Zombie-Zeitschriften: The last of the (in)famous international Playboys
Themen: Film, TV & Presse, Neues |Es kann helfen, vorab meine Abhandlung über die Geschichte des deutschen PLAYBOY-Magazins zu lesen.
Das hier ist eine ganz wilde Geschichte, darum braucht sie ein wenig Kontext.
In den 70ern wurde es mit der Legalisierung der Pornographie und dem Erscheinen deutscher Ausgaben von PLAYBOY und PENTHOUSE weitgehend statthaft, mit einem "nudity mag" in der Öffentlichkeit rumzulaufen.
In den 80ern schämte sich niemand mehr, im Büro oder der U-Bahn das Magazin mit dem Hasen "wegen der Interviews" zu lesen.
In den 90er drehte sich der Wind wieder, ein zunehmend konservatives Weltbild sorgte dafür, dass die nackten Tatsachen auf dem Cover zunehmend versteckt wurden und ein Haufen Magazine auf den Markt kamen, die zwar mit sexy Mädels köderten, aber niemals eine 16er-Freigabe benötigten: FHM, MAXIM, etc.
Einige der anwesenden Herren erinnern sich vielleicht:
In England waren diese "lads mags" noch deutlich populärer als bei uns.
Das Internet vernichtete nach 2000 die Existenzgrundlage dieser Hefte nachhaltig. Warum beschämt am Kiosk für etwas bezahlen, was man im Internet erheblich diskreter und kostenlos googeln kann? Sinkende Verkaufszahlen und nachlassende Werbebuchungen sorgten für einen steten Abstieg, um 2010 herum zogen die meisten Verlage die Reißleine.
Beim Playboy lief es nicht besser, nach und nach wurden immer mehr internationale Versionen eingestellt (Griechenland, Brasilien, Türkei), das Mutterblatt strich 2020 endgültig die Segel. Nur wenige Lizenzen laufen immer noch, darunter die robuste und weiterhin gut gemachte deutsche Ausgabe.
Kurzum: Das Regal mit den nicht jugendfreien, aber auch nicht pornographischen Magazinen dünnte sich zunehmend aus. Junge Frauen vermarkten ihre Sexualität heute über Instagram, tik tok und OnlyFans.
Und jetzt kommen wir zur Frage des Tages: Warum findet man an den entsprechenden Stellen im Internet immer noch neue Ausgaben von FHM, MAXIM und PLAYBOY aus Ländern, die teilweise nie eine eigene Lizenz erworben haben? Wo kommt die MAXIM Mexiko her, der PLAYBOY Dänemark?
Es ist ein Labyrinth, in das ich besser nie eingestiegen wäre – und meine Erkenntnisse muss ich teilen, um an ihnen nicht zu ersticken.
Fakt ist: FHM, MAXIM und PLAYBOY mögen in den meisten Märkten als Printmagazine tot sein, aber sie sind eben auch Marken mit einem gewissen Bekanntheitsgrad. Der Wert der Lizenzen mag stetig abgenommen haben – aber wenn es gelingt, die Kosten der Produktion immer weiter zu senken, kann man das abfangen, um auf niedrigem Niveau immer noch Gewinne einzufahren.
Bei meinem Versuch, die verworrene Lage etwas zu sortieren, stieß ich häufig auf zwei Namen: Santi Pintado aus Australien und Dirk Steenekamp aus Südafrika.
In einer MAXIM-Ausgabe von 2015 werden beide als internationale Chefredakteure für ihre Märkte gelistet:
Nachdem die meisten der Hefte international eingestellt worden sind, schlägt um 2017 die Stunde der "digital only"-Pioniere: Sie übernehmen die kompletten Lizenzen der Hefte und produzieren reine PDF-Ausgaben für das Internet. Druck- und Lieferkosten kann man sich ebenso sparen wie Grossisten und Remittenden. Papier ist geduldig, aber Kilobytes sind billig.
Pintado haut ab 2018 die MAXIM digital raus, aber nicht nur für Australien, auch für Mexiko und Neuseeland. Später gibt er zumindest Mexiko wieder ab.
Steenekamp kann sich zwar die MAXIM-Lizenz nicht krallen, aber er übernimmt dafür die Lizenz des Konkurrenzblatts FHM, das er für Australien, Neuseeland, Südafrika und Schweden als Digital-Magazin auf den Markt bringt.
Lasst euch von der fast professionellen Aufmachung nicht täuschen – das hier hat nichts mehr mit der FHM zu tun, nichts mehr mit der MAXIM. Was ab 2018/19 in den Markt gedrückt wird, sind untote Wiedergänger mit keinem anderen Anspruch als dem, die etablierten Marken wieder und wieder auszuquetschen.
Schon das Impressum zeigt, woher bei diesen Heften der Wind weht: Ein Chefredakteur, zwei bis drei Leute für Marketing und Social Media. Das bisschen, was an tatsächlichen Texten vorkommt, übernimmt man von Werbepartnern oder aus älteren Quellen (abwarten, das wird noch ganz wild). Die Autoren, Fotografen, Layouter, die früher den Stil der Magazine prägten? Verschwunden.
Ich kann nicht sagen, ob Pintados nuclear Media and Publishing und Steenekamps DHS Media geschäftlich verbunden sind – ich kann aber bestätigen, dass mit der Übernahme durch die beiden die Hefte zu Zwillingen werden, mit gleichen Themen, Anzeigen, ähnlichem Layout, und gleichem Umfang (exakt 100 Seiten).
Was noch mehr auffällt: Beide Hefte tragen zwar die Namen ihrer jeweiligen lokalen Lizenzen (Australien, Schweden), sind aber generisch für den internationalen Markt konzipiert, auf englisch und mit austauschbaren Schwerpunkten.
Ich halte es für weitgehend ausgeschlossen, dass die Digital-Hefte in dieser Form eine nennenswerte Leserschaft finden. Das ist aber auch komplett egal, weil sie gleich aus drei Richtungen Profit generieren können: Über Werbeanzeigen internationaler Luxuskonzerne, über schamloses und seitenlanges Product Placement, das als "Artikel" verkauft wird – und über die Degradierung der erotischen Fotostrecken vom Privileg zum Produkt, das beliebig ge/verkauft wird.
Aber dazu gleich mehr.
Steenekamp gibt die Lizenz für FHM nach einer Weile an eine Firma namens untapped media ab, die weder im Heft noch auf der Webseite ein Impressum für nötig hält und das Copyright auch seit 2020 (!) nicht mehr aktualisiert hat. Doch doch, das Heft erscheint noch. Aber WIE es erscheint, das macht fassungslos.
Diese Ausgabe vom April 2025 hat – ich erwähnte es – kein Impressum mehr. Zwischen endlosen Werbestrecken und uninteressanten, mies fotografierten jungen Damen finden sich kaum noch Texte, die den Begriff "Artikel" rechtfertigen.
Aber es gibt einen Beitrag, der meine Neugier weckte: satte 10 Seiten über "MUST-WATCH MOVIES THIS APRIL".
Zuerst einmal fällt mir auf, dass die beigefügten "Fotos" dieser Blockbuster allesamt generische Artwork sind , vermutlich von KI generiert:
Macht man den Fehler, den Text zu lesen, wird es vogelwild – das hier sind keine echten Filme, sondern KI-Fantasien, zusammengerührt aus diversen Quellen:
Der hier gefällt mir auch:
Keinen dieser Filme gibt es. Es handelt sich vollumfänglich um zehn Seiten Hirngespinste, Lügen, Scheiße. Das muss man sich erstmal trauen.
Da ist es nur folgerichtig, dass man einen Durchschuss / Zeilenabstand gewählt hat, der die Unterlängen abschneidet (siehe "g" bei Florence Pugh als Beispiel).
Nun kann man sagen: Was irgendwelche windigen Geschäftemacher mit ausgedienten Illustrierten-Lizenzen machen, sollte wirklich niemanden interessieren. Stimmt. Ich bin ein Nischenblogger mit einem Nischengeschmack.
Aber da gibt es ja immer noch den PLAYBOY und der ist trotz der Einstellung der Printausgabe 2020 immer noch ein Weltkonzern. Anfang des Jahres hat man sogar noch mal die Druckmaschinen als Lebenszeichen angeworfen:
Um 2019 herum – so kann ich nur vermuten – gibt Dirk Steenekamp die Lizenz für die FHM auch schon wieder weiter, weil er einen deutlich größeren Fisch an der Angel hat: er kauft den PLAYBOY. Also nicht den ganzen Konzern, sondern die Lizenz für internationale Ausgaben.
Und nun dreht Steenekamp richtig auf: PLAYBOY Norwegen, PLAYBOY Dänemark, PLAYBOY Finnland, PLAYBOY Schweden, PLAYBOY Australien, PLAYBOY Neuseeland, PLAYBOY Südafrika – mehr als ein halbes Dutzend Hefte entsteht in diesem unscheinbaren Gewerbepark im Norden von Johannisburg:
Wie man diese unfassbare Menge an Content Monat für Monat mit gerade mal einer Handvoll Mitarbeitern produziert, die weder schreiben noch fotografieren?
The answer may surprise you…
Sämtliche PLAYBOY-Ausgaben von Steenekamps DHS media sind Klone, bei denen sich lediglich die Cover und die Fotostrecken unterscheiden. Es ist völlig egal, ob man z.B. im April 2025 den PLAYBOY aus Australien
Es sind immer die gleichen 100 Seiten mit unterschiedlichen Covern. Der Vertrieb unter verschiedenen nationalen Labeln erhöht natürlich den Reiz dieses "globalen Marketings" nach dem Prinzip: wenn ihr bei uns eine Anzeige schaltet, erscheint die in sieben verschiedenen Heften auf drei Kontinenten!
Bei der "Befüllung" ist es Steenekamp erschreckend wurscht, ob bestimmte Artikel (Steuertricks!) lokal gar nicht anwendbar sind oder ob man aus einem alten PLAYBOY ein Interview übernommen hat, dessen Star längst gestorben ist. Hauptsache, die exakt 100 anvisierten Seiten werden erreicht.
Wie schlampig das ganze Heft zusammen gestellt wird, kann man auch daran erkennen, dass die Artikel ihre Ankündigungen nicht einlösen müssen. So verspricht das Cover dieses finnischen Playboy eine Geschichte des Horrorfilms:
Leider findet sich im Heft von Mitte 2024 lediglich ein Interview mit dem Autor des Buches "Paperbacks from Hell" von 2017, in dem es um Taschenbücher geht.
Das Interview mit Jerry Seinfeld ist übrigens unglaubliche 32 Jahre alt und ich habe das Gefühl, das Wort "archive" auf dem Cover wurde versehentlich mitkopiert.
Nun mögen die schlaueren Leser fragen, warum man sich denn ausgerechnet bei den Mädels die Mühe macht, unterschiedliche Strecken in die unterschiedlichen Ausgaben zu nehmen. Steht der Australier nicht genauso auf langbeinige Blondinen wie der Schwede und der Japaner?
Hier wird es wirklich interessant.
Der PLAYBOY war immer dafür bekannt, die schönen und prominenten Frauen dieser Welt auszuziehen. Die Monroe war schon ein Star, aus Pamela Anderson wurde einer gemacht. Wenn man als junge Frau mit Nacktfotos bekannt werden wollte, war der PLAYBOY die respektabelste Adresse. Playmate zu werden war eine Auszeichnung – auch wenn das rückblickend sehr albern gewesen sein mag.
Nicht mehr. Bei Steenekamp kann man sich selber zur "Playmate" küren, in dem man die Bilder selbst produziert und der PLAYBOY sie dann gegen Gebühr bei sich ins Heft nimmt – so behauptet zumindest ein Artikel in der New York Post:
Magazine covers are still jealously guarded terrain for editors of most US publications. But they are increasingly “for sale” in a shadowy overseas market where wannabe pinup girls are promised prime media real estate in exchange for a fee — often as much as $10,000, not including the cost of the wardrobe, makeup, shooting and editing, which is also paid for by the model.
Schaut man sich das "Niveau" des PLAYBOY unter Steenekamp an, dann wird das Geschäftsmodell sehr offensichtlich – diese Unternehmerin hätte es nie in einen "echten" Playboy geschafft:
Weil diese Damen sich ihre Pictorials kaufen, können sie natürlich auch bestimmen – weder müssen sie sich tatsächlich ausziehen, noch müssen die Bilder dem hohen Standard entsprechen, der den PLAYBOY in besseren Zeiten auszeichnete.
Und so ist DAS der einzig wirklich nationale Aspekt der internationalen PLAYBOY-Klone: alternde Geschäftsfrauen und Nachwuchs-Influenzerinnen, die sich für Geld einkaufen und danach stolz auf Instagram verkünden "Hurra! Ich bin Playboy-Model! Was für eine Ehre!"
Wenn das noch nicht für das Ego reicht, kauft man sich halt noch ein Cover der MAXIM oder der FHM, wie es z.B. Imogen Lovell gemacht hat:
Dass die niemand kennt und niemand sehen will? Geschenkt.
Besonders drollig ist dabei, dass die Mädels meist nicht mehr bereit sind, sich tatsächlich ausziehen (und der digitale Vertrieb als jugendfrei da auch enge Grenzen setzt). So beschreibt sich Lovell in der MAXIM als
"I’m a Nudist. I was born and raised a nudie and always will be until the day I die.”
Im PLAYBOY antwortet sie auf die Frage "You’re on the premiere cover of Playboy Denmark, are you excited?" mit
"Of course, because I love being naked."
Ist sie aber nicht. Ich habe den Verdacht, dass die lobhudelnden Interviews ebenfalls von KI geschrieben wurden – es wird auch nie vergessen, sämtliche Social Media-Kanäle der Playmates, die eigentlich Kundinnen sind, zu erwähnen.
Laut New York Post sind aber nicht nur die Mädels selbst an der Misere schuld – viele werden wohl von skrupellosen Fotografen geködert, die ihnen viel Kohle für eine Bildstrecke abnehmen, weil sie keine Ahnung haben, dass der Geldfluss bei solchen Magazinen eigentlich in die Gegenrichtung laufen sollte.
Was bleibt? Ein Horde Klone bekannter Männermagazine, angefüllt mit Werbung und Gefälligkeitsartikeln, mittlerweile immer mehr auch mit KI und Fotostrecken minder attraktiver Frauen, die vor ihren Freundinnen angeben wollen. Da alles universell angelegt ist, kann man genauso gut zum PLAYBOY Schweden wie zum PLAYBOY Neuseeland greifen.
Was für ein Typ Dirk Steenekamp ist? Das lässt sich ganz gut aus diesem Podcast folgern, der augenscheinlich auch nur aufgenommen wurde, um der Eigenwerbung zu dienen. Er kommt wohl aus einem Background in Mixed Martial Arts und jongliert zu jeder Zeit ein Dutzend Geschäftsideen.
136 Aufrufe in 11 Monaten – ich vermute mal, das ist vergleichbar mit den Verkaufszahlen der PLAYBOY-Klone…
Es ist ein Rätsel, warum das Playboy-Mutterhaus dieser geschäftsschädigenden Farce nicht längst ein Ende gesetzt hat. Money rules, I guess.
Gerade angesichts der durchaus bemerkenswerten Geschichte und Relevanz des PLAYBOYS macht mich diese Entwicklung abwechselnd wütend und traurig. Das Magazin hatte sich überlebt, klar – aber es hätte einen würdigen Tod verdient und nicht diese Existenz als durch die Digitalsphäre schlurfender Bunny-Zombie.
Wow! Das war ja mal ein "Sprung in den Kaninchenbau" wie man heute wohl sagt. Hätte nicht gedacht, dass KI jetzt schon ganze Artikel zusammenfantasiert und Menschen dafür auch noch Geld ausgeben. Ich muss zugeben, wenn mir eine weibliche Bekanntschaft erzählt hätte sie wäre Playboy Model, hätte mich das vor der Lektüre deines Artikels wohl sehr beeindruckt.
Eine Kleinigkeit: Hieß das Magazin nicht auch in Deutschland "Penthouse"?
Korrigiert, danke.
Was für "Unternehmen" sind das denn, die dort noch ernsthaft Geld für Werbung reinstecken?
Natürlich nicht mehr viele – aber ich denke mal, 80 Prozent des Textanteils ist Product Placement. Wenn es sich nicht rechnen würde, gäbe es das Geschäftsmodell nicht seit sieben Jahren.
Danke für diesen, wieder mal lesenswerten Artikel.
Zwei Anmerkungen: Das Interview mit Philip K. Dick in einer dieser "Herrenzeitschriften" musste ich in vor Internet Zeiten lange und schambehaftet suchen. Es gehört weiterhin zu einem der (dem?) besten, was er je gegeben hat.
Ich lasse mir mit Suchmaschinen jeden Monat die englischsprachigen Magazine zu meinen Interessen Aquaristik/Ichthyologie und Schallplatten/record collecting anzeigen. Da ist immer viel Mist/Ausschuss/formal falsches dabei. Aber immer der Playboy, und immer in zig Ländern-Nationen-Regionen. Und lässt sich auch wenig (mit meinen bescheidenen skills) vorher herausfiltern. Scheinen da gut aufgestellt zu sein. Oder die reine Marke "Playboy" reicht doch so weit, immer noch.
Vielen Dank dafür, sehr unterhaltsam!
Interessant!