08
Sep 2019

Fantasy Filmfest 2019 Tag 4, Film 4: Feedback

Themen: Fantasy Filmf. 19, Film, TV & Presse, Neues |

USA/Spanien 2019. Regie: Pedro C. Alonso. Darsteller: Eddie Marsan, Paul Anderson, Ivana Baquero, Richard Brake, Alexis Rodney, Oliver Coopersmith, Nacho Aldeguer, Alana Boden, Anthony Stewart Head

Offizielle Synopsis: Das Radio ist tot – lang lebe das Radio! Oder besser: Lang kämpfe man in einer Radiostation ums nackte Überleben. Als der populäre Showhost Jarvis Dolan eines Nachts auf Sendung geht und plötzlich maskierte Einbrecher vor der Studiotür stehen, ist es noch sein geringstes Problem, dass sie ihm mit einer Schere die Finger abschneiden wollen. Wenn Jarvis seine ohnehin schon oft ins Eingemachte gehende Talkshow „Grim Reality“ nicht so zu Ende bringt, wie die Täter es verlangen, werden die Folgen noch wesentlich weitreichender sein.

Kritik: Eddie Marsan hat eine von diesen Hackfressen, die man schon in hundert Filmen und Serien gesehen hat. Immer der Gangster, der Schläger, der Bösewicht, die Randfigur – Charakterdarsteller nennt man das freundlicherweise, wenn es nicht für Hauptrollen reicht. Auf dem FFF haben wir ihn u.a. in THE DISAPPEARENCE OF ALICE CREED und in LIMEHOUSE GOLEM gesehen.

Ich freue mich immer, wenn solche ständigen Nebendarsteller doch mal eine Hauptrolle ergattern können, wenn sie zeigen können, dass sie nicht nur die Peripherie, sondern auch das Zentrum einer Story bedienen können, wie z.B. Ned Beatty in SHADOWS IN THE STORM.

Und heute ist Eddie Marsan mal dran.

Sein Jarvis ist ein ganz harter Knochen – einer, der die hässliche Wahrheit über unsere Welt sagt und dabei keine Gefangenen macht. Er entlarvt, er deckt auf, er reißt die Masken runter – immer im Dienste der höheren Wahrheit. Als das Studio von maskierten Gewalttätern gestürmt wird, muss er zuerst glauben, dass es sich dabei um Rechtsradikale handelt, die ihn für seine Recherchen zur Rechenschaft ziehen wollen. Aber falsch gedacht: Es geht um eine Wahrheit in Jarvis’ Leben, die er nur zu gerne geheim halten möchte. Und nun wird sich zeigen, welche Maßstäbe der Radiomoderator bei sich selbst anlegt…

Das ist klasse inszeniert, mit dem Studio als kontrollierte Blase, als Gefängnis und als Panic Room gleichermaßen. Die anfängliche Konfusion weicht einem präzisen Katz & Maus-Spiel, in dem wir nie wissen, ob Jarvis nun endlich die Wahrheit sagt oder ob er um das Leben seiner Mitmenschen willen eine Lüge erfindet, die seine Scharfrichter zufrieden stellen könnte.

Immer wieder kippt das Machtverhältnis, immer wieder scheint Jarvis’ Rhetorik den Schrotflinten, Messern und Hämmern der Angreifer überlegen. Doch es reicht nie ganz und irgendwann wird klar, dass die Möglichkeiten der Lüge limitiert sind…

Ganz großes Tennis, keine Frage, zumal Eddie Marsan als zynischer Radiomoderator eine Schau ist. Sein Versuch, bei aller Eskalation irgendwie die Kontrolle zu behalten, ist wirklich sehenswert. Er ist nicht gewöhnt, Opfer zu sein oder Angeklagter.

Aber dann verstolpert sich FEEDBACK auf der Zielgeraden eben doch. Der Film lebt und atmet, dass wir NICHT wissen, was wirklich passiert ist in der folgenschweren Nacht im Hotel Europa in Bristol. Was ist ein erpresstes “Geständnis” wert? Würde nicht jeder alles zugeben, um seine Tochter zu retten? Hatte Jarvis nicht einfach erkannt, dass die Wahrheit nicht das war, was ihn hier retten könnte?

Nein, der Film muss sich festlegen, im Finale ebenso wie im Epilog. Die Ambivalenz der Handlung wird weitgehend aufgelöst. Ein “sauberes” Ende. Eins, das kaum Fragen offen lässt und damit deutlich unspannender ist als die Möglichkeit, dem Zuschauer ein eigenes Urteil zu erlauben.

Ich will aber nicht verschweigen, dass einige Zuschauer mit mir hinterher diskutieren wollten, ob die Auflösung nicht doch mehrerlei Interpretationen zulässt. Ich sehe das nicht so – ihr seht es vielleicht anders.

So oder ist FEEDBACK ein großer “kleiner” Film, nagelbeissend spannend und von ein paar extrem intensiven Darstellern getragen.

Fazit: Knallhartes Psycho-Kammerspiel mit einem überragenden Eddie Marsan, das nur wegen des ärgerlich konkreten Endes an der 9 vorbei schrappt. 8 von 10 Punkten.

Philipp sagt: Interessantes Setup, aus dem auch eine Menge rausgeholt wird.

https://www.youtube.com/watch?v=H1RWGk2csWo



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2 Kommentare
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Martin Däniken
Martin Däniken
16. September, 2019 15:38

Mir kam nach dem Sichten eine Filmweisheit in den Sinn, die ich dann sehr passend fand:
“Es gibt 3 Arten von Menschen…
Die F…er, die Gef…ten und die die F..er f…en.”
ein grossartige und nicht ganz stubenreine Ergänzung von
•”Es gibt zwei Arten von Menschen: die einen haben einen geladenen Revolver und die anderen buddeln!”
Leider weiss ich nicht mehr in welchen Film diese Weisheit(hihi) mitgeteilt wird?!
Und klar ist die einen denken sie wären die anderen,
dabei sind sie die einen und bleiben es…

Thies
Thies
21. September, 2019 11:26

Das mit dem Buddeln und dem Revolver stammt mit Sicherheit aus “The good, the bad and the ugly”.

Ach ja und zum Film: Hamburg, Tag 2, Film 3
Wie oben ausgeführt, spannend inszeniert und gut gespielt. Kann man jedem Genre-Freund empfehlen.