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Jul 2021

Final Thoughts: LOKI

Themen: Film, TV & Presse |

Wer in die Serie noch nicht eingestiegen ist, sollte vielleicht erstmal meinen First Look für die Basics lesen. Ich warte solange.

Was als Erstes auffällt: Die ersten ein, zwei Folgen waren mal wieder ein cleverer “misdirect” von Marvel, die Antäuschung in eine Richtung, um dann urplötzlich in eine gänzlich andere Richtung abzudrehen. LOKI ist eben KEINE Buddy-Zeitreisegeschichte, sondern ein komplexes galaktisches Multiverse-Abenteuer, das wie keine andere MCU-Produktion bisher die pompösen und deliriösen Epen von Jack Kirby referenziert. Geschichten, in denen so etwas als normale Doppelseite durchgeht:

So macht sich Loki auf die Jagd nach dem Variant-Loki, nur um sich mit diesem zu verbünden, andere Multiverse-Lokis zu treffen und die Frage zu stellen, wer eigentlich für den heiligen Zeitstrom verantwortlich ist und warum dieser kein Baum mit vielen Ästen sein kann. Dabei rüttelt er an den Grundfesten den MCU und es ist zu erwarten, dass auch DAS Teil der nächsten Phase der Kinofilme sein wird (u.a. in DR. STRANGE 2).

Und wie die Kirby-Comics kann man sich an den Bildern besaufen, kann in pseudo-intellektuellen Dialogen baden und phantastische Ideen bewundern – solange man sich darauf konzentriert, nichts von dem Gesehenen in Frage zu stellen. Denn wahrlich (und wieder wie die Kirby-Comics): LOKI ist einem LSD-Trip ähnlich – ganz hip und stimmig, solange er dauert, aber hinterher genauso unverständlich und latent peinlich.

Es gibt viel zu mögen: sämtliche Darsteller sind großartig gecastet, besondere Erwähnung verdient dabei Richard E. Grant als alter Loki, dessen Kostüm so aussieht, als hätte man das MCU in den 70er Jahren konzipiert. Einige emotionale Moment greifen selbst bei Figuren, die wir hier nur angerissen bekommen. Die Farbchoreographie ist phantastisch und erschafft ein Universum neon-intensiver Fremdartigkeit. Wer genau hinschaut, entdeckt liebevolle Details – so ist der Palast am Ende der Zeit augenscheinlich mit der Kintsugi-Technik wieder und wieder repariert worden.

Andererseits wird zwischen den dynamischen Welt(en)reisen geredet. Wieder und wieder. Sehr lange und ausführlich. Über das Leben, das Universum und den ganzen Rest. Und selten kommt mehr als 42 dabei raus. Allein bei den Dialogen hätte man LOKI so einkürzen können, dass am Ende fünf statt sechs Folgen übrig geblieben wären. Und die komplette Kehrtwende von Loki zum Helden ist mir dann auch ein wenig zu simpel – es wäre der Geschichte und der weiteren Entwicklung des MCU dienlich gewesen, die Figur deutlich ambivalenter zu halten.

So ist LOKI letzten Endes gut, aber nicht, weil die Miniserie durchgehend gut ist – sondern weil sie abwechselnd grandios und dann wieder “meh” ist. Das kann man kritisieren, man kann aber auch festhalten, dass Marvel erneut bereit ist, nicht den bequemen Weg zu gehen und die Zuschauer durchaus über das erwartete Maß hinaus fordert.

Vor allem ist LOKI aber eins – DOCTOR WHO. There, I said it. Sechs Folgen permanent augenzwinkender “wibbly wobbly, timey wimey stuff” mit einem Hauptdarsteller, der sowieso perfekt die Nachfolge von Jodie Whittaker antreten könnte. Es geht mal wieder um das Universum, das Ende aller Realität, man schraubt hier ein bisschen am Raum/Zeit-Gefüge, dort ein wenig am Multiversum, die Gefährtin darf auch mal Ärsche treten und am Ende ist die Wirklichkeit mit Spucke und Tesa halbwegs wieder zusammen geklebt – etwaige Nebenwirkungen nicht auszuschließen.

Und wie bei DOCTOR WHO lebt LOKI mehr noch als die anderen MCU-Serien von der Frage, ob man bereit ist, sich auf den Ritt einzulassen, ob man dem Charme von Tom Hiddleston erliegt und ob man die Serie in einem Rutsch binged, um nicht zwischen den Folgen völlig die Übersicht zu verlieren.

Fazit: Eine zwischen Gefasel und Comic-Pomp schwankende Neujustierung des MCU, die allen Beteiligten und damit auch dem Zuschauer viel Spaß macht, die sich aber – wie WANDAVISION – nur schwer mit den üblichen Maßstäben bewerten lässt. Ich freue mich schon auf die nächste Runde:

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dermax
dermax
15. Juli, 2021 13:04

Sorry, bin schwerstens enttäuscht, denn für mich war der Gefasel-Anteil 6 Folgen lang bei Weitem zu hoch. Das gesamte TVA-Universum wird durch nichts zusammengehalten ausser Behauptungen, nichts ergab wirklich Sinn, es war halt möglich, was möglich sein musste. Und Gerede, Exposition, Gerede, Weiterleitung, zwischendurch latscht jemand durch ein Portal, damit sich was rührt… Ich hatte einen schweren Matrix-Reloaded-DejaVu in der Zitadelle (die auch plötzlich irgendwie durchs Weltall schwebt, weil am Ende der Zeit ja nix logisch sein muss), weil der grosse Alleswisser erklärt, was hier los ist und es trotzdem niemand rafft.
So sehr ich Wandavision hochinteressant fand, TFATWS eine spannende und actionreiche Serie war, hier sitz ich verärgert am Abspann.
Daneben null Verbindung zum MCU, ausser Loki lief da niemand rum, also nicht mal ein “hey, das ist doch”-Effekt.
Ich mag wirr reden, aber das passt auch zu dieser Serie…

Christian Siegel
17. Juli, 2021 13:59
Reply to  dermax

Ich kann den “Matrix: Reloaded” Flashback zwar teilweise nachvollziehen, finde aber dennoch, das du der Architekten-Szene damit ein bisschen unrecht tust. Weil die hatte zumindest insofern einen Sinn, als sie alles, was wir bis zu dem Zeitpunkt dachten über die Matrix zu wissen, auf den Kopf stellte, und auf einmal beide Filme in einem völlig neuen Licht erschienen. Natürlich: Was dort offenbart wurde, muss einem deshalb noch lange nicht gefallen, aber zumindest gab es diesen Aha-Effekt. Eben dieser hat mir hier leider völlig gefehlt.

Vader Ryderwood
Vader Ryderwood
15. Juli, 2021 22:28

Mit dem Wissen, dass alle TVAs Varianten sind, bin ich beruhigt zu wissen, dass Mobius in einem Universum Jetski fuhr… Im Ernst, ohne jemandem auf den Schlips treten zu wollen, ich bin froh, als Nurgucker zuzugucken. Ohne Hintergrundwissen um Produktion, Aufbau, Dramaturgie usw.. Langer Rede, kurzer Sinn: ich fühlte mich gut unterhalten. Und in einem stimme ich 150% zu, Tom als nächster Doctor. Und ich liebe Dr.Who!

Marko
16. Juli, 2021 09:23

Mir hat das gut gefallen. Ich bin abschließend überrascht, wie stringent eigentlich die ganze Staffel auf ihr Ziel hinausgelaufen ist. Marvel hat sich sichtlich bemüht, Chaos und Verwirrung zu stiften, aber im Grunde ist die gesamte erste Loki-Staffel “nur” ein schneller Weg zur Eröffnung des Multiversums. Tobey Maguire, Andrew Garfield und Tom Holland können nun wunderbar miteinander rumhüpfen, und Dr. Strange bekommt es hoffentlich mit einem Haufen “Madness” zu tun – die nächsten MCU-Filme versprechen (wieder) äußerst spaßig zu werden.

Andreas
Andreas
16. Juli, 2021 11:36
Reply to  Marko

Dieser Meinung möchte ich mich genau so anschließen.

Weil es gerade passt, passend dazu diese Folge zu Loki von Cinema-Therapie.
Der Channel ist einen Besuch wert.

Christian Siegel
17. Juli, 2021 13:56

Very late to the party, aber… ich tat mir mit Loki im Allgemeinen (weil eigentlich von Beginn an), und dem Finale im Speziellen doch eher schwer. WandaVision ist in meinen Augen die bisher einzige MCU-Miniserie, die auch wirklich nur als solche funktionieren konnte, und aus dem Format das Optimum herausgeholt hat. Da stand einfach wirklich jede Folge für sich, und unterschied sich vom Rest. Bei “The Falcon and the Winter Soldier” fand ich es schon diskussionswürdig, ob es wirklich eine sechsteilige Miniserie gebraucht hat, dort konnte man aber zumindest mit der thematischen Vielschichtigkeit, die sich so wohl in der Tat nicht in einen einzigen Film hätte unterbringen können, argumentieren (wobei ich eben darin in Wahrheit eins der Probleme der Serie sah, weil dabei dennoch einiges auf der Strecke blieb, wie das Flagsmasher-Anliegen, welches bis zuletzt mangels gutem Wordbuilding – wie du ja glaub ich im Review auch sehr schön festgestellt hast – zu vage blieb).

“Loki” hingegen ist nun die erste Serie, wo ich definitiv sagen muss: Das hätte nicht einfach nur ein Film sein können, sondern sollen/müssen. Wenn du jeweils zwei Folgen zu einer zusammenkürzt, hast du einen klassischen Dreiakter (1. Setting/Exposition, 2. Fortschreiten der Handlung bis hin zum Twist mit den falschen Zeitwächtern, 3. Finale) mit einer MCU-typischen Laufzeit von etwas über zwei Stunden. Und dann hast du halt auch nicht das Problem, dass sich über mehreren Wochen in denen du eine Serie verfolgst im Hinblick auf die große “Wer steckt da jetzt dahinter”-Offenbarung eine ganz andere Ewartungshaltung aufbaut, als im Verlauf eines Kinofilms. Weil, ganz ehrlich: Ich fand das einfach nur enttäuschend. Es half auch nichts, dass ich mit Jonathan Majors Darstellung der Figur in etwa so wenig anfangen konnte, wie damals mit Andrew Scotts Interpretation von Moriarty bei “Sherlock”. Unerwartet/ungewöhnlich ist nicht immer gleichbedeutend mit gut. Wenn man denn wenigstens ein Kaliber Marke Denzel Washington, Will Smith und/oder Jamie Foxx für die Rolle genommen hätte (Idris Elba haben sie ja schon für Heimdall verbraten), dann hätte sich, auch wenn man natürlich trotzdem keinen Bezug zur Figur hat, zumindest durchs Casting der von mir schmerzlich vermisste Wow-Effekt eingestellt. Aber so.

Als sich die Tore öffneten dachte ich ja für eine Minute, dieser Clippy-Verschnitt würde dahinterstecken. Die Idee, dass die TVA von einem Programm gesteuert wurde (das natürlich nur einem kalten Algorithmus folgt), hätte ich cool gefunden. Was für mich wohl den Reiz der wahren Offenbarung dann nochmal zusätzlich reduzierte.

Also ja, insgesamt hat mich “Loki” als erste MCU-Serie leider doch eher enttäuscht. 

Christian Siegel
19. Juli, 2021 16:28
Reply to  Torsten Dewi

Ja, das trifft den Nagel auf den Kopf. Wobei die Bösewichte bei Marvel genau genommen schon immer die Problemzone waren. Aber nach einigen positiven Ausnahmen (z.B. Killmonger), und insbesondere natürlich dem wirklich gelungenen Aufbau rund um Thanos, ist dieser Rückfall in alte Gewohnheiten rund um austauschbare, zweckmäßige Widersacher halt schon enttäuschend.

Last edited 2 Jahre zuvor by Christian Siegel
Andi Kyrsch
Andi Kyrsch
20. Juli, 2021 12:01

Ich fand die Miniserie sehr gut. Besonders das Zusammenspiel von Tom Hiddleston und Owen Wilson hat mir gefallen, da hätte ich gern mehr von gesehen. Optisch war die Serie, wie von Marvel, gewohnt hervorragend.
Storytechnisch gab es meiner Meinung nach zwar ein paar kleinere Hänger, über die ich aber locker hinweg sehen kann.
Die Einführung von Nathaniel Richards (ich vermute einfach, dass er es sein soll) als Bösewicht eröffnet eine Reihe von Möglichkeiten von Kang bis Immortus.
Das Ziel der Serie war ja offensichtlich das Multiversum ins MCU einzuführen und das ist Marvel hier bestens gelungen.
Aber so unterschiedlich sind halt die Geschmäcker.
ich bin jedenfalls auf die nächsten Filme und vor allem auf Staffel 2 gespannt.
Mein Fazit: Ich habe mich auf den Ritt eingelassen und wurde nicht enttäuscht.

Stefan
Stefan
21. Juli, 2021 09:07

Nach den ersten 3 Folgen dachte ich: Das ist ne Mischung aus Dr. Who und Stranger Things. Schön, dass du das ebenso siehst. Ich habe mich jedenfalls gut unterhalten gefühlt. Manchmal sind die Dialoge etwas lang, aber als Marvelfan akzeptiert man das. 🙂