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Mrz 2024

Im Auftrag der Nibelungen: Wortvogel, Business-Man!

Themen: Film, TV & Presse, Neues |

Ich werde dieser Tage sicher noch ein paar Preziosen posten, die in meinem alten Nerd-Bestand aufgetaucht sind. Teilweise geht das bis in meine Schulzeit zurück, als ich Basic-Programme für den C64 mit dem Kuli in mein Matheheft kritzelte. Kurioses Zeug, dessen Verbleib in digitaler Form künftig reichen muss.

Es ist schon erstaunlich, welche Erinnerungsketten manche dieser Fragmente auslösen können. Gestern fand ich z.B. in einem Papierstapel dieses Fax:

Von Mai 1999. Ohne Kontext kaum zu entschlüsseln. Aber den kann ich liefern.

Sam Dickerman ist seit den 80ern im Business, einer der top Kreativ-Produzenten Hollywoods. Als ich ihn kennenlernte, war er Präsident von Wolfgang Petersens Firma Radiant Productions und hatte für den deutschen Regisseur u.a. DER STURM und TROJA produziert. Danach ging er in leitender Position zu Warner Brothers, schließlich zu Disney.

Ich arbeitete um die Jahrtausendwende als Entwicklungschef bei der neu gegründeten Firma Tandem Communications, die große internationale Ko-Produktionen entwickeln wollte/sollte. Eine meiner ersten eingebrachten Ideen war dabei eine Neuverfilmung des Rings der Nibelungen.

Das Problem: Kaum jemand außerhalb Europas kennt die Saga abgesehen von der Wagner-Oper – und die wird wegen Wagner gerade von Amerikanern immer gerne leichtfertig “irgendwie mit Hitler” assoziiert.

Unsere Lösung: Einen “Türöffner” in den USA finden, mit gutem Ruf und makelloser Erfolgsbilanz, deutsch und amerikanisch zugleich. Wolfgang Petersen.

Tatsächlich war Petersen sehr interessiert an dem Projekt, auch wenn früh klar war, dass er keine Zeit haben würde, es selber zu drehen – er war aktuell mit dem Blockbuster DER STURM beschäftigt und stand für TV-Arbeiten nicht zur Verfügung. Als Executive Producer war er zu haben – gegen Gewinnbeteiligung.

Es folgte ein reger Austausch per Email und Fax mit Petersen und seinem Company-Präsidenten Sam Dickerman, und bei einer Reise nach LA besuchten meine Chefin Rola und ich Petersen auf dem “Warner lot” bei den Dreharbeiten von DER STURM, als gerade in Halle 26 die Hauptdarsteller von gigantischen Wellenpumpen im Wasser hin und her geworfen wurden. Petersen war extrem freundlich und unkompliziert, stellte uns George Clooney und Mark Wahlberg vor, führte uns auch kurz in die noch größere Halle 27, in der Clint Eastwood gerade SPACE COWBOYS drehte.

In den Wochen darauf versuchten alle Beteiligten, einen gemeinsamen Nenner zu finden, was Stil und Richtung von DER RING anging. Das war nicht immer einfach, weil die Deutschen an den Stoff einen ganz anderen Anspruch haben als die Amerikaner. Es ist eben nicht einfach “ein Fantasy-Epos”.

Im Mai 1999 hatte ich mir ein paar Tage Urlaub genommen. Den Grund habe ich vor neun Jahren bereits erzählt und darum hier nur ein Absatz daraus:

Viele Torheiten der Jugend vergisst man oder man entschließt sich, sie mit Strähnchen in den Haaren und Lederkrawatten in die Nostalgie-Schachtel der 80er zu legen. Aber ich war immer ein Mensch von hohem Pathos und darum – ja, ich flog im Mai 1999 mit meinem Kumpel Marc nach New York, um bei der Premiere von “The Phantom Menace” dabei zu sein. Ein Freund vor Ort hatte Karten besorgt. Riesige Schlangen vor dem Kino, es wurden Handzettel für “The Muppets in Space” verteilt, der zwei Monate später starten sollte.

Irgendwann in diesem Urlaub klingelte mein Handy. Es war Rola, meine Chefin. Sie erzählte, dass Sam Dickerman und Wolfgang Petersen uns zu einem Abendessen in Santa Monica eingeladen hätten. Alles schön und gut, aber ich war in New York, nicht in Los Angeles. Und ich war im Urlaub. Und ich hatte keinerlei Kleidung dabei, die für ein “top level”-Restaurant in LA geeignet war.

Rola war wie immer pragmatisch und energisch:

Die Sache dauert insgesamt nur 48 Stunden. Den Urlaub erstatte ich dir. Das Ticket nach LA lasse ich an deiner Hotelrezeption hinterlegen. Geh zu einem GAP Store in Manhattan, kauf dir alles, was du für einen gepflegten Abend brauchst, das geht auf Spesen. Keine Krawatte.

Wie Rola es wollte, so geschah es üblicherweise – und ich muss auch ehrlich zugeben, dass ich es super feist fand, mal eben für ein Business-Dinner mit Wolfgang Petersen von New York nach LA zu fliegen.

Und genau da kommt das obige Fax ins Spiel, mit dem Rola Sam meine Anwesenheit beim Dinner ankündigte. Das ist die Story dahinter.

Wie es weiterging? Ich flog nach Los Angeles, stieg im edlen Shutters on the Beach ab und traf mich mit der ganzen Truppe am Abend in einem Restaurant, dessen Name mir leider entfallen ist, das aber kaum 500 Meter vom Hotel entfernt direkt am Strand positioniert war. Das Hotel:

Eine kleine Anekdote dazu: Im Shutters bin ich mal Angelina Jolie begegnet. Nicht, weil die dort gewohnt hätte. Sie hatte nur für einen Nachmittag eine Suite gebucht, um nach dem Strandbesuch mit ihren Kindern dort in Ruhe duschen und die Kleidung wechseln zu können. Das war ihr gerne 500+ Dollar wert.

Zurück zum Thema. Es wurde ein schöner Abend mit guten Gesprächen und noch besserem Essen. Aber es zeigte sich, dass die amerikanische Seite ausschließlich daran interessiert war, den Stoff für den US-Markt tauglich zu machen. Die deutschen Befindlichkeiten waren dabei völlig irrelevant. Es kam allen Ernstes die Diskussion auf, ob man die seltsam germanisch klingenden Figuren nicht mit gefälligeren Namen versehen könne, woraufhin ich entgeistert dagegen hielt:

Klar können wir Siegfried, Kriemhild, Hagen und Brunhilde auch Bob, Carol, Ted und Alice nennen, aber dann hat das gar nichts mehr mit den Nibelungen zu tun.

Da die Involvierung Petersens zudem sehr viel Geld kosten würde, wurde ein paar Wochen später beschlossen, das Projekt doch nicht gemeinsam zu stemmen. Tandem fand andere Partner, aber es sollte insgesamt fünf Jahre dauern, bis die Miniserie weltweit auf Sendung ging.

Ich war zu diesem Zeitpunkt aus sehr verschiedenen und teilweise schmerzhaften Gründen nicht mehr bei Tandem und mit dem Endprodukt auch nicht glücklich. Es entsprach dem Standard seiner Zeit, aber ich hatte immer geglaubt, eine Neuverfilmung des Rings könne noch viel mehr sein. In meiner Vorstellung wäre eher der Stil von 300 angemessen gewesen. Auch in der Serie GAME OF THRONES sah ich später erheblich mehr Ring als in der Miniserie von Tandem.

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Aber das ist eine lange Geschichte für einen anderen Tag.

Allen, die bis hierher durchgehalten haben, möchte ich zum Abschluss ein Bonus-Bonbon gönnen. An jenem Abend in Los Angeles kam ich mit Sam Dickerman ins Gespräch über meine Leidenschaft in Sachen Superhelden-Verfilmungen (was 1999 noch weitgehend ein Nischenthema war). Er erwähnte, dass seine Frau Michelle selber mal eine Superheldin gespielt hatte – sie war Black Scorpion in Roger Cormans gleichnamiger Serie gewesen!

Meine Begeisterung für das Thema hatte Folgen: Am nächsten Morgen hing eine Plastiktüte an meiner Hotelzimmertür. Darin: Ein Promo-Folder von BLACK SCORPION, in wunderschöner Satz Bilder und gleich zwei Autogramme der bezaubernden Michelle Lintel:

So hatte sich der 48 Stunden-Trip für mich auf jeden Fall gelohnt.

P.S.: Ja, wer meine Uralt-Texte bis ins Detail kennt, der weiß, dass ich die abschließende Anekdote woanders schon mal ganz anders erzählt habe. Es gibt widersprüchliche Erinnerungen, die ich heute nicht mehr auflösen kann. So finde ich z.B. keinen Hinweis im Netz, dass Dickerman und Lintel wirklich verheiratet waren. Man möge also darauf basierend keine Bankbürgschaften abschließen.



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