Fantasy Filmfest 2019 Tag 5, Film 1: All the Gods in the Sky
Themen: Fantasy Filmf. 19, Film, TV & Presse, Neues |Frankreich 2018. Regie: Quarxx. Darsteller: Jean-Luc Couchard, Melanie Gaydos, Thierry Frémont, Zelie Roxhon u.a.
Offizielle Synopsis: Es gibt diese Kindheitsmomente, die das gesamte Leben bestimmen. So schnell vorbei wie ein Wimpernschlag, tiefgreifend wie ein Orkan. Zwanzig Jahre nach dieser einen Mutprobe müssen die Geschwister Estelle und Simon immer noch mit ihren Folgen leben. Von Schuldgefühlen zerfressen, verrichtet Simon mechanisch sein Tagwerk als Fabrikarbeiter und betreut die bettlägerige Schwester im abgeschiedenen Elternhaus. Licht hinein bringt die junge Waise Zoé, die die Routine gehörig durcheinander wirbelt. Bald ist Simon überzeugt: Außerirdische werden kommen, um ihn und Estelle aus den körperlichen Gefängnissen zu befreien und sie emporzuheben in den Himmel! Lasst die Ärzte und Sozialarbeiter nur reden…
Kritik: Ich freue mich jedes Jahr über Filme, die mich herausfordern, deren Vorführung Widerwillen hervorruft, weil ich mit Dingen konfrontiert werde, die wehtun. WE ARE THE FLESH, CLIMAX, EX-DRUMMER, COMPLIANCE. Abgründe, in die ich nicht schauen mag – und hinterher doch froh bin, es getan zu haben.
Auch ALL THE GODS IN THE SKY ist so ein Film. Weil die Geschichte von Simon und Estelle eine Geschichte von Ereignissen ist, die es nicht geben dürfte und die man so nicht sehen will. Das Unglück der beiden Geschwister hat beider Leben nachhaltig zerstört – soweit, dass Simon nur noch glaubt, das Richtige zu tun, obwohl es genau das Falsche ist. Er flüchtet in eine Scheinwelt, statt Estelle in die Wirklichkeit zurück zu holen. Die kleine Zoé kann ebenso wenig helfen wie die Sozialarbeiterin. Und die Aliens, deren Kommen Simon so herbei sehnt? Wir ahnen, dass sie auch nicht die Lösung sein werden. Aber manchmal ergeben zwei Tragödien eine Erlösung, so wie zweimal minus einmal plus ergibt…
Für einen Erstlingsfilm ist ALL THE GODS IN THE SKY erstaunlich reif und zurückhaltend, aber mit einem sicheren Gespür für Stimmungen inszeniert. Man möchte dem Regisseur gratulieren – aber der Drang wird konterkariert von der Häme, die sein alberner Künstlername erzeugt.
Nun gut, man muss Mann und Werk ja bekanntlich trennen.
Der primäre Schauwert (ein grausames Wort in diesem Fall) ist natürlich die entstellte Estelle. Ich hatte mich die ganze Zeit gefragt, ob ihre Deformation echt ist, CGI oder MakeUp. Eine kurze Google-Suche bestätigt: Melanie Gaydos sieht wirklich (halbwegs) so aus – und ist ein erfolgreiches Model. Beating the odds. Respekt.
Der wirkliche Ausbrecher ist allerdings die kleine Zelie Roxhon, die eine gleichzeitig natürlich und extrem präzise Performance als Zoé abliefert. Aus der wird noch was. Schade, dass ihre Figur folgenlos aus der Narrative genommen wird.
ALL THE GODS IN THE SKY ist wieder so ein Film, den ich nicht bedingungslos empfehlen kann, obwohl er mir gefallen hat. Er bedient kaum klassische Horror-Tropen, ist eher unangenehm als gruselig, und in seinen thematischen Ansätzen mitunter etwas vage. Es ist ein Film, der etwas zu sagen hat – ob man das hören will, steht auf einem anderen Blatt. Und darum warne ich und verweise auf die oben genannten Beispiele. Wer so etwas mag, der ist hier vermutlich auch richtig. Wer aber zum FFF kommt, um Vampire und Kettensägen zu bejubeln, der sollte lieber eine rauchen gehen.
Fazit: Ein beeindruckender, trotz aller Schrecken und Depression positiver Film über Liebe und den Preis, den wir für sie zahlen. Über zarte Gemüter, aber nichts für zarte Gemüter. 8 von 10 Punkten.
Philipp sagt: "Macht eine Menge richtig. Schade, dass das Schicksal der sympathischsten Person nicht geklärt wird."
Hamburg, Tag 5, Film 1
Der Künstlername lädt tatsächlich zu Vorverurteilungen ein: "Das wird mit Sicherheit wieder Quarxx mit Soße!" 😉 Auch die Videoeinspielung des Regisseurs sorgte bei mir für Besorgnis, wenn er "love it or hate it" als Reaktionen auf den Film vorgibt. Das lässt schon vor Beginn auf einen prätentiösen Anspruch schließen, der vom Werk dann zum Glück nur teilweise bestätigt wird.
Denn im Kern wird hier eine zutiefst humane Geschichte erzählt und es hätte dem Film nicht nur der Länge wegen zugute getan den Story-Strang um die "Ausserirdischen" auf ein Minimum zu reduzieren. Vielleicht hätte man die so gewonnene Zeit dafür nutzen können die z.T. sehr skurrilen Nebenfiguren zu vertiefen.
Was auf jeden Fall nachwirkt ist der Epilog, der klar stellt das es dem Autor nicht um eine depressiv machende Darstellung von Schuld und Sühne ging, sondern um Vergebung und Erlösung. Da ist man dann trotz aller Reibungspunkte bereit, ihm seinen albernen Namen nachzusehen.
Genau das Problem mit dem Intro hatten wir auch – diese "man muss den Film lieben oder hassenn"-Nummer ist so unfassbar albern und selbstbesoffen, das gibt gleich mal einen Punkt Abzug.