05
Feb 2023

Fantasy Filmfest White Nights 2023 München (2): HIT BIG

Themen: FF White Nights 2023, Film, TV & Presse, Neues |

Finnland, Estland, Spanien 2022. Regie: J.-P. Valkeapää. Darsteller: Johannes Holopainen, Outi Mäenpää, Ilkka Heiskanen, Jari Pehkonen, Besir Zeciri

Story: Einst eine finnische Schönheitskönigin, hängt die in die Jahre gekommene Marjaleena nun an der Costa del Sol in ihrer Bar Bella ab. Kein Wunder, dass sie bei diesem Abstieg gern tief ins Glas guckt, am liebsten beim täglichen Saufgelage mit Alki-Kumpel Mikko und ihrem erwachsenen Sohn Vili. Alles hätte so unbeschwert weitergehen können, wäre da nicht die albanische Mafia, die ihnen immer mehr auf die Pelle rückt, und Marjaleenas verhasster Ex, der plötzlich aus dem Knast freikommt. Der will sich nun das Bella unter den Nagel reißen und bald findet das versoffene Trio auch heraus, warum: Im Keller unter der Bar lagert ein Heimlich zur Seite geschaffter Koffer Dineros.

Kritik: Seufz… ich mag den Veranstalter. Aber wenn er verwirrt auf der Bühne steht und versichert, dass er sich an HIT BIG eigentlich als schwarze Komödie erinnert hätte, der Film aber letztlich wohl doch wieder ein “Downer” sei, dann möchte man ihm einen Klaps auf den Hinterkopf geben. So eine Ankündigung ist nach LOCKDOWN TOWER wahrlich nicht förderlich, erst recht nicht bei einem finnischen Film mit Untertiteln, dafür aber ohne Genre-Elemente und über zwei Stunden Laufzeit.

Ich verrate kein Geheimnis, wenn ich sage, dass die LvA und ich eventuell in der überschaubaren Zukunft eine Reise nach Finnland planen. Wenn Filme wie VIDAR THE VAMPIRE und HIT BIG allerdings eine akkurate Beschreibung der finnischen Volksseele darstellen, müssen wir uns das noch mal überlegen.

Der Regisseur meinte in einer Videobotschaft vorab, dass HIT BIG der hoffentlich schmutzigste Film sei, den wir je zu sehen bekommen. Das stimmt nicht. Ja, siffig und dreckig und rotzig und schwitzig ist das Geschehen, und man möchte aus Angst vor ansteckenden Krankheiten in den Locations keine Requisiten anfassen, aber das ist Fassade, eine offensichtlich pubertäre Begeisterung für Ekel und Abscheu.

Valkeapää wühlt im Bodensatz, wo sich die Verlierer der Gesellschaft in Suff und Kriminalität finden, außerhalb der Sichtweite der Mittelschicht und der verantwortlichen Politik. Marjaleena, Mikko und Vili sind eine Zwangsgemeinschaft der Loser, die nichts mehr haben außer sich selbst und die schmerzhaften Erinnerungen an bessere Zeiten. Die Rückkehr von Worm wird zum Katalysator – entweder bricht die letzte Illusion zusammen oder ein Ausbruch aus der implodierenden Alkoholhölle wird möglich. Zumindest ist das Trio davon überzeugt – wir sind es nicht.

Ich bewundere die Konsequenz, mit der Valkeapää das Urlauberparadies als schwitziges Drecksloch aus menschlichen wie baulichen Ruinen darstellt. Ich bewundere auch den Mut der Darsteller, sich den Rollen soweit zu verschreiben, dass sie wie Abziehbilder einer besonders hässlichen HartzIV-Doku von RTL2 wirken. Im Gegensatz zu LOCKDOWN TOWER ist HIT BIG auch klar strukturiert, mit Antagonisten/Protagonisten, Ziel und Finale im Dritten Akt.

Aber letztlich muss man doch wieder mal die Frage stellen: was genau hat das auf dem FFF verloren? Warum bekomme ich vor dem Film lauter Trailer von Produktionen gezeigt, die ich hier viel lieber gesehen hätte? Warum lese ich auf einem Filmfestival mehr Text als im Internet, weil diesmal nur einer von zehn Filmen ohne Untertitel auskommt? Ist es denn so schwer, die Zielgruppe mit ein paar Monstern zu bedienen, mit ein paar Spezialeffekten, mit bekannten Schauspielern, mit Gänsehaut aus Amerika, England, Kanada? Ging doch in den 90ern auch. Seufz…

Fazit: Eine pechschwarze wie freudlose Loser-Krimikomödie, die etwas plakativ mutig Geschmacksgrenzen austestet, mit über zwei Stunden aber auch den Geduldsfaden strapaziert. 7 von 10 Punkten.

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Thies
Thies
20. August, 2023 18:20

Meine Frage dazu wäre gewesen, warum das ganze zwei Stunden dauern muss. Kostet die Zeit im Schneideraum mehr als das Gehalt der Darsteller.