27
Mai 2017

Twin Peaks und die nackten Notwendigkeiten (NSFW)

Themen: Film, TV & Presse |

Ich habe die ersten Folgen der neuen Twin Peaks-Staffel gesehen. Für einen ausführlichen Review ist das zu wenig, aber in kurz: mir gefällt’s. Fast alle Charaktere mitsamt ihrer Darsteller sind wieder dabei, es werden gleich drei spannende neue Plots aufgemacht und verstörtes Kopfkratzen ist hier die Regel, nicht die Ausnahme.

Es sei noch erwähnt, dass sich die Neuauflage/Fortsetzung in zwei Dingen von der ersten Minute an deutlich vom Original abhebt. So sieht man den Wasserfall im Vorspann nicht mehr von vorne, sondern von oben. Das ist den neuen Produktionsmethoden geschuldet, die für solche dynamischen Aufnahmen keine teuren Helikopter mehr brauchen, sondern auf Drohnen mit HD-Kameras zurück greifen können. 1991 gab es so etwas nicht.

Und damit sind wir auch beim HD – meine Fresse, ist das ein Unterschied zum soften TV-Bild vor 1994, als eine NTSC-Auflösung von jämmerlichen 544 × 480 auf PAL gewandelt wurde! Wahrlich, zwischen den Bildqualitäten liegen Welten – wenn man die Neuauflage nicht mit der remasterten “Twin Peaks: The Entire Mystery”-Box vergleicht, die eine ähnliche Offenbarung darstellt.

Ist das neue “Twin Peaks” auch erfreulich offensichtlich das alte “Twin Peaks” – in der Präsentation sind wir im neuen Jahrtausend gelandet. Sauber.

Aber mir ist etwas ganz anderes aufgefallen – und ich weiß nicht, ob mir das peinlich sein sollte, weil es so obskur ist. Andererseits: wofür bin ich Nerd?

“Twin Peaks” lief 1990/91 auf ABC. Damals war es völlig undenkbar, auf einem frei empfangbaren Network irgendwelche nackten Tatsachen zu präsentieren. Darum war die Serie zwar durchaus erotisch aufgeladen, letztlich aber jenseits aller Verdorbenheit der Charaktere prüde in der Darstellung.

Bei kostenpflichtigen Kabelsendern wird das anders gehandhabt. Weil Nacktszenen u.a. genau das sind, was die Networks von den Kabelsendern trennt – und weil genug Abonnenten auch genau dafür zahlen.

Bei Showtime war das immer schon deutlich auffälliger als bei HBO – selbst wenn es um hochwertige Dramen oder Genre-Shows geht, müssen möglichst in der ersten halben Stunde die Hüllen fallen. Dabei ist es egal, ob in den folgenden Episoden noch einmal abgelegt wird. Hauptsache, der Abonnent hat für sein Geld etwas bekommen, was er bei den Networks nicht bekommt.

So ist es zu erklären, dass Sci-Fi-Shows wie “Total Recall 2070”

und Horror-Serien wie “Poltergeist: The Legacy” schon im Pilotfilm irgendeine weniger wichtige Darstellerin aus dem Kostüm hüpfen lassen – oft genug zum ersten und zum letzten Mal, denn man will für die Syndication (wo strengere Regeln gelten) nicht die Hälfte der Folgen kürzen müssen. Eine Ausnahme war dabei die Anthologie-Serie “Outer Limits” – hier produzierte man gleich zwei Versionen für die verschiedenen Märkte, weshalb Alyssa Milano entspannt das Oberteil fallen lassen konnte:

Ich darf nicht ohne Stolz bemerken, dass es auf meine Initiative zurück ging, dass ProSieben in den 90er Jahren die Showtime-Fassung der Serie ausstrahlte.

Aber zurück zum Thema. Sherilyn Fenn, die in “Twin Peaks” die verrucht erotische Audrey Horne spielte, bekam 1998 bei Showtime eine eigene Sitcom mit dem Titel “Rude Awakening”. Und obwohl eine Sitcom sich dafür eigentlich nur begrenzt eignet, erwartete Showtime Fleisch für die männlichen Zuschauer. Und obwohl Sherilyn Fenn sich 1991 für den Playboy ausgezogen hatte, war sie nicht bereit, Promotioninteressen mit Nacktszenen zu bedienen. Also wurde kurzerhand eine namenlose Blondine (ein One Night Stand der bisexuellen Hauptfigur) in den Vorspann geschnitten:

Das hatte den drolligen Effekt, dass ALLE Episoden eine Warntafel wegen “nudity” bekamen, auch wenn ihr Inhalt eher harmlos war.

Und doch, das hat alles Sinn und Zusammenhang. Wartet’s ab. Ich mache das hier nicht zu meinem Vergnügen.

Knapp zehn Jahre nach Sherilyn Fenn landete mit David Duchovny ein weiterer “Twin Peaks”-Darsteller bei Showtime, nämlich in der rüden Dramedy “Californication”. Business as usual: In der Pilotfolge ging es gleich hoch her, mit Madeline Zima holte sich die Hauptfigur einen ganz heißen Feger ins Bett:

Es gehört zu den eher verstörenden Beiläufigkeiten des TV-Geschäfts, dass die meisten Zuschauer Zima noch gut aus der Serie “Die Nanny” in Erinnerung hatten – und zwar so:

Damit hatten wir also zwei “Twin Peaks”-Darsteller, die bei Showtime gelandet waren und sich dort der Notwendigkeit von Nacktszenen unterwerfen mussten.

2015 kündigte Showtime an, “Twin Peaks” selbst wieder aufleben zu lassen. Und siehe da, auch David Lynch musste sich dem Sender-Codex unterwerfen und für die erste Episode eine Sexszene drehen, die SO niemals auf ABC hätte laufen können.

Die Darstellerin, die dafür aus dem Kleid schlüpfen musste?

Madeline Zima.

So lassen sich Verbindungen ziehen von ABC zu Showtime, von Sherilyn Fenn zu David Duchovny – und zu den präsentablen Brüsten von Madeline Zima, die als Schauwert männliche Zuschauer begeistern sollen. Alles hängt zusammen, alles ist miteinander verwoben. Ein fast schon “Twin Peaks” würdiges Mysterium…

Und nachdem ich das alles aufgeschrieben habe, weiß ich selbst nicht mehr, warum ich das mal interessant und aufschreibenswert fand.



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Thomas
Thomas
27. Mai, 2017 10:54

Hm, dieser Artikel kommt mir wie ein Vorwand für Screenshots vor … 😉

Nummer Neun
27. Mai, 2017 11:20

Madeline Zima ist schon eine Nette! Und ihr hätte ihr eine etwas größere Rolle für Twin Peaks gewünscht.

Die ersten beiden Folgen haben mir auch sehr gefallen, obwohl die besseren Szenen bisher eben nicht in Twin Peaks gespielt haben. Dort haben mich eher die alten Charaktäre auf dem Polizeirevier etwas gestört. Die machen nach 25 Jahren noch den gleichen Job?

Martin Däniken
Martin Däniken
27. Mai, 2017 11:37

Also ich erwarte das sich der Wortvogel quält und im Dienst der Wissenschaft weitere Brustbilder zur Analyse bereitstellt!
Thorsten ich verlange schier unmögliches,
ich weiss es wird wirklich “bad”-
Wir verlassen uns auf deine Stärke!
Du bist der einzige der dieser Aufgabe gewachsen ist…

Dietmar
27. Mai, 2017 12:10

“Ich mache das hier nicht zu meinem Vergnügen.” Lästige Pflicht. Ganz klar.

Aber etwas Anderes: Mir wird immer klarer, dass wir PayTV in Erwägung ziehen müssen, wenn wir Interessantes sehen wollen.

Dietmar
27. Mai, 2017 12:36

Ja! Ich meine so mit Spannung und so weiter. Oder wie, oder was? 🙂

Hapi
Hapi
27. Mai, 2017 13:31

Lohnt sich die neue Staffel auch für Leute, die das Original nicht kennen?

Christian Siegel
27. Mai, 2017 15:57

Der Pilotfilm zu “Stargate SG-1” ist ein weiteres gutes Beispiel dafür. Dort gabs sogar full frontal nudity.

Auf die Twin Peaks-Neuauflage bin ich schon sehr gespannt, werde aber warten, bis die Staffel durch ist, da ich mittlerweile eher zum binge-watchen neige (und auch das original-Twin Peaks auf diese Weise so gesehen habe; wenn man mal die nur lückenhafte Erstsichtung damals im Fernsehen, wo ich doch noch etwas zu jung war und kaum was hängen geblieben ist, außen vor lässt).

Ach ja, und danke für deinen Einsatz für künstlerische Freiheit damals bei Pro7! Alyssa Milano war ja eine meiner ersten nicht mehr ganz jugendfreien Schwärmereien. 😀

Marcel
Marcel
27. Mai, 2017 22:52

Also, ich als Wortvogel-Abonnent finde, hier bekommt man was für sein Geld geboten.

invincible warrior
invincible warrior
29. Mai, 2017 05:16

Kleine Korrektur: NTSC Aufloesung hat schon bisschen mehr, naemlich 480i, waehrend PAL 576i hatte. Analogaufloesungen lassen sich nicht so einfach in digitale Aufloesungen umrechen, aber grob entspricht das bei TV Ausstrahlung dann 440×480 bzw 520×576. Selbst VHS hatte eine Aufloesung von 320×480 bzw 310×576.
Deine Aufloesung wurde meiner Recherche nach bei VCDs benutzt, da bei digitalen Aufnahmen mehr Bild auch mehr Speicher verbraucht. Es kann natuerlich sein, dass du Twin Peaks damals hauptsaechlich darueber konsumiert hattest, auch wenns eher ungewoehnlich fuer Europa waere.

DJ Doena
5. Juni, 2017 09:13

Jupp. Das gleiche galt ja auch für Stargate SG-1, wo Daniels Frau Sha’re auch gleich mal full frontal für die Goa’uld gemacht wurde.