IKEA muerte: Abenteuer mit dem Zombie-Bike
Themen: Neues |Die meisten von euch wissen vermutlich nicht einmal, dass IKEA 2016 ein Fahrrad auf den Markt gebracht hat – es hieß SLADDA. Hier findet ihr noch den Prospekt:
Die Besonderheiten: skandinavisch reduziertes Design, Gepäckträger mit Holzeinlage, geräumiger Anhänger, Riemenantrieb – und eine etwas eigenwillige Preispolitik. Kosten sollte das SLADDA satte 699 Euro, aber nur 499 Euro für IKEA Family-Mitglieder. Anhänger und weitere Extras nicht inbegriffen.
Unabhängige Tests zum Fahrrad fielen erstaunlich positiv aus. Allgemein wurden die Qualität der Teile, die Eignung als einfaches City-Bike und der in dieser Preisklasse seltene Riemenantrieb gelobt:
“Wer (…) ein einfaches, schönes, universelles und vor allem nahezu wartungsfreies Rad für eher gemütliches Tempo auf Stadt und Land sucht, dürfte beim Sladda genau richtig sein. Für 500€ gibt es hier sehr viel Rad für’s Geld.”
Einen in meinen Augen sehr guten Test findet man außerdem ausgerechnet bei der BILD. Und einen Red Dot Design Award konnte das SLADDA auch einsacken.
Für mich war das SLADDA damals eher uninteressant – ich fahre Vespa und sollte ich doch mal ein Rad brauchen, steht mein Kettler-Drahtesel bei meinen Eltern in Belgien. Deshalb bekam ich auch nicht mit, dass das SLADDA nicht gerade vom Glück verfolgt war – mehrere Risse des Riemenantriebs (immerhin von Continental) führten 2018 zu einem bundesweiten Rückruf des Fahrrads. Die Kunden bekamen ihr Geld zurück erstattet.
IKEA entschied sich, das Problem nicht zu lösen, sondern das SLADDA gleich ganz vom Markt zu nehmen. Unfälle ziehen ja immer gerne Schadenersatz- und Schmerzensgeld-Forderungen nach sich.
Nun hatte der schwedische Möbelgigant das Rad zwar nicht mehr im Programm, aber durchaus auf Lager. Man hatte schließlich vorproduziert und es darf unterstellt werden, dass ein paar Tausend SLADDA noch in den Hallen verstaubten. Was tun?
IKEA machte zwar keinen großen Wind drum, aber sehr offensichtlich verschacherte man die Restexemplare von SLADDA an den Fahrrad-Großfilialisten Stadler, bei dem plötzlich das “Dynabike Stadtrad” im Programm auftauchte:
Eindeutig das SLADDA – ohne Körbe und Anhänger. Vor allem aber: mit normalem Ketten- statt Riemenantrieb. Für 399 Euro. Ein sehr stabiler Preis für ein Rad, das in der teureren Version hoch gelobt wurde. Auch in dieser Version fielen die Tests sehr positiv aus.
Ich war zu diesem Zeitpunkt eher an einem VanMoof S3 Pedelec interessiert. Nun muss man sich aber manchmal den Realitäten stellen: Wenn ich eine längere Stadtstrecke fahren will, fahre ich Vespa. Und für kürzere Strecken ist ein Pedelec Overkill. Zumal ich wieder etwas besser in Form kommen möchte und die LvA sich gerade ein “normales” Fahrrad gekauft hat, was zu Ausflügen ins Münchner Umland einlädt.
Aber all das motivierte mich nicht, aktiv nach einem neuen Zweirad zu schauen, zumal ich vom SLADDA bis dahin noch nie etwas gehört hatte. Das änderte sich erst durch den Hinweis auf einer Schnäppchen-Seite, von der ich erfuhr, dass Stadler das “Dynabike Stadtrad” nochmal deutlich im Preis gesenkt hatte – man wollte wohl die Lager räumen:
133 Euro für ein 28 Zoll-Rad, das ursprünglich mindestens 500 Euro gekostet hat. DAS reizte mich dann schon. Zumal mein Kettler in Belgien zwischenzeitlich einem Hochwasser zum Opfer gefallen war.
Es ist eine Sache, ein billig in Asien zusammen gestoppeltes Billigrad zu kaufen – eine andere, ein hochwertiges Fahrrad zum Ausverkaufspreis abzugreifen. Also bestellte ich mir kurzerhand das “Dynabike Stadtrad” aka SLADDA (in der Münchner Filiale war es leider ausverkauft). Und letzte Woche kam es in einem monströsen Karton an.
Vielleicht lag es am Fantasy Filmfest, aber ich kam auf die depperte Idee, das Unboxing und die Schrauberei am Rad auf Video für euch aufzunehmen. Die langweiligen Stellen habe ich auf Zeitraffer gestellt:
Ehrlich gesagt bin ich im Nachhinein wirklich froh, das Rad von Stadler und nicht von IKEA gekauft zu haben, denn ein Blick in die Original-Anleitung zeigt, dass man das Rad bei den Schweden deutlich aufwändiger zusammen setzen musste:
Hier lediglich: Pedalen dranschrauben, Lichtset anbringen, Sattel und Lenker justieren. Fertig.
Insgesamt macht das Rad einen hervorragenden Eindruck und gefällt mir vom Styling her, als wäre es ein echtes VanMoof:
Ich habe bei Amazon dann noch fix ein Schloss und Hosenklammern gekauft.
Die Frage brennt euch sicherlich unter den Nägeln: Wie fährt es sich denn nun, das untote IKEA-Fahrrad in seiner DYNABIKE-Wiederkehr? Die Antwort gab ein erster Ausflug zur zwei Kilometer entfernten Bäckerei zwecks Aneignung von Brötchen.
Erster Eindruck: es fährt sich nicht wie 133 Euro, auch nicht wie 699 Euro, aber durchaus wie um die 400 Euro. Extrem smooth, lautlos, gut austariert und dank des Unisex-Rahmens auch komfortabel beim Auf- und Abstieg. Die 2 Gang-Automatik und der Rücktritt sind gewöhnungsbedürftig, aber die Lernkurve ist flach und kurz. Sicher kein Bike für lange Touren oder die Berge (schon allein wegen der Rücktritt-Bremse), aber für genau das, was ich damit machen will, ziemlich ideal. Ihr seht einen zufriedenen Vogel:
Der Unisex-Rahmen macht das SLADDA übrigens auch leicht greif- und tragbar. Das wird mir bei S-Bahnen und Unterführungen sehr zupass kommen.
Mein Urteil? Wenn man einfaches, aber sehr schickes und robustes Stadtrad braucht, wird man kein vergleichbares Modell finden, das derart solide Mittelklasse-Qualität zu einem solchen Ramschpreis bietet. 133 Euro für ein gutes Fahrrad – ja, ist denn noch 1980? Ich bin begeistert – nun muss ich das SLADDA/Dynabike nur auch fleißig nutzen. Man wird sehen…
Dem aktuellen Stand nach gibt es das Fahrrad bei Stadler wohl noch immer.
P.S.: Ich denke auch darüber nach, das Fahrrad mittelfristig zu pimpen – besseres Licht, Trinkflasche, Sattel mit Federung. Selbst dann kommt der Preis nicht mal in die Nähe eines vergleichbaren City-Bikes.
Fahrrad pimpen ist ein gutes Stichwort. Mein Cityrad mit hinten einem Riesenkorb (gefüllten großen Gepäckkoffer konnte ich damit stehend perfekt transportieren, außerdem auch mehrmals Holzkohlegrill, Kohlebeutel und was man sonst noch brauchte um auf dem Lindener Berg zu grillen) und vorne ein Korb wo eine gefüllte Einkaufstüte reinpasste, ermöglichte mir in Hannover bessere Mobilität (Einkaufen usw.) als das Auto. War allerdings peinlich hässlich. Und viel zu schwer.
Deswegen müsste ich mal folgendes ausfindig machen:
– Große einfach abnehmbare Körbe hinten und vorne, die trotzdem belastbar sind, wie Gepäckträgerkörbe.
– Vorne und hinten Rahmen um möglichst tief (vor allem vorne ist ein niedriger Schwerpunkt wichtig zwecks Lenkbarkeit) die genialen geräumigen (Ortlieb / Vaude) Fahrradtaschen einzuklipsen.
Nur zum Pizza transportieren habe ich dann noch keine Lösung. Vielleicht doch ein Gepäckträger, wobei ich nicht weiß ob da eine Schachtel mit Pizza drauf hält.
Für den Gepäckträger gibts mittlerweile recht vielseitige Systemlösungen, wie Racktime oder MIK.
Für die Pizza fällt mir auch nur ein Lieferrucksack ein.
Danke.
Du schreibst “kein Bike für die Berge”. Ich kann mir das mit dieser Zweigang-“Automatikschaltung” gar nicht so recht vorstellen. Ist das wirklich nur etwas fürs absolut flache Land, oder kommt man damit trotzdem noch kleine Steigungen hoch, ohne sich ein E-Bike herbeizuwünschen?
Frage für dein Alter + 5 Jahre + 10 Kilo.
Tut mir leid, aber da würde ich tatsächlich abraten – bei 17km/h schaltet das DYNABIKE hoch und dann wird es schon deutlich schwerer mit der Trampelei. Andererseits: an Steigungen schaffst du den Speed sowieso nicht, da ist es de facto ein Eingangrad: https://de.wikipedia.org/wiki/Eingangrad
Aye, danke dir für die Rückmeldung.
Haha, super. Ich schaue auch gerade nach einem billigen City-Rad.
Vielen Dank für den Test. Gekauft! 🙂
Für solche Kommentare lebe ich.
Ja, ich auch, hat jemand noch einen Tip für einen wirklich bequemen weichen Ersatzsattel?
Da habe ich leider gar keine Expertise. Ich werde versuchen, den Sattel meines alten Fahrrad zu reaktivieren – sollte es nötig sein.
Danke Wortvogel! Soeben auch ein Fahrrad bestellt. Für den Preis echt spitze. Und mit Newsletter Anmeldung noch 5,00 € günstiger 😉
Ich hätte auch einige Fragen zur 2-Gang-Automatik:
Kommt man mit dem Rad gut an Steigungen wie z. B. am Friedensengel oder dem Nockherberg zurecht? 😀
Wie ist der Komfort auf längeren Strecken, wie z. B. 10-15 km?
Fahre derzeit ein gemietetes Hollandrad mit dem ich eigentlich sehr zufrieden bin, aber das Design des Sladda/Dynabike und der Preis überzeugen mich auch sehr 😀
Beim Nockherberg kann man das Rad sicher super schieben. Bei längeren Strecken mag ein leichteres Bike mit schmaleren Reifen besser sein. Ich plane aber selber, dreimal die Woche mindestens 15 Kilometer mit dem SLADDA zu fahren.
Danke 😀
Ich lese hier jetzt schon eine ganze Weile mit. Einfach weil dieser Blog sehr Unterhaltsam ist und mich gelehrt hat das sogar Artikel über das Backen spaß machen können. Hatte ich eher nicht erwartet. Aber das ich hier sogar passgenaue Kaufberatung bekomme ist wirklich neu und auch überraschend.
Ich hatte bisher ein schon älteres, und damals gebraucht gekauftes Rad, welches ich hauptsächlich zum Einkaufen uns sonstige Besorgungen benutze. (Ich habe kein Auto dafür aber mehr als ein Fahrrad) Die alte Möhre fällt aber so langsam auseinander, also fing ich grade an wieder ein gebrauchtes Rad, so um die 100€, zu suchen. Und zack lese ich hier deinen Artikel! Neues Rad, genau das was ich gesucht habe, für 133€. Besser geht‘s ja gar nicht. Direkt nach lesen des Blogeintrag gekauft. Echt Toll! Hoffentlich kommt es bald.
Da es ja ein Rad zum Einkaufen sein soll habe ich den Gepäckträger für nur 14,99€ gleich mitbestellt. Leider gibt es den Frontkorb bei Stadler wohl nicht mehr.
Weiss jemand ob man den noch irgendwo bekommen kann?
Aber mir ist in dem Beitrag etwas aufgefallen. Ist das letzte Bild authentisch? So fährst mit dem Rad? Falls ja, ist es nicht gut auf deine Körpergröße eingestellt. Das sieht echt nicht gut aus. Bedenke: über 50 jahre alte Knie müssen geschont werden, wenn sie noch ein Weilchen halten sollen. Auch auf den Rücken sollte man ein Auge haben.
Das letzte Bild ist authentisch, ist aber perspektivisch etwas verzerrt – das Rad ist deutlich größer und gut auf meine Haltung eingestellt. Freut mich, dass ich helfen konnte.
Hoffentlich komme ich jetzt nicht zu besserwisserisch rüber. Aber wenn ich mir das Bild anschaue dann fallen mir so ein paar typische Punkte auf , die darauf hindeuten das da wohl keine besonders gelenk- und rückengerechte Fahrweise zustande kommt. Falls es dich interessiert kann ich gern mehr dazu sagen.