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Apr 2024

Fantasy Filmfest Nights 2024 (12): BOY KILLS WORLD

Themen: FF Nights 2024, Film, TV & Presse, Neues |

Deutschland, Südafrika, USA 2023. Regie: Moritz Mohr. Darsteller: Bill Skarsgård, Jessica Rothe, Michelle Dockery, Famke Janssen, Andrew Koji, Sharlto Copley

Offizielle Synopsis: Der taubstumme Krieger Boy kennt nur ein Ziel: Die Tyrannin zu stürzen, die einst Boys Familie eiskalt töten ließ und die Bevölkerung mit perversen TV-Shows in Schach hält. Doch der Weg zum Sieg ist äußerst blutig für den jungen Kämpfer und sein leicht chaotisches Team.

Kritik: Ich möchte diese Kritik nicht schreiben. Weil der Film von einem deutschen Regisseur stammt. Weil er von Sam Raimi produziert wurde. Weil mit Arend Remmers einer der deutschen Top-Autoren das Skript verfasst hat, dessen SCHNEEFLÖCKCHEN ich vor ein paar Jahren als bahnbrechend abgefeiert habe. Alles Leute, denen ich nichts Böses will und jeden Erfolg gönne. Denen ich nicht ins Gesicht sagen möchte, was für einen kruden Kappes sie hier abgeliefert haben.

BOY KILLS WORLD hat viele Schwächen, an denen er nicht scheitert. Der Titel macht keinen Sinn. Das “world building” macht keinen Sinn. Das endlose Intro nervt. Der permanente Voice Over ist bis auf ein paar gelungene Gags redundant. Der “Twist” im dritten Akt ist hanebüchen. Die Hampelmänner als Nebenfiguren stören. Die Fights sind aufwändig inszeniert und dann im Schnitt so verhackstückt worden, dass JOHN WICK dagegen wie kontemplatives Autorenkino wirkt.

Die Schwäche, an der BOY KILLS WORLD scheitert, ist diese: Er möchte eine blutige Rachegeschichte erzählen – und gleichzeitig eine Parodie auf blutige Rachgeschichten sein. Beides zusammen kann nicht gehen. Quod erat demonstrandum. Die permanenten Albernheiten im ersten Akt lassen uns keine echte Empathie für den Helden und seine Mission aufbauen – und wenn im dritten Akt nur noch blutgeil geschossen und geschlitzt und getreten und geschlagen wird, setzt jeder Humor erwartungsgemäß aus.

Das ist sehr schade, denn BOY KILLS WORLD gibt sich richtig Mühe, holt aus einem vermutlich überschaubaren Budget sehr viel raus, und die Beteiligten dürften morgens vor blauen Flecken und geknacksten Knochen kaum aus dem Bett gekommen sein. Aber selten galt das Shakespeare-Wort so wie hier:

“It is a tale full of sound and fury, signifying nothing.” 

Fazit: Ein völlig überdrehter, hyperbrutaler Prügelfilm, der Comic mit Komik verwechselt und sich massiv daran verschluckt, dass man sich nicht selber parodieren kann. Diese 4 von 10 Punkten tun mit selber weh.

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10 Kommentare
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David
29. April, 2024 14:56

Das war mein Highlight, so ähnlich wie Monkey Man

Matts
Matts
29. April, 2024 20:41

Hab ihn hier Tschechien schon regulär im Kino gesehen und ich muss ein paar Punkte gnädiger sein als der Wortvogel. Es gab einfach zu viele Momente in diesem Streifen, die ich extrem abgefeiert habe (Stichwort: Käsereibe).
Aber ich stimme zu: Es hätte dem Film besser getan, nur die überdreht-lustige Schiene zu fahren, antstatt im letzten Drittel plötzlich bierernst zu werden.
Ich wusste auch gar nicht, dass der vom Autor von SCHNEEFLÖCKCHEN ist. Schau mal an!

Thies
Thies
30. April, 2024 17:15
Reply to  Matts

Ich würde mich Matts Urteil anschließen. Er war einen Tick zu lang, was wohl der gleich bleibende Kritikpunkt beim Festival im Speziellen aber auch im Kino allgemein bleibt. Die Kunst kurz und knackig zu erzählen ist halt rückläufig. Und der in Hamburg anwesende Regisseur hat noch erzählt, dass die erste Schnittfassung fast 30 Minuten länger lief. Vielleicht hat dessen Präsenz auch für eine rosafarbene Brille gesorgt, aber ich fühlte mich zu drei vierteln sehr gut unterhalten.

Matthias U
Matthias U
5. Mai, 2024 20:11

Film *und* Genreparodie geht. Mir fällt dazu spontan “Tanz der Vampire” ein. Ist halt alles Andere als einfach, das so durchzuziehen, dass es funktioniert.

Lars
Lars
9. Mai, 2024 07:44

Ich bin ziemlich erstaunt, dass in der offiziellen Beschreibung noch „taubstumm“ verwendet wird. Mittlerweile sollte sich eigentlich rumgesprochen haben, dass der Begriff diskriminierend ist und zudem nicht den Tatsachen entspricht: https://de.wikipedia.org/wiki/Taubstummheit

Lars
Lars
10. Mai, 2024 11:51
Reply to  Torsten Dewi

Ich gehöre zu den Betroffenen und bin gehörlos. Der Begriff “gehörlos” ist medizinisch auch klar definiert und bezieht sich auf das Sprachverständnis. Das viele Gehörlose (gerade spätertaubte) durchaus noch bestimmte Frequenzen bei hohen Lautstärken wahrnehmen können stimmt (ist bei mir z.B. auch so), allerdings hat das in der Praxis keine Relevanz, da damit kein Sprachverstehen möglich ist (als Beispiel aus eigenem Erleben: wir hatten mein Hörgerät mal so eingestellt, dass die tiefen Frequenzen noch hörbar waren – nach 10 Minuten hatte ich von der Lautstärke Schwindelattacken…).

In der Gehörlosen-Community ist die Meinung so, wie sie auch im Wikipedia-Artikel berichtet wird, da die allermeisten Gehörlosen eben nicht stumm sind, sondern sich mit Gebärdensprache oder auch Lautsprache verständigen können. Die jeweiligen Kompetenzen sind sehr individuell und hängen von der jeweiligen “Hörgeschichte” ab. Spätertaubte können perfekt sprechen und sind auch eher Teil der hörenden Community (Cochlea Implantate haben da Wunder gewirkt). Wenn jemand bereits seit Geburt gehörlos wird, wird heutzutage häufig ein CI eingesetzt und damit ein halbwegs normaler Spracherwerb ermöglicht. Wo das nicht möglich oder erwünscht ist, kann die Lautsprache über Training trotzdem gelernt werden und zudem wird die Gebärdensprache zur Muttersprache. Das jemand heute in Deutschland gehörlos ist und keinerlei Sprache beherrscht, ist nahezu ausgeschlossen. Und damit sind diese Menschen alle nicht “stumm”.

Die Betroffenen weisen auch immer daraufhin, dass der Begriff veraltet ist (nix anderes mache ich ja gerade) und es gibt z.B. das Projekt Leidmedien, das von Behinderten geschaffen wurde, um Medien die Problematik einiger Begriffe zu erläutern. Dort gibt es auch einen Abschnitt zum Begriff “Taubstumm”” https://leidmedien.de/begriffe-ueber-behinderung-von-a-bis-z/#:~:text=alltagssprachlich%20untermauert%20wird.-,%E2%80%9ETaubstumm%E2%80%9C,-Geh%C3%B6rlose%20Menschen%20sind
Das Projekt scheint sich dann aber noch nicht bei allen Journalisten beim Spiegel rumgesprochen zu haben, wenn sie den Begriff immer noch verwenden.

Ich habe Dir übrigens nicht vorgeworfen, den Begriff verwendet zu haben, sondern war eher erstaunt, dass der Verleih oder das FFF den Begriff verwendet hat. Ich würde auch niemanden dafür angehen, den Begriff zu verwenden, sondern versuchen, Aufklärungsarbeit zu leisten. Da gibt es schlimmere Begriffe und Redewendungen, die viel eher massive Kritik verdienen.