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Sep 2023

Fantasy Filmfest 2023, Tag 4, Film 1: RAGING GRACE

Themen: Fantasy Filmf. 23, Film, TV & Presse |

England 2023. Regie: Paris Zarcilla. Darsteller: Max Eigenmann, Jaeden Boadilla, Leanne Best, David Hayman

Offizielle Synopsis: Ein dubioses Jobangebot bringt Joy in eine verstaubte Villa voller verhüllter Möbel. Hier soll sie sich mit strikten Anweisungen ihrer schroffen Arbeitgeberin Katherine um deren im Koma liegenden Onkel, Mr. Garret, kümmern. Dass Joy eine Tochter hat, darf niemand wissen und so schmuggelt sie die kleine Grace kurzerhand im Koffer ins Haus und versteckt sie im Schrank. Doch das aufgeweckte Mädchen findet immer neue Wege, die vielen Stockwerke zu durchstöbern, Joy zu erschrecken oder sich ihren Spaß mit dem gruseligen Onkel zu machen. Bis sie im Keller auf etwas Entsetzliches stößt und als dann auch noch der Alte erwacht, beginnt die Situation, grausam zu eskalieren.

Kritik: In diesem Fall ist die Videobotschaft vorab eine sehr klare Warnung gewesen – Regisseur Zarcilla wollte mit seinem Erstlingswerk die eigenen Erfahrungen als Philippino in England verarbeiten, die erlebten Vorurteile, das Gefühl des Zweitklassigen. Bei so etwas ahnt man sofort: Hier wird eine sehr individuelle Experience in ein therapeutisches Narrativ gepackt und die Horror-Elemente sind in den meisten Fällen nur Fassade, um den Film festivaltauglich zu machen. Das verkauft sich leichter.

Tatsächlich ist RAGING GRACE über weite Strecken ein Porträt der illegal in London lebenden Joy, die als Haushälterin arbeitet und verzweifelt versucht, das Geld für eine gefälschte Aufenthaltsgenehmigung für sich und ihre Tochter Grace zusammen zu kratzen. Der Job beim alten Mr. Garrett scheint ein Rettungsanker, denn es winkt viel Geld. Wenn Grace nur als ausgebildete Krankenschwester nicht schnell ahnen würde, dass es hier zum Himmel stinkt.

Anhand dieser Inhaltsangabe merkt ihr vielleicht schon: RAGING GRACE ist mehr ein Krimi-Mystery als ein Gruselfilm und tut sich keinen Gefallen, ständig die Suspense-Mechanisem des Gruselfilms aufzufahren, wo die Tropen des Krimis (Ermittlung, Aufdeckung, Schuldfrage) deutlich passender wären. Das bisschen, was er konkret Schocks und Schrecken aufbringt, ist dann auch weitgehend aus dem Bereich Alptraum und Tagtraum. Zarcilla kann aus RAGING GRACE keinen Horror machen, weil es kein Horror ist. Dafür wird die Zarcilla am Herzen liegende Kritik am Bürgertum, das seine Bediensteten verachtet und ausnutzt, mit dem Holzhammer transportiert: Die Weißen sind samt und sonders verlogene, gierige Schweine mit kolonialer Attitüde, während die brave Grace doch nur für ein würdiges Leben kämpft. Da ist keine Grauzone, kein Raum für Differenzierung.

Eigentlich schade, weil hinter dem Etikettenschwindel ein paar schöne Aufnahmen, Performances und Locations stecken. Mit einem klareren Fokus auf die Geschichte, nicht auf das Anliegen, hätte das ein schönes Krimi-Mystery sein können. Aber Zarcilla stolpert letztlich doch über die eigene Botschaft.

Fazit: Ein zu bemüht gesellschaftskritischer Mystery-Krimi, der sich als Gruselfilm getarnt und so auf das Festival geschlichen hat. Trotz handwerklich guter Leistung gibt das nur strenge 4 von 10 Punkten.

Kein Trailer



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Thomas Hortian
27. September, 2023 00:53

Ich fand eigentlich, dass die gelegentlichen Horror-Elemente eigentlich nur in Verbindung mit dem bissigen Witz gepaart wurden, um dort für etwas mehr Interesse und auch Unterhaltungswert zu sorgen, da der Film, wie Du ja auch schon sagst, eher auf seine Message bedacht ist. Das klappt nicht immer gut, aber gibt dem Ganzen für mich zumindest dann ein wenig Pepp, wo der Film sich eben nicht entscheiden mag, eine Mischung aus Drama mit Mystery-Elementen zu sein. Wahrscheinlich mag dies auch der fehlenden Fantasie des Machers geschuldet, der hier einfach keine passende Form für seine Geschichte fand.