25
Mai 2023

Kommode redux: Aus alt mach blau

Themen: Neues |

Ich hatte vor zweieinhalb Jahren darüber geschrieben, dass ich meine alte fleckige Kommode vom Malermeister habe lackieren lassen, um sie für mein neues Arbeitszimmer fit zu machen. Mit dem Ergebnis war ich sehr zufrieden:

Nun steht so ein Möbel ja nicht nur rum, sondern wird fleißig benutzt. Unter anderem habe ich darauf mit meinem schweren Papierschneider mehrere tausend Zeitschriften zersäbelt. Das führte zwangsläufig zu Kratzern, Splittern und Rissen. Dummerweise hatte der Malermeister in diesem einen Fall den Rest des Lacks nicht dagelassen, sonst hätte ich das schnell und schmerzfrei selbst ausbessern können.

Lange Rede, kurzer Sinn (was ich deutlich schöner finde als tl;dr): Mittlerweile sah die Arbeitsplatte der Kommode etwas mitgenommen aus und als brutaler Laie in Sachen Handwerk habe ich es mit jedem Versuch der Reparatur noch schlimmer gemacht: Statt Lack habe ich es zuerst mit selbst angemischter Farbe versucht, was brauchbar aussah, sich aber unangenehm anfühlt (wie eine Kreidetafel). Fingernagel-Klarlack drüber? Auch ein Rohrkrepierer. Ersatzlack vom Malermeister? Zu hell. Nachdunkeln mit schwarzem Nagellack? Null Effekt. Am Ende sah die Kommode immer schlimmer aus und ich war immer frustrierter.

Es kommt der Punkt, da denkt sich auch der faulste Pelz: Genug der halbgaren Experimente – wo lackiert werden muss, wird lackiert!

Nun hatte ich vom Malermeister ein Töpfchen mit halbwegs passender Lackfarbe bekommen. Aber wenn man schon eine komplette Überarbeitung der Arbeitsplatte anstrebt, drängt sich natürlich gleich die Frage auf: diesmal vielleicht farbig? Ich halte mein Arbeitszimmer zwar bewusst in grau und weiß, aber ein paar blaue Akzente tun dem Auge gut.

Meinem Charakter zuwider entschied ich, die Sache zwar mit minimalem Aufwand, aber wenigstens der gebotenen Umsicht anzugehen. Früher hätte ich den halben Farbeimer auf der Kommode ausgeschüttet und mit dem Spülschwamm verteilt – nur um mich dann zu ärgern, dass das ganze Zimmer versaut ist und die Kommode fleckig. Das geht auch anders. Also fix zum Obi, Lack, Rollen, Malerfolie, und Abklebeband holen. Dabei habe gelernt, dass man bei den Rollen aufpassen muss, dass sie zur Oberfläche des zu bearbeitenden Objekts passen müssen. Wer lesen kann, ist klar im Vorteil.

Daheim die Kommode ausgeräumt, auf die Folie gehievt, abgewischt und unter der Arbeitsplatte mit Abklebeband abgeklebt.

Ich ziehe Latexhandschuhe an, weil ich keinen Bock habe, mir die Finger zu versauen. Dann sperre ich die Katzen aus und gebe mich ran.

Tatsächlich geht es besser, als ich zuerst dachte. Die Rolle rollt, der Lack lackt. Die Seiten der Arbeitsplatte werden mit dem Pinsel gepinselt. Nach zehn Minuten fällt mir allerdings auf: auf der glatten Fläche des ursprünglichen Lacks haftet die neue Bemalung an ein paar Stellen nicht, sondern zieht sich zusammen wie Butter in einer gut beschichteten heißen Pfanne:

Schon klar: Wenn ich die Platte ab- oder wenigstens angeschliffen hätte, wäre das nicht passiert. Aber die Arbeit und die Sauerei wollte ich mir nicht geben. Ich roller noch einmal drüber und entscheide, dass eine zweite Schicht Lack das Problem lösen wird.

Nach gut 15 Minuten bin ich fertig und relativ zufrieden:

Taubenblau, falls es jemand genauer wissen will. Ich schätze, dass die Platte eine Weile brauchen wird, um zu trocknen. Das passt Rufus überhaupt nicht – er steht vor der Tür und verlangt Einlass. Soweit kommt’s noch.

Tatsächlich ist die Platte nach einer guten Stunde schon trocken und ich kann mich an die zweite Lackierung geben. Wie sagte der Mann, der vom Hochhaus fiel, als er am zweiten Stock vorbeikam? “Bis hierher gings gut.”

Zu meiner Freude nimmt die Arbeitsplatte nun auch an den letzten Stellen, an denen es noch grau durchschimmerte, die neue Farbe an. Mit einem kleinen Pinsel zwinge ich den Lack in die kleinsten Risse und Kratzer. Es wird nicht “wie neu” aussehen, aber das soll es auch nicht. Die Kommode ist ein altes Schätzchen.

Ich gestehe, dass ich nicht wirklich damit gerechnet habe, aber nach dem zweiten Durchgang ist die Kommode deckend lackiert und sieht auch gar nicht streifig oder mitleiderregend aus. Schaden an Mensch und Material? Minimal. Also Schubladen rein und wieder ran an die Wand:

Ich bin unangemessen stolz. Man muss bedenken, dass ich aus einer Familie stamme, in der handwerkliches Talent nicht zu den Kardinaltugenden zählte.

Den Topf mit dem Rest des Lacks verschließe ich sorgsam und verfrachte ihn in den Keller. Kann ich bestimmt noch mal brauchen.

Und weil’s so schön war, räume ich ein weiteres (schmales) Billy-Regal leer und verfrachte es auf den Wertstoffhof. Die Reduzierung des Materiellen, sie schreitet voran. Dafür habe ich wieder etwas mehr Platz an der Wand für Original-Artwork:

All in a day’s work.



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8 Kommentare
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milan8888
milan8888
25. Mai, 2023 12:56

Nicht angeschliffen und auch nicht entfettet? Ich wünsch dir viel Glück, dass da nicht demnächst der Lack abgeht.

Nikolai
Nikolai
25. Mai, 2023 13:52
Reply to  Torsten Dewi

Oder abgeschliffen und komplett neu lackiert?

Stefan
25. Mai, 2023 21:16
Reply to  Torsten Dewi

Meine Oma wäre da knallhalt mit dc-fix drübergegangen. Hoppla, das gibts ja noch.
https://www.d-c-fix.com

Schlotterbeck
Schlotterbeck
25. Mai, 2023 18:22

“Den Topf mit dem Rest des Lacks …”
Haben Sie sicher “auf den Kopf gestellt”?
Denn dann bildet sich keine häßliche Haut auf der Farbe.