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Feb 2023

Wortvogel im Vegan-Wahn

Themen: Neues |

Ist die Katze aus dem Haus, tanzen die Mäuse auf dem Tisch. Sagt man so. Bei uns heißt das: Ist die LvA aus dem Haus, tanzt der Wortvogel auf dem Esstisch.

Wir haben in den letzten drei Jahren unsere Ernährung umgestellt – nicht geplant oder mit Ziel, aber angetrieben von einem schlechten Gewissen. Weniger Fleisch, in Tierbelangen fast ausschließlich Bioprodukte (Eier, Wurst, Milch, etc.), mehr Körner im Brot, praktisch keine Schokolade mehr. Aus Gründen, auf die ich noch eingehen werde, gibt es aktuell auch keine Süßgetränke in unserem Haushalt.

Wir wollen uns gesünder ernähren, ohne radikal zu werden. Den Vegetariern kommen wir näher, die Veganer bleiben uns fremd.

Ich gestehe, dass ich selber aus grundsätzlichen Erwägungen – mit Ausnahmen – nichts von veganer Wurst, veganen Torten und veganen Schnitzeln halte. Wer auf Tierprodukte verzichten möchte, sollte in meinen Augen auch keine nachgeahmten Tierprodukte essen. Aber das soll jeder halten, wie er mag.

Wer den Wortvogel kennt, der weiß aber: selbst die ehernen Prinzipen müssen ins Abseits, wenn es darum geht, neue Konsumprodukte zu testen. Dann sind auch vegane Ersatzprodukte nicht tabu – in Abwesenheit der LvA, die so etwas nicht gänzlich irregeleitet für Unsinn hält.

Und so nutzte ich das sturmfreie Wochenende, um endlich mal zwei Sachen aus dem Speiseschrank zu kramen, die ich in Abweichung von der Einkaufsliste beim Discounter in den Wagen gepackt hatte. Zwei unauffällige Tütchen, die unter Zuhilfenahme von Wasser einmal Bio-“Rührei” und einmal Bio-“Fleischbällchen” zaubern sollten.

Mein Test ist dabei extrem basic – es geht mir weder um den Produktpreis noch um die Inhaltsstoffe. Was mich interessiert hat, ist die Textur, der Geruch, der Geschmack des veganen Nu-Food.

Fangen wir mit den “veggie Balls” an, die mit heißem Wasser zu einer extrem klebrigen Masse aufquellen, aus der sich 8-10 Mini-Bratlinge formen und braten lassen. Das sieht grundsätzlich nicht schlecht aus, wenn auch etwas trocken:

Der Geschmackstest fällt entsprechend aus: grundsätzlich nicht schlecht, wenn auch etwas trocken. Da kann man mit Gewürzen und entsprechendem Ketchup sicher nachhelfen. Das Kaugefühl ist allerdings etwas bröselig und der Geschmack brotiger, als ich es mir gewünscht hätte. Kein Vergleich mit den veganen Patties.

Ein Totalausfall war der Versuch, die übrig gebliebenen Bratlinge am nächsten Tag kalt zu essen. Das schmeckt nur noch nach Sägespänen. Es fehlen die Proteine, das Fett, die Elastizität echten Fleisches. An keiner Stelle mehr als ein Imitat.

Und was ist mit dem Rührei? Das wird ebenfalls mit (kaltem) Wasser aufgerührt und dann in der Pfanne erhitzt. Look & Feel sind dabei einer echten Eierspeise erstaunlich ähnlich, es dickt auch entsprechend ein und wird braun. Das Ergebnis sieht 70 Prozent nach Rührei und 30 Prozent nach Pfannkuchen aus:

Kurioserweise schmeckt es auch GENAU SO: Aussehen und Geschmack passen durchaus zu einem anständigen Rührei, aber es verwirrt eine leicht teigige Konsistenz, die eher an Pfannkuchen erinnert. Dennoch ist das Ergebnis deutlich überzeugender als bei den Bratlingen – das hier kann ich mir als echte Alternative beim Frühstück wenigstens vorstellen, ohne aufzustoßen.

0:1 im Freundschaftsspiel zwischen “Bratlingen” und “Rührei”, demnach. Trotzdem kommt beides in absehbarer Zeit nicht mehr auf den Tisch, denn ich halte Hack und Eier für basics, auf die ich nicht verzichten möchte. Und seitdem wir da auf bio umgestellt haben, kann ich das auch tun, ohne den Blick in den Spiegel zu meiden.

Wie steht ihr dazu? Sehr ihr veganes Fake-Food auch kritisch oder ist das die ideale Brücke zwischen “normalem” Konsum und tierliebender Verzichtsernährung?

Ach ja, an Silke vorab: Super nett von dir, aber ich brauche keine Rezepte, mit denen das hier viel besser einfacher, und leckerer zu kochen ist.



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noyse
noyse
21. Februar, 2023 15:00

Anke Engelke hat in der Kurzstrecke erzählt, dass sie als Vegetariererin/Veganerin kein Problem mit Ei hat, weil Eier die Menstruation des Huhnes wäre und man ihnen eigentlich nichts wegnimmt 😉

Thomas
Thomas
21. Februar, 2023 15:06

Ich ess echt viel von den veganen Imitaten. Bin kein Vegetarier aber ich versuche, soweit es geht, auf Fleisch zu verzichten – da helfen diese Produkte immens. Insbesondere, wenn man das Zeug nicht pur isst, stellt es für mich eine akzeptable Alternative dar.
Nuggets mit einer guten Soße, “Like Meat Hähnchen” im Wrap, Rügenwalder “Leberwurst” auf Brot mit Senf (Rügenwalder “Salami” schmeckt übrigens furchtbar, der Schinkenspicker gut). Hatte auch mal irgendwelche “Fischstäbchen”, die waren mit Tsatsiki und Kartoffelsalat absolut ok.
Ohne einen direkten Vergleich, lässt sich mein Hirn überlisten und meine “Fleischeslust” wird gestillt.
Ich achte auch weniger auf Inhaltsstoffe und Preis, aber ich lass schonmal was liegen, weil die Plastikverpackung viel zu groß ist.

PabloD
PabloD
21. Februar, 2023 17:56
Reply to  Thomas

“Rügenwalder “Salami” schmeckt übrigens furchtbar, der Schinkenspicker gut”

Absolut.
Wie ein Produzent bei solch eigentlich recht ähnlichen Artikeln dermaßen unterschiedliche Qualität abliefern kann, ist fast schon wieder bemerkenswert. 😄

Stefan
Stefan
22. Februar, 2023 08:20
Reply to  PabloD

🤔 interessant.
Als Vegetarier, der ähnlich viel von direkten Fleischimitaten halt wie der Wortvogel, ist die Salami so ziemlich das einzige, was ich davon da habe, aber mit dem Schinkenspicker kannst du mich jagen. Kommt wohl darauf an, was man erwartet.

Mencken
Mencken
24. Februar, 2023 11:39
Reply to  Stefan

Ich mag wiederum beide, aber finde die Leberwurst eklig.

the f.
the f.
21. Februar, 2023 15:51

Diese veganen Fake-Produkte halte ich für komplett überflüssig, denn die fleischfreie Küche kann/könnte durchaus ohne Maskerade für sich selbst stehen.
Allerdings sehe ich die vegane Grundidee als romantischen Traum, der oftmals ideologisch & radikal überfrachtet wird – vegetarisches Leben ist da näher an der Realität.

Ich selbst bin zwar unverbesserlicher Fleischfresser (mit einem nachgemachten Mettigel auf Seitanbasis kann man mich nicht locken), aber für gute (!) vegetarische Küche genauso zu begeistern.
Nun spült ja hierzulande grad die asiatische Variante hoch: Insekten & Algen – hier sehe ich noch viele ausbaufähige & ressourcenschonende Möglichkeiten.
Und ja, das kann sehr lecker sein.

Comicfreak
Comicfreak
21. Februar, 2023 16:56

HEY!!!

Die Anrührfleischbällchen haben wir hier für den Notfall, sprich krank und nix im Haus.
Ausbaufähig, aber okay.

Und falls du mal Tipps willst (auch für gute Fertigprodukte) weißt du ja wie du mich findest

S-Man
S-Man
21. Februar, 2023 21:52

“Wer auf Tierprodukte verzichten möchte, sollte in meinen Augen auch keine nachgeahmten Tierprodukte essen.”

Hm, nö. Wenn ich auf Tierprodukte verzichte, weil ich es aus irgendwelchen Gründen für richtig erachte, aber dennoch eigentlich Wurst liebe, warum sollte ich dann nicht ein Wurstimitat essen dürfen? Wenn ich klassische Burger mag, warum sollte ich mir kein Beyond Meat drauf legen?

Und warum man keine veganen Torten essen soll, erschließt sich mir schon gar nicht: Was haben “richtige” Torten denn primär mit Tierprodukten zu tun? Klar, mag Ei im Teig sein oder Milch oder so, aber Torten zeichnen sich jetzt nicht durch Ei, sondern durch Zucker, Schoko, etc. aus. Wenn man das substituieren kann, und was tolles herausbekommt, das ist doch super.

Last edited 1 Jahr zuvor by S-Man
Thomas
Thomas
22. Februar, 2023 11:05
Reply to  Torsten Dewi

Naja, man lehnt ja nicht unbedingt das Produkt an sich ab, sondern das Tierleid, die Umweltverschmutzung und die katastrophalen Zustände für die Mitarbeiter bei, z. B., Tönnies.

the f.
the f.
21. Februar, 2023 22:32
Reply to  S-Man

warum man keine veganen Torten essen soll, erschließt sich mir schon gar nicht

sagt doch auch niemand. wer es mag…
Das “Du sollst (darfst) dies & das nicht essen” ist doch eher ein quasireligiöses Veganerargument.

Markus
22. Februar, 2023 02:05

Wegen solcher Beiträge bin ich hier vor 100 Jahren hängengeblieben und habe das (auch) wegen der Film- und Fernseh-Storys so gelassen. Dieser Hauch von Todesverachtung inspiriert mich mitunter, selbst mal neue Lebensmittelprodukte zu testen. Die beiden lasse ich wohl eher aus.

heino
heino
22. Februar, 2023 09:41

Wir haben auch vor ca. 2 Jahren auf Fleisch vom Bio-Metzger umgestellt und generell den Verbrauch verringert. Wenn man erst mal das Fleisch mit dem vom Discounter verglichen hat, will man nicht mehr zurück. Ich würde auch gerne weniger Wurst essen, aber ich mag keinen Käse, einen guten Ersatz für Wurst habe ich noch nicht gefunden und nur Schokocreme (Nutella kommt uns nur noch im Hotel auf den Tisch, bei Alnatura gibt es eine viel bessere Variante) und Marmelade ist halt auch keine Lösung.

Generell hoffe ich auf den Durchbruch bei Laborfleisch, das wäre in meinen Augen eine Lösung, die sowohl den Tieren als auch den Verbrauchern und Erzeugern entgegen käme. Aber das wird wohl noch dauern.

Rudi Ratlos
Rudi Ratlos
22. Februar, 2023 15:13

Eher aus einer Laune heraus habe ich mal das vegane (vegetarische?) Hack aus dem Aldi (Süd) geholt und war überrascht, dass man in der Tomatensauce zum normalen Rinderhack keinen geschmacklichen Unterschied gemerkt hat. Ob das jetzt aber für Fleischbällchen oder Burger Patties taugt, kann ich leider nicht sagen.
Insgesamt haben wir bei uns aber auch auf einen bewussteren Fleischkonsum umgestellt – lieber mal was Gutes vom Fleischer und dafür insgesamt weniger. Das klappt gut, komplett auf ein gutes Steak würde ich aber nicht verzichten wollen.

Oibert
Oibert
22. Februar, 2023 16:18

Also ich lebe seit fast seit 30 Jahren vegan und stehe total auf das fake Zeug.
Der Geschmack der Originale war für mich nie das Problem, da ich aus rein ethischen Gründen auf tierische Produkte verzichte.
Klar gibts da auch Zeug, dass einfach nicht gut schmeckt – und ich probier echt alles was mir unter die Finger kommt. Aber die Sachen die nix taugen sind meist recht schnell auch wieder in der Versenkung verschwunden

Der Genießer
Der Genießer
22. Februar, 2023 22:16

Kein Ersatz – entweder echtes ( im besten Falle artgerecht und tierwohlbeachtend) Fleisch oder keins. Es gibt auch in der herkömmlichen Küche wunderbare vegetarische und vegane Gerichte. Ansonsten kann man sich auch selbst vegetarische und vegane Gerichte ausdenken. Aber in mir sträubt sich alles gegen vegane Würstchen, Buletten und was sich die “Lebensmittelindustrie” sonst noch so ausdenkt. Wer keine Produkte von Tieren konsumieren möchte; okay. Aber vegetarische/vegane Produkte mit den eindeutig Tierprodukte enthaltenden Originalen zu bezeichnen? Nein, danke!
Königsberger Klopse, Bolognese und FLEISCHsalat sind nun mal nicht vegan!

Mile
Mile
23. Februar, 2023 08:56

Ist denn auch schon ein Fleischbällhchen oder gar eine Wurst nur ein Imitat? Ich erkenne jedenfalls keinerlei Ähnlichkeit zum Ursprungsprodukt Tier.

DSFARGEG
DSFARGEG
24. Februar, 2023 12:39

Ich ernähre mich seit über zwanzig Jahren vegetarisch, zwischendurch immer mal wieder ein paar Jahre vegan. Anscheinfleisch wie vegane Wurst halte ich für ein dem Zeitgeist geschuldetes Übergangsprodukt, grundsätzlich esse ich das Zeug aber gerne (abhängig vom Hersteller). Man sollte sich aber keine Illusionen machen – wirklich gesund ist das nicht.
…ich tue mich ein wenig schwer damit, in einer veganen Torte ein „nachgeahmtes Tierprodukt“ zu sehen.

Ines
Ines
24. Februar, 2023 20:50

Wir halten und schlachten unsere eigenen Tiere. Da wissen wir was drin ist und das die Tiere ein gutes Leben hatten. Das Gemüse dazu kommt aus unserem Garten- ganz natürlich, ohne Zusatzstoffe.
Ich denke man sollte sich mehr mit dem Produkt “Lebensmittel” beschäftigen und auch das Kleingedruckte auf den Verpackungen lesen, dann merkt man schnell, dass Ersatzprodukte/Fertiggerichte nicht zum natürlichen Speiseplan des Menschen gehören.

Lothar
Lothar
27. Februar, 2023 10:20
Reply to  Torsten Dewi

In Deutschland darf man doch gar nicht mehr selbst schlachten, oder gibt es da Ausnahmen?