29
Aug 2023

Kino Kritik: Retribution

Themen: Film, TV & Presse |

Für etwas Kontext bitte diesen Beitrag lesen.

USA/F/S/D 2023. Regie: Nimród Antal. Darsteller: Liam Neeson, Noma Dumezweni, Lilly Aspell, Jack Champion, Embeth Davidtz, Matthew Modine u.a.

Story: Matt Turner ist ein Finanzjongleur, der mit seiner Familie in Berlin lebt. Eines Morgens, als er seine Kinder zur Schule bringen will, klingelt im Wagen ein unbekanntes Handy: Eine verzerrte Stimme teilt Matt mit, dass sich unter seinem Sitz eine Bombe befindet. Wenn er nicht tut, was man von ihm verlangt, wird sie augenblicklich explodieren. An die Polizei kann er sich nicht wenden, denn die hält ihn jetzt für den Drahtzieher zweier anderer Attentate, den es zu stellen gilt…

Kritik: Liam Neeson entwickelt sich zum Steven Seagal des internationalen Actionfilms. There, I said it. Anders ist nicht zu erklären, dass der renommierte Schauspieler seit TAKEN 2008 Jahr für Jahr die gleiche Sorte Midbudget-Actioner von abnehmender Qualität abliefert, als wäre der maximale Anspruch, um 17.00 Uhr Feierabend zu haben und im besten Hotel vor Ort gut essen zu gehen. Der Pitch von RETRIBUTION (schon der nichtssagende Titel lässt mir die Haare zu Berge stehen) kann nur gelautet haben: "Liam, das ist eine super Sache – du wohnst vier Wochen im Adlon und sitzt beim Dreh permanent in einem fetten Mercedes (oder) vor einer Greenscreen."

Als vierter (!) Aufguss einer eh schon nicht sehr originellen oder logischen Story, die zum zweiten Mal in Berlin spielt, kann RETRIBUTION wirklich gar nichts Neues beitragen. Er ist mit weniger Geld gedreht, hat weniger Ideen, schlechtere Action und einen 71jährigen "Star", der außer "gestresst mit der Freisprechanlage reden" keinerlei Ambition einbringt. Neeson wirkt so müde wie das Skript.

Wir haben bereits über die Mühen gesprochen, einen solchen im Grunde hanebüchenen Plot so zackig zu inszenieren, dass dem Publikum nicht auffällt, wie doof das eigentlich alles ist. Und das ist genau der Punkt, an dem RETRIBUTION z.B. im Gegensatz zur koreanischen Variante HARD HIT versagt: Er vertrödelt zu viel Zeit mit mäßig interessanten Fahrten durch die immer gleichen Berliner Straßen. Wir können problemlos darüber nachdenken, dass niemand Neeson ernsthaft für den Bomber halten kann. Oder warum die Freundin des Sohnes nicht wieder auftaucht. Wieso das Erpresser-Handy so auffällig alt und schrabbelig ist. Wer die Idee hatte, deutsche Figuren "Anders Muller" und "Pils Grogan" zu nennen. Ob der Ausstatter es als Scherz meint, eine Klima-Demo mit Schildern wie "2+2=4", "Halt’s Maul" und einem aufgemalten Parkverbotsymbol auszustatten.

Schlimmer noch: Wir können beim Blick auf die Besetzungsliste klar ausmachen, wer der Bösewicht sein muss – auch wenn das überhaupt keinen Sinn ergibt.

Das hier ist ein TV-Niveau, das mittlerweile selbst im TV kaum noch zu rechtfertigen ist. Man schaue sich einfach mal an, was action concept mit deutlich weniger Geld vor 15 Jahren in Berlin durchgezogen hat:

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RETRIBUTION kommt in keiner Minute an diese Dynamik und diese Action heran.

Ich bin sehr sicher, dass RETRIBUTION nicht exorbitant teuer war und ein beträchtlicher Teil an die beteiligten Produktionsfirmen aus aller Herren Länder und eben NICHT in die tatsächliche Produktion geflossen ist. Ich bin ebenso sicher, dass der Film Profit machen wird. Nicht im Kino – da gehört er nicht hin und da sollte man ihn auch nicht sehen. Aber die weltweite Popularität von Neeson ist vergleichbar mit der von anderen Altstars wie Jackie Chan, Sylvester Stallone, und Jean Claude van Damme. Am Ende werden die Scheiben und das Streaming den Streifen in die schwarzen Zahlen hieven. No harm done. Next!

Das kann es doch nicht sein. Oder bin ich bloß wieder zu ungnädig mit einem moderaten Programmfüller für die trübe Herbstsaison in deutschen Kinos?

Fazit: Ein saft- und kraftloser Actionfilm ohne Drive und Logik, an dem sich auch Neeson sichtlich müht und der bestenfalls als Füller empfehlenswert ist, wenn man keine der drei (!) anderen überlegenen Versionen des Stoffes (oder meinen VOLLGAS) gesehen hat.

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14 Kommentare
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dermax
dermax
29. August, 2023 10:29

Yep, dachte auch gleich bei der Besetzung "aha, xy ist also Bösewicht"…

jimmy1138
jimmy1138
29. August, 2023 10:51

Nimrod Antal als Regisseur – hatte der nicht mal sowas wie eine vielversprechende Karriere?
Und lt. Wikipedia hat der angeblich 20 Mille gekostet. Gedreht in Berlin wahrscheinlich auch nur, weil man dort etwa eine halbe Mille an Filmförderung abstauben konnte. Ich bin entsetzt, daß man dafür nicht mal Til Schweiger als stummen Handlanger im Film unterbringen konnte.

" Wir können beim Blick auf die Besetzungsliste klar ausmachen, wer der Bösewicht sein muss"

Spoiler
Matthew Modine?

Yves
Yves
21. März, 2024 20:34
Reply to  jimmy1138

Till Schweiger war im Film, Polizei Scharfschützer

heino
heino
29. August, 2023 11:08

Um Neeson ist es wirklich schade. Der kann so viel mehr, hat aber irgendwann wohlentschieden, dass solche Filme reichen müssen und die echte Schauspielerei nicht mehr seiner Vorstellung von Arbeit entspricht. Seit "Taken" dreht der nur noch Müll

dermax
dermax
29. August, 2023 12:45
Reply to  heino

Naja, die Frage ist halt, was er sonst angeboten kriegt. Wer aus der 65+ Region dreht denn aktuell wirklich regelmässig gute Filme?

dermax
dermax
29. August, 2023 14:19
Reply to  Torsten Dewi

Oder so, wobei bei de Niro und Pacino auch inzwischen viel Schrott dabei ist.

jimmy1138
jimmy1138
29. August, 2023 13:02
Reply to  dermax

Spontan eingefallen: Tom Hanks, Denzel Washington

dermax
dermax
29. August, 2023 14:18
Reply to  jimmy1138

Ich bin grad schockiert, dass Hanks und Denzel auch schon in die Altersgruppe fallen…

Matts
Matts
30. August, 2023 15:23
Reply to  dermax

Oh ja. Und Denzel ist jetzt schon bei EQUALIZER 3. Der Trailer dazu haut mich so gar nicht vom Hocker…

Marko
29. August, 2023 12:27

Ich wundere mich auch über Neeson. Ich meine vor einiger Zeit ein Interview mit ihm gelesen zu haben, wo er sagte, dass er sich so langsam zu alt für Actionrollen fühlt – und jetzt haut er trotzdem unermüdlich weiter solche Dinger raus. Ich hoffe nicht, dass wir da zukünftig was ähnliches erleben müssen wie von Bruce Willis in seinen Spätwerken.

Alexander Freickmann
Alexander Freickmann
20. September, 2023 09:45
Reply to  Marko

Das hatte er glaube ich bei der Tour zu The Commuter gesagt. Aber anscheinend nur, um seine Checks schön in die Höhe zu treiben, er hat sich halt mit abgefunden der neue Charles Bronson zu sein. Solange er es nicht wie Bronson im Alkohol (oder anderem schädlichen Zeug) anlegt, solls mir Recht sein.

Alexander Freickmann
Alexander Freickmann
20. September, 2023 10:18

Das spanische Original war … originell und Luis Tosar war ein überzeugender Karrierist und Arschloch, aber man nahm ihm ab, dass ihm doch was an seinen Kindern liegt. Der Reveal mit der Frau (und das Kind 1 das weiß) hat dann auch gut gepasst um das Ego genug ins Wanken zu bringen und ihn zurück auf den Boden der Tatsachen zu bringen. Ab da war er zumindest als Familienmensch glaubhaft. Das Ende war alles andere als perfekt, aber glaubwürdig.
Am besten gefallen hat mir das deutsche Remake von Christian Alvart. Wotan Wilke Möhring ist ja schonmal an sich ein sympathischer Charakter und es tat gut, ihn vom Bankster zum Bauherren zu machen. Das passt perfekt für Berlin und macht den Hauptdarsteller auch von der Geschäftsseite um Welten sympathischer, denn hier kann man sich schon viel eher vorstellen wie ein jeder in die Situation rutschen kann ohne direkt ein Arschloch zu sein. Die Familienstory wurde ja gleich gehalten und hat daher weiterhin gut gepasst. Das Ende war auch sehr ähnlich, also immer noch der große Schwachpunkt, aber kann man halt durchwinken.
Den Koreaner habe ich bisher nicht gesehen, werds tun, sobald er auf Tele5 läuft.

Und nun zum Neeson: Oh boy, wieso Neeson? Um glaubhaft nen Vater spielen zu können, ist er doch wirklich 10 Jahre zu alt. Und dann haben die ohne Not auch noch die Geschlechter der Kinder getauscht? Wieso? Das zerstörte die Familiendynamik massiv, denn ein bockiger Junge ist was ganz anderes als ne bockige Tochter, besonders bei Vater-Kind Beziehungen. Das die dann die Mopeszene drin ließen, war dann imo auch total unglaubwürdig, aber vielleicht sind ja Mädels heutzutage auch so drauf… Und dann der Reveal um die Frau, mal abgesehen davon, dass das imo nur halb so tiefer Schlag in die Magengrube für das Ego ist, wissen die Kinder auch von nix. Ach komm, das hat für mich die Familie für mich total egal gemacht.
Und dann das Ende… Erst einmal wünscht sich Neeson was von der Polizei, bekommt es dank Tunnel frei Haus und reagiert null! Wieso?!? Da verlor das Ende mich bereits, denn es gab eigentlich keinen Grund mehr für alles was danach kam. Immerhin wurde der bockige Tochterteil rausgeschnitten. Aber dafür dann der Big Reveal des Bösewichts. Wieso, weshalb, warum? OK, kauf ich ab, guter Plan, aber wieso bist du noch hier und nicht längst weg? In den anderen Teilen hatte der Bösewicht triftige Gründe vor Ort zu sein, hier wars dann doch eher ein "I expect you to die, Mr Bond!"-Moment. Und dann endet der Film ohne Grund mit nem Semi-Happy End? Dabei hat die Polizei zu dem Zeitpunkt keinerlei Grund davon auszugehen, dass Neeson unschuldig ist – außer die glauben den Kindern voll und ganz, obwohl die nicht einmal den Erpresser gehört hatten. Das war in den anderen Fassungen auch um Welten glaubhafter. So war der Film wirklich nur eine Travestie der Originalidee, unnötig wie ein Kropf.