Mensch in Zusammenarbeit mit einer psychologischen Fachperson.

Feivel
Feivel
18. März, 2022 10:02
Reply to  Réne

Ich fühle mich von deinem Beitrag getriggert und auch ein Stükck weit traumatisiert, René. Ich und meine psychologische Fachperson (sic) finden, dass du nicht mehr öffentlich in Blogs posten solltest. Du Monster.

Réne
Réne
18. März, 2022 09:12
Reply to  Lutz

Du bringst es auf den Punkt.

Louies Verhalten damals bewegt sich in einer Grauzone. Was einfach nicht nötig gewesen wäre: Sein Kink, für dem man ihm natürlich keinen Vorwurf machen kann, würde sich auch ausüben lassen auf eine Weise, die 100% unproblematisch ist. Wer die, ich nenn sie mal sträftlich vereinfacht, “Woke-Kultur” etwas kennt, weiss wie sie das Feiern von Kinks, von Diversität, vom Spiel mit Genderidentitäten etc. schon *immer* verbindet mit einem sehr sorgfältig geführten und aufgeklärten Diskurs über Consent und Machtdynamiken (Ich mein die haben sogar Apps für sowas).
Was vielleicht teilweise erklärt, weshalb gerade diese Ecke so heftig reagiert hat auf jemanden, der beim Ausüben seines Kinks dermassen unverantwortlich vorgeht wie Louis C. K. (siehe auch den Aufschrei der BDSM Community auf “50 shades of grey” und das unverantwortliche und schlicht falsche Bild, dass dieses Buch auf ihr “Hobbie” wirft)

Last edited 2 Jahre zuvor by Réne
Réne
Réne
18. März, 2022 09:27
Reply to  Torsten Dewi

“Krank und ungesund”
Kannst du das ausführen? Finde ich eine recht krasse Aussage, aber ich hoffe, ich hab da nur was falsch verstanden.

Feivel
Feivel
18. März, 2022 10:10

Der Titel hat mich ja hart getriggert. Et tu, Torsten? Inhaltlich dann aber volle Zustimmung, der Umgang mit CK war reiner Antifeminismus: Die armen Frauen müssen vor dem bösen Penismann beschützt werden. Und erfolgreiche Leute sollten überhaupt gar nie mehr Sex haben, weil Machtgefälle. Da ist man ja direkt dankbar, nicht erfolgreich zu sein..

Wirklich traurig ist es für mich um “Louie” – da hätte es gern noch eins, zwei, zehn mehr Staffeln von geben dürfen.

Eine Anmerkung:
“Kein Verweis auf das Durchlebte, keine verbitterte Abrechnung mit seinen Kritikern.”
Er hat das in seinem ersten Programm nach dem “Skandal” verarbeitet (https://youtu.be/LOS9KB2qoRI?t=67). Aber auch da trifft die zweite Hälfte deines Satzes voll zu.

Mencken
Mencken
19. März, 2022 15:13

Zumindest hat Louis C.K. selbst sein Verhalten ja durchaus als falsch und problematisch bewertet und sich dafür mehrfach öffentlich entschuldigt. Ansonsten wäre er vielleicht auch unbeschadet oder zumindest deutlich weniger belastet aus der Sache rausgekommen.

DSFARGEG
DSFARGEG
21. März, 2022 01:02

Ich hab diese ganze Geschichte damals gelesen und dachte „Eww!“. Nicht wegen des Kinks, wohl aber wegen der mindestens fragwürdigen Art, mit der er sich das Einverständnis seiner, äh, Zuschauerinnen geholt hat. Es fällt mir immer schwer, Künstler und Werk voneinander zu trennen, und ich will nicht an diese Nummer denken müssen, wenn ich mich abends vor den Fernseher setze. Und dann guck ich halt was anderes. Ist ja nicht so, dass wir in einem Zeitalter der Entertainment-Knappheit leben würden.

John
John
21. März, 2022 14:50

Hahaha, Thomas, Volker, Robert – mehr muss ich über die Diskussion hier nicht wissen! *lacht in alter weißer Mann* *ab*

Mina Knallenfalls
Mina Knallenfalls
22. März, 2022 10:25

Ich könnte dir gar nicht mehr zustimmen als ich es hiermit tue.

Ich bin ein großer Freund größtmöglicher Toleranz. Meinetwegen kann jeder und jede und jedes andere, was es gibt, es mit jedem und jeder und jedem anderen, was es gibt das machen, was einvernehmlich gewünscht ist – sofern die Fähigkeit zu Einvernehmen bei allen Beteiligten vorhanden ist.

Ich gönne allen alles und fühle mich generell erstmal nicht belästigt. “Macht, was ihr wollt” ist die Grundannahme. Die beinhaltet in der Tat dann aber ich “Ich mach, was ich will.”

Und genau da versagt bei vielen der gar so Toleranten die Toleranz. Eine gaye Person of Colour (ich mache mich darüber nicht lustig, ich schreibe es so neutral es geht) darf eben genauso Fetische ausleben wie ein weißer heterosexueller Mann, wie ich es auch bin.

Jemand masturbiert gerne vor Frauen. Nun ja. Ich masturbiere auch, und habe es auch vor Frauen getan. Seit einigen Jahren nur noch vor einer, davor aber tatsächlich auch mal vor zweien gleichzeitig. Das ist verdammt nochmal kein Übergriff, wenn es nicht eindeutig irgendwie erzwungen wird.

Ich finde es tragisch, aber auch falsch, dass er sich entschuldigt hat. Vielleicht dachte er, es wäre hilfreich – ich glaube, das war eine Fehleinschätzung.

Jemand hat ohne jemandem anders zu schaden seine Sexualität ausgelebt. Das ist genau das, wofür die, die ihn “gecancelt” haben, so lange eingetreten sind. Wenn das nun wieder nur für die Sexualität bestimmter Menschen gilt, dann sind wir kein bisschen vorwärts gekommen, sondern stehen nur auf einer anderen Spur.

Mencken
Mencken
24. März, 2022 14:06
Reply to  Torsten Dewi

Ich würde die CSDs eher als Bestätigung sehen.

Mina Knallenfalls
Mina Knallenfalls
24. März, 2022 15:27
Reply to  Torsten Dewi

Ich bin ja größtenteils bei dir, aber es gibt aus meiner Sicht ein Aber: Es ist ein Unterschied, um jemand mir seine oder ihre Sexualität in einer Vier-Augen-Situation aufdrängt oder in einer Hunderttausende-Augen-Situation.

Zwischen den Selbstdarstellern auf dem CSD und dem ja zumindest denkbaren zufälligen Betrachter entsteht keine Nähe, keine Intimität, auch keine möglichen zwischenmenschlichen Konsequenzen. Zwischen zwei Menschen ohne andere drumherum eben schon.

Für mich wäre es was völlig anderes, wenn eine mir fremde Frau auf einem Paradewagen z.B. masturbiert oder wenn eine mir bekannte Frau dies in einem persönlichen Treffen tut oder zu tun vorschlägt. Letzteres verlangt von mir irgendeine Reaktion, und setzt mich unter Druck, deren Folgen abzuschätzen. Derartige Folgen gibt es beim CSD nicht.

Darüber hinaus empfinde ich das Ganze beim CSD zwar mitunter auch als etwas drüber – aber eben durch die ewig lange massive und immer noch existente Unterdrückung bestimmter Formen von Sexualität. Das bricht da alles frei.

Und, ja, wen’s stört, der kann es meiden.

Mina Knallenfalls
Mina Knallenfalls
25. März, 2022 13:09
Reply to  Torsten Dewi

…die heutige Generation an Schwulen ist mit teilweise mehr Freiheiten und Rechten aufgewachsen als die Heteros unserer Generation…

Ja, äh, klar, wenn in einer Stadt in Deutschland in ein weltoffenes Elternhaus geboren, dann ist das wohl so. Aber das sieht in vielen ländlichen Gegenden anders aus, das sieht in den meisten Ländern auch Europas anders aus, und das sieht immer anders aus, wenn das engste Umfeld andere Erwartungen an die Menschen hat.

Wir sollten nicht den Fehler machen, die tatsächliche Lebenssituation von Schwulen und Lesben mit der uns medial vorgegaukelten Situation einiger im globalen Vergleich privilegierter Example in Berlin oder Köln zu verwechseln.

Mina Knallenfalls
Mina Knallenfalls
25. März, 2022 15:07
Reply to  Torsten Dewi

Aber wo beginnt denn “aggressiv performte Sexualität”? Bei der CSD-Veranstaltung, bei der ich mal war, war recht viel nackte Haut, aber recht wenig darüber hinaus zu gehen. Mal ein Zungenkuss, mehr eigentlich nicht.

Jeden Abend seh ich im Fernsehen mehr sexuelle Aktivität, und jede Woche in der Sauna mehr nackte Haut.

Aber selbst wenn du da mehr gesehen hast oder mehr vermutest: Wenn das den “Performenden” was gibt, warum nicht? Welchen Schaden hast du? Außer dass du dich damit schwertust?

Ich z.B. tu mich mit Übergewichtigen schwer. Das ist aber mein Problem, nicht deren.

Mencken
Mencken
24. März, 2022 22:19
Reply to  Torsten Dewi

So hatte ich das auch verstanden. Ich sehe es eben umgekehrt, der bei CK angewandte Maßstab sollte auch beim CSD gelten.

Daniel Heisig-Pitzen
Daniel Heisig-Pitzen
5. April, 2022 19:23

Vielleicht interessant in diesen Zusammenhang:

https://www.zeit.de/gesellschaft/2022-04/louis-ck-comedy-maenner-feuilleton-podcast

(Selbst nicht gehört)

VG

jimmy1138
jimmy1138
5. April, 2022 20:26

Louis CK hat übrigens einen Grammy gewonnen…