Fantasy Filmfest Nights 2024 (15): THE FUNERAL
Themen: FF Nights 2024, Film, TV & Presse, Neues |Türkei 2023. Regie: Orçun Behram. Darsteller: Ahmet Rifat Şungar, Cansu Türedi̇ u.a.
Offizielle Synopsis: Die Leiche muss weg! Vor allen Dingen muss sie verschwunden sein, bevor die einflussreiche Familie einer unter mysteriösen Umständen getöteten jungen Frau Scherereien mit der Polizei bekommt. Leichenwagenfahrer Cemal wird mit dem schmutzigen Job beauftragt. Er soll sich auf dem Land bis auf Weiteres mit dem Sarg verschanzen. Doch so tot ist die Ermordete mit dem eingeritzten okkulten Symbol über dem Brustbein gar nicht! Lebendig im eigentlichen Sinn allerdings auch nicht. Dafür ist sie hungrig: hungrig nach menschlichem Frischfleisch und Vergeltung.
Kritik: Es wird niemanden überraschen – "hungrig nach Vergeltung" ist das untote Mädchen nicht, das hat man sich fürs Programmheft einfach dazufabuliert.
Darüber hinaus sind die Festival-Exoten, besonders wenn sie den Rausschmeißer bilden, immer ein Wurf mit der Münze: man kann positiv überrascht werden, man kann aber auch einen Rohrkrepierer aus der Diaspora der Kinowelt erleben.
THE FUNERAL… liegt ungefähr in der Mitte. Wie schon diverse andere Beiträge des Festivals macht der Titel keinen Sinn, denn eine Beerdigung ist an keiner Stelle handlungsrelevant. Als Zombiefilm taugt er mangels Menschenfresser-Action nur sehr bedingt, als Beziehungsdrama auch nicht, weil wir nie verstehen, wie Cemal tickt – und Zombiegirl Zeynep keine wirklich menschlichen Reaktionen zeigt. Das zugrunde liegende magische Ritual bleibt auch im Dunkeln – am Ende muss ein Massaker unter den Beteiligten als Auflösung reichen.
Warum ich ihn trotzdem nicht in die Mülltonne des Festivals werfen mag? Weil es Orçun Behram gelingt, uns mit lakonischen, leisen Bildern einzufangen, weil er eine triste Türkei zeigt, die Menschen wie Cemal kein Glück gönnt. Wir verstehen bis zu einem gewissen Grad, warum Zeynep die erste echte Bindung ist, auf die er sich einlässt. Es ist eine Episode in Cemals Leben, als hätte jemand auf eine Pause-Taste gedrückt – er weiß, dass das Leben so nur im Standby funktioniert und jeder neue Tag ein Ende der Reise bedeuten kann. Die Fahrten mit dem Zombie durch die Nacht entwickeln einen hypnotischen Sog, der an die Traumwelt erinnert, die ich schon im Review von BITTEN angesprochen habe. All we have is this moment …
Ich hätte mir nur gewünscht, Orçun Behram hätte sich auf die Zeichnung seiner Figuren so sehr konzentriert wie auf die Zeichnung seiner Bilder.
Fazit: Ein atmosphärisches Zweipersonen-Stück über die Beziehung eines lebensunfrohen Mannes mit einem Zombie-Mädchen, das ungefähr genauso spannend ist, wie sich diese Beschreibung liest. Von Könnern für Kenner – Adrenalin-Junkies und Gore-Bauern müssen draußen bleiben. Ich hatte im Kopf schon 7 von 10 Punkten vergeben, aber den Film nach dem Review und dem Vergleich mit anderen Angeboten des Festivals doch noch auf 6 von 10 Punkten runtergestuft. Mehr ist nicht drin.
Ich nehme beim Festival die Exoten gerne mit, da es oft die einzige Gelegenheit bleibt sie zu sehen. Das ist nicht immer von Erfolg gekrönt, aber im Schnitt trotzdem eine lohnende Erfahrung. Dass ich "The Funeral" – nicht zu verwechseln mit dem großartigen Film von Abel Ferrara von 1996 – ausgelassen habe lag also mehr meiner Müdigkeit zugrunde als mangelnder Neugier.
Die Kritik des Wortvogels entspricht allerdings meinen Befürchtungen. Und einen eher trägen Film zum Ausklang zu wählen ist auch nicht gerade ratsam für den letzten Eindruck. Wie auch immer – wir sehen uns wieder im September.