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Feb 2021

Raubritter im Parkhaus und der Witz mit der “Kulanz”

Themen: Neues |

Adrenalin auf 180. Wut im Bauch. Faust in der Tasche. Ich sollte mich mehr im Griff haben. Aber das ist so eine Bruce Banner-Sache:

Machen Sie mich nicht wütend! Sie würden mich nicht mögen, wenn ich wütend bin!

Der Reihe nach: Am Dienstag habe ich um 10.30 Uhr einen Nachsorge-Termin bei meinem HNO-Arzt wegen der Nase. Trifft sich gut, dass im gleichen Haus ein Denns Biomarkt ist, da kann ich der LvA Tofu kaufen und etwas gutes Fleisch. Außerdem auf der anderen Straßenseite beim Drogeriemarkt ein Deospray.

Ich bin ein bisschen spät dran, fahre exakt 10.30 Uhr in das Parkhaus, stelle mich auf einen der Parkplätze von Denns und hole die Parkscheibe raus. Ich kenne die Regeln: eine Stunde maximale Parkzeit für Kunden des Biomarktes. Zwingend mit Parkscheibe. Sonst 19 Euro. Steht auch überall. Und die meinen das ernst: ca. alle 15 Minuten kommt jemand und prüft die Belegung der Parkplätze.

Also Parkscheibe auf 10.30 Uhr hinter die Windschutzscheibe und ab dafür.

40 Minuten später komme ich zurück, mit Rezept für Nasenspray, Deo und Tofu.

Ich habe einen Strafzettel unter der Windschutzscheibe.

Etwas verblüfft prüfe ich die Daten. “Abgelaufene Parkscheibe”? Um 11.05 Uhr? Das kann ja kaum sein. Weil ich nichts unterstellen will, schaue ich auf meine Parkscheibe – hatte ich die falsch eingestellt? Nein, die steht auf 10.30 Uhr.

Zack, bin ich sauer. So richtig angefressen. Ich also hoch zum Denns und lautstark beschweren. Die weisen alle Schuld von sich – externer Dienstleister. Nun ist das die richtige Methode, mich als Kunden dauerhaft zu verlieren, aber das ist Futur II. Erstmal suche ich die Person, die den Wisch ausgestellt hat. Sie ist nicht zu finden. Sehr unbefriedigend. Ich muss mich demnach an die “Spielregeln” halten und per Email eine Beschwerde einreichen – wobei ich es unfassbar finde, dass so eine Firma beliebig die für sie genehmen Beschwerdewege festlegen kann. Demnächst mache ich einen Aufkleber auf meine Windschutzscheibe: “Strafzettel werden nur in Form von Telexen an die Adresse meiner Oma akzeptiert”.

Ich fahre nach Hause und schreibe einen Einspruch – den ich abschicke, noch bevor meine offiziell erlaubte Parkzeit von einer Stunde abgelaufen ist:

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich bin massiv verärgert. Ich bin um 10.30 Uhr auf den Parkplatz gefahren, habe die Parkscheibe korrekt hinterlegt und um 11.10 Uhr (nach meinem Einkauf bei Denns) entdeckt, dass man mir um 11.05 Uhr einen Strafzettel hinter die Scheibe geklemmt hat. Da ich sowohl als Kunde bei Denns eingekauft und die erlaubte Stunde nicht überschritten habe, erwarte ich:

1) eine sofortige Stornierung des Strafzettels

2) eine Entschuldigung

3) ein Fördergespräch mit der Kontrollperson

Sie können sich denken, dass ich so ein Verhalten als klassische Raubritterrei ansehe und mir nicht gefallen lasse.

Zwei Tage lang passiert nichts. Also lege ich nach:

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich warte weiterhin auf Rückmeldung zu meiner Beschwerde vom vorgestrigen Tag.

Heute dann einen Antwort – die an Frechheit kaum zu überbieten ist:

vielen Dank für Ihre Nachricht. Wir haben den Vorgang geprüft. Zu dem am 16.02.2021 festgestellten Parkverstoß übersenden wir Ihnen beiliegend die entsprechende Fotodokumentation. Wie daraus ersichtlich ist, war das Ausstellen der Vertragsstrafe korrekt, da keine Parkscheibe gut sichtbar auslag.

Das ist gar nicht frech, findet ihr? Die weisen doch nur darauf hin, dass der Fehler bei mir lag, weil die Parkscheibe nicht sichtbar war? Dann schaut euch mal die beigefügte Fotodokumentation an:

Was sehen wir da auf dem ersten Bild? Die Parkscheibe, genau. Korrekt eingestellt auf 10.30 Uhr.

“da keine Parkscheibe gut sichtbar auslag” – MY ASS!

Das wäre üblicherweise der Punkt, an dem ich meinen Anwalt von der Kette lasse. Aber das ist nicht nötig, denn der letzte Satz der Email lautet:

Im vorliegenden Fall sind wir bereit aus Kulanzgründen auf die Begleichung der Vertragsstrafe zu verzichten.

Clever. Einen Fehler machen, nichts zugeben, aber mit dem Verweis auf “Kulanz” einem möglichen Rechtsstreit aus dem Weg gehen. Ich weiß, es ist eine altmodische Frage, aber: schämen die sich nicht? Nicht ein ganz kleines bisschen?

Offensichtlich nicht.

Und weil Denns der Auftraggeber der Parkplatz-Raubritter ist, sind die natürlich nun auch bei mir unten durch. Futur II. Schade eigentlich.

Kommen wir vom Speziellen zum Allgemeinen; Generell bin ich der Meinung, dass sich internationale Parkhaus-Betreiber zu einem “Staat im Staat” entwickeln, die weitgehend unkontrolliert den Bürger ausquetschen. Es sind primär zwei international agierende Milliarden-Unternehmen, die in den letzten 20 Jahren einen Großteil alter Parkhäuser übernommen und neue Parkhäuser errichtet haben. In diesen schrauben sie nicht nur die Preise immer höher (in München z.B. gerne mal auf 25 Euro am Tag), sondern sie legen auch die Spielregeln relativ willkürlich und unwidersprochen fest. So wird jetzt schon getestet, dass man die Preise künftig dynamisch an die Belegung des Parkhauses anpasst. Wer das Pech hat, zur Stoßzeit zu kommen, der muss richtig blechen. Und wenn ein altes Parkhaus viel zu knapp bemessene Parkplätze hat, kann man jedem KFZ über der Größe eines VW Polo auch gleich noch eine Mahnung unter die Windschutzscheibe klemmen, dass man mit einem 2,30 Meter breiten Wagen doch bitte zwischen den 2,10 Meter auseinander liegenden weißen Linien bleiben soll.

Die Unternehmen kassieren, die Besitzer der Parkhäuser und die Kommunen reiben sich die Hände; sie profitieren anteilig, ohne Verantwortung zu übernehmen. Im Gegenteil – man kann die Gängelung der Autofahrer prima als “natürliche Steuerung” des Verkehrs preisen, die langfristig zu einem Umdenken bei den Bürgern führen soll. Und weil das so ist, dürfen die Parkplatz-Betreiber praktisch ungehindert und unkontrolliert agieren. Dabei wären Strafen wegen Wucher schon lange angemessen. Nicht nur bei uns.



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Spandauer
Spandauer
19. Februar, 2021 11:33

Mit sehr viel Wut im Bauch geschrieben, oder?
“Und wenn ein altes Parkbaus” ich würde ein “h” kaufen und ein “b” zurückgeben, sofern möglich 🙂

Comicfreak
Comicfreak
19. Februar, 2021 11:49

Besonders schön finde ich den fotobeleg, dass man die parkscheibe von innen aus der beifahrerposition nicht sehen kann..
Das kann man auch nicht, wenn die rechtwinklig ausgerichtet genau mittig auf der Ablage positioniert ist

Lothar
Lothar
19. Februar, 2021 12:07

> Demnächst mache ich einen Aufkleber auf meine Windschutzscheibe: “Strafzettel werden nur in Form von Telexen an die Adresse meiner Oma akzeptiert”.

Ich würde auf Strip-Telegramm[1] bestehen.

Wollte eigentlich auf die Gepflogenheiten in UK hinweisen, das hast du aber im letzten Absatz selbst getan. Dann dachte ich mir, darauf hinzuweisen, dass bei den privat geführten Parkplätzen in UK noch viel krassere Geschichten abgehen, habe dann aber festgestellt, dass ich das schon in dem von dir verlinkten Blogpost gemacht habe. Zu dem Thema ist daher wohl schon alles gesagt 😉

[1] https://listi.jpberlin.de/pipermail/postfixbuch-users/2008-April/043422.html

Kai
Kai
19. Februar, 2021 15:51

Nur mal so als Anregung für die Zukunft: Die Privat-Parkplatz-Bewirtschafter unterliegen regelmäßig vor Gerichten.

Entweder weil kein gültiger Vertrag zustandegekommen ist (unklare Beschilderung, nicht bei Einfahrt sichtbar, …). Die Gerichte legen die Schranken für Vertragseingehung durch Verbraucher sehr hoch.

Oder weil der Vertragspartner nicht feststeht. Wenn man sicher ist, an dem Tag nicht selber da geparkt zu haben, aber nicht mehr sicher ist, wer denn an dem Tag nochmal das Auto hatte, wird es dünn für den Anbieter. Laut BGH gibt es keine Halterhaftung. Wohl aber eine Mitwirkungspflicht. Wenn man dann aber nicht mehr genau ermitteln kann wer denn vor so langer Zeit das Auto hatte, es könnte aber die Ehefrau, das Kind, der Schwager, der Azubi oder der Gärtner gewesen sein, ist die Mitwirkungspflicht erfüllt.

Mercury
Mercury
19. Februar, 2021 19:20

Ich durfte in Hamburg schon zweimal Erfahrung “FairParken” machen. Ging zwar jeweils “gut” aus (Ticket wurde storniert) war aber mit Aufwand verbunden. Und der dadurch verursachte hohe Blutdruck hat bestimmt noch Langzeitfolgen…

Ungeschlagen jedoch was ich letztes Jahr in Dresden erlebt habe. Dort hat ein Parkhausbetreiber tatsächlich Vertragsstrafen geltend gemacht, wenn Autos rückwärts statt vorwärts eingeparkt hatten! 20 Euro pro Fahrzeug. Plus die Parkgebühr natürlich. Finde bis heute keine passenden Worte für solche Unverschämtheit.

Dietmar
19. Februar, 2021 20:46
Reply to  Mercury

Wie bitte?! Ich parke grundsätzlich aus Sicherheitsgründen rückwärts ein!

Tatjana
Tatjana
19. Februar, 2021 21:27
Reply to  Mercury

Das kenne ich von einer Bankfiliale: “Nur vorwärts einparken!” Ist ein stinknormaler Parkplatz, auf dem man gut rangieren kann (überschaubare Fläche – aber selbst die AWB Köln könnten dort wenden). Wollte aber bisher nicht ausprobieren, was da passiert, wenn ich mal rückswärts einparke 😉

bärbel
bärbel
20. Februar, 2021 11:16
Reply to  Tatjana

das hat nix mit rangierfähigkeiten zu tun, sondern mit luft-/fassadenverschmutzung durch abgase, die beim rückwärts einparken zielgerichtet die wand treffen, was wiederum in reinigungsarbeiten mündet. das will dsr wand-/fassadenbesitzer nicht jedes jahr machen müssen

Dietmar
20. Februar, 2021 13:13
Reply to  bärbel

Ja, das leuchte mir schon ein. Nur: Rückwärts ausparken ist unfallträchtiger als rückwärts einparken. Besonders in Parkhäusern, wo Familien mit Kindern unterwegs sind parke ich lieber vorwärts aus.

Abgesehen davon: “Luft-/…verschmutzung”? Die ist doch gleich.

Last edited 3 Jahre zuvor by Dietmar
bärbel
bärbel
20. Februar, 2021 14:20
Reply to  Dietmar

ich wollte nicht sagen, dass das die beste möglichkeit zum parken ist

die luftverschmutzung an sich ist nicht weniger. aber man erkennt an hell gestrichenen häusern, wenn autos davor parken, wie die parken. solche flecken sind gut erkennbar

leute damit zu gängeln oder deswegen direkt strafsummen aufzurufen, ist unverschämt. im nem parkhaus ist mir aber auch die fassadenfarbe eher egal, weswegen ich sowas dann absolut nicht verstehe

Dietmar
20. Februar, 2021 15:39
Reply to  bärbel

Ich verstehe.

Tatjana
Tatjana
20. Februar, 2021 20:07
Reply to  bärbel

Bei einem öffentlich Parkplatz? Kein Parkhaus.

Dietmar
21. Februar, 2021 06:08
Reply to  Tatjana

Ja, da ergibt das absolut gar keinen Sinn.

Dennis
Dennis
25. Februar, 2021 15:22
Reply to  Tatjana

Ich hätte eher gedacht, dass man so Fahrern von Fluchtfahrzeugen das Leben schwerer macht. Auf die Fassadenoptik wäre ich gar nicht gekommen. 🙂

Dietmar
19. Februar, 2021 20:47

Wieder ein Ärgernis, von dem ich bisher in meiner kleinen, naiven Welt bisher nichts mitbekommen habe.

Gnislew
22. Februar, 2021 15:02

Hi,

immerhin kam deine Beschwerde beim Betreiber an. Ich bekomme regelmäßig Mails mit der Bitte den Fall zu prüfen an meinen Blog, der nunmal “Parkwelten” heißt und demnach auch unter der Domain via Mail erreichbar ist. Nett wie ich bin erkläre ich den Verfassern, dass sie einen Freizeitparkblog und keinen Parkgebühreneintreiber erreicht haben und oft genug kommt zurück, dass ich ihnen helfen soll, schließlich will ich ja Geld.

Alexander Freickmann
Alexander Freickmann
23. Februar, 2021 05:12

Hier in Singapur ist alles über ein elekronisches System geregelt, da werden die Park- und Mautgebühren automatisch über Funk abgezogen, wenn man will vom direkt vom Konto oder über eine Prepaid Karte. Natürlich ist das jetzt datenschutzrechtlich nicht die optimalste Lösung, dafür aber auch sehr nutzerfreundlich. Hier unterscheiden sich die öffentlichen Parkplätze von den privaten dadurch, dass die öffentlichen minütlich abrechnen, während du bei anderen in 10/30 Minuten abgerechnet wirst. Das kann grade bei vollen Parkplätzen auch gut ins Geld gehen, weil der Preis Schranke bis Schranke abgerechnet wird.
Wegen der Parkpreise (durchschnittlich um die 5€/h) verzichte ich auch gerne aufs Auto, öffentliche sind hier meist gut vertreten und Taxis kosten auch nur einen Bruchteil von Deutschland, ca. 6€/5km

Rudi Ratlos
Rudi Ratlos
24. Februar, 2021 22:41

Da in meiner Familie der akute Drang besteht, Blechschäden in Parkhäusern am eigenen bzw. gemietetem Auto zu verursachen (wir sind wohl zu doof für die Dinger oder die wurden in der Hölle konstruiert), meide ich Parkhäuser inzwischen umfänglich. Wohl zu Recht, wie die Story hier belegt – dreister geht es kaum oO*