Fantasy Filmfest 2020 (14): DINNER IN AMERICA
Themen: Fantasy Filmf. 20, Film, TV & Presse, Neues |USA 2020. Regie: Adam Carter Rehmeier. Darsteller: Kyle Gallner, Emily Skeggs, Griffin Gluck, Pat Healy, Mary Lynn Rajskub, David Yow, Hannah Marks, Nick Chinlund, Lea Thompson
Offizielle Synopsis: Sie sind das unwahrscheinlichste Leinwandpärchen seit Harold und Maude. Er ein aggressionsgetriebener Rebell mit Fluppe unterm Schnauzer, der keinen Satz ohne F***s und S***s zu Ende bringt. Sie eine gemobbte Einzelgängerin in fiesen Leggings und die schlechteste Tänzerin und Basketballspielerin, die man sich vorstellen kann. Simon und Patty treffen aufeinander, als der Gelegenheitspyromane mal wieder auf der Flucht vor der Polizei ist. Er lädt sich ein, bei ihr Unterschlupf zu suchen – sehr zum Verdruss von Pattys kleinem Bruder. Mit Familienzwist kennt sich Simon aber bestens aus. Schließich hat ihn seine eigene Familie erst jüngst verstoßen. Was ihn und Patty neben ihrem Außenseiterstatus eint, ist ihre Leidenschaft für räudigen Garagen-Punk. Nichts ersehnt sich Patty mehr, als ihre heißgeliebten Psyops endlich live zu sehen! Simon wird sie dorthin bringen – und beiden eine gehörige Überraschung bescheren.
Kritik: Jawoll. 106 Minuten zarte Romantik mit Masturbation, Brandstiftung, toten Katzen und Drogen. TWILIGHT für die Indie-Crowd, ein anarchistischer Stinkefinger gegen Suburbia und das christlich verlogene US-Bürgertum. BONNIE & CLYDE mit Happy End. Eine Liebesgeschichte mit Punk im Herzen. Zwei gegen alle.
Und nun mal schön langsam. Auch wenn DINNER IN AMERICA dazu einlädt, sollte man sich von seiner äußerlich ruppigen Attitüde nicht einlullen lassen.
Natürlich erfindet der Film das Außenseiter-Romanzen-Subgenre nicht neu – der oben gezogene Vergleich zu HAROLD & MAUDE ist durchaus berechtigt. Damit solche Figuren funktionieren, dürfen sie im Kern nicht das sein, was sie nach außen vorgeben. So ist Simon eben weder ein Hardcore-Junkie noch ein echter Krimineller, sondern "nur" ein Rebell gegen die Spießigkeit seiner Eltern. Und Patty ist weder zurückgeblieben noch hässlich, sondern lediglich das Mauerblümchen, dessen Potenzial noch niemand erkannt hat. Nichts an ihrer Liebe ist tatsächlich transgressiv oder gar schockierend.
Man kann auch kritisieren, dass solche Filme nur funktionieren, weil sie eine künstliche Welt bauen, die einen perfekten Gegenpol zu den Protagonisten bildet. Ich hatte das ja schon über BIRDS OF PREY geschrieben – wenn alle Männer Wichser sind, ist es für die Frauen okay, sie wie Dreck zu behandeln. Und so ist das antisoziale Verhalten von Simon und Patty nur im Kontext ihrer filmischen Wirklichkeit in Ordnung, in der das "Mainstream-America" komplett aus hirntoten, unterfickten, verlogenen und feigen Idioten besteht. Andererseits: dafür ist die filmische Wirklichkeit da – um für die Figuren zu existieren.
Man kann auch über die generell sehr bürgerliche Attitüde des Films diskutieren, die den rebellischen Anspruch ziemlich vollständig untergräbt, man kann jedes "fuck!" und jeden Gewaltausbruch für letztlich verlogen halten – aber es lässt sich nicht bestreiten, dass DINNER IN AMERICA verdammt viel Spaß macht und uns sehr konsequent auf die Seite der Protagonisten zieht. Der Cast leistet wirklich Erstaunliches, von den Hauptrollen bis zu den Nebenfiguren, und besonders der Song von Emily Skeggs ist ein Ohrwurm, der auf jede Playlist gehört.
Die alte Leier: Was GENAU hat der Film auf dem Fantasy Filmfest zu suchen? Hhhmmm. Eigentlich nix. Aber es gibt halt jedes Jahr ein paar Wildcards, die man zufrieden durchwinkt, einfach weil das Entertainment stimmt.
Parade der fast vergessenen 80er-Jungdarstellerinnen, Teil 3: Lea Thompson in einer kleinen Nebenrolle! Immer noch bezaubernd.
Fazit: In der Tat eine gelungene Außenseiter-Liebesgeschichte, die sich zwar an die Tropen des Genres hält, aber mit viel Witz, Charme und ein paar räudigen Ideen beim begeisterten Publikum punktet. 8 von 10 Punkten.
Kein Trailer, dafür ein Q&A mit den Beteiligten:
Ich hatte eine wirklich gute Zeit mit DINNER IN AMERICA. Nein, er müsste wirklich nicht auf dem FFF laufen – erst recht nicht als Centerpiece – aber ich bin nicht sauer, dass er da war. Tatsächlich ist er vielleicht das nötige Gegengewicht zu BRING ME HOME…
Stimme zu, bzw. sehe ihn insgesamt sogar noch ne Spur kritischer als du. Aber: Welches antisoziale Verhalten – nämlich von den beiden – meinst du genau? Von der Brandstiftung gleich zu Beginn abgesehen wäre mir da nichts ins Auge gestochen.
Mit antisozial ist ja nicht nur Kriminalität gemeint, sondern auch die Missachtung sozialer Normen – wie Patty z.B. Fotos von ihrer Masturbation an John Q. schickt. Die "Inszenierung" der beiden Leichtathleten fällt auch darunter. Oder die Weitergabe von Drogen an Pattys Bruder. Keine großen Sachen – aber genau das "moniere" ich ja auch.
Alles klar. Hätte ich längst nicht so kritisch gesehen, aber verstehe (jetzt), was du meinst :-).