13
Juni 2025

Reise-Resterampe (1): Benelux

Themen: Neues |

Ich bin in den letzten Wochen nicht dazu gekommen, Fotos von meinen Reisen zu teilen. Das hole ich nun nach – auch, weil ich mich verpflichtet fühle, denn ich bin vielen meiner Leser dankbar für die tollen Tipps, an die wir uns teilweise sogar gehalten haben. Die Weisheit der Masse, so sieht sie aus.

Mitte Mai wollten wir unbedingt raus, aber es war uns auch nicht nach Fernreise. Wir kamen schließlich auf die Idee, mal an die holländische Küste zu reisen, konnten uns aber nicht auf ein singuläres Ziel einigen. Amsterdam? Den Haag? Rotterdam? Ich warf mutig die Idee in den Raum, einfach alles mitzunehmen, von Luxemburg über Belgien bis Holland rauf. Auf Empfehlung meiner Leser kamen noch Gent und Brügge dazu, durch Zufall auch noch Spa und kleinere Orte wie Leiden, Delft, und Haarlem.

Das klingt nach ausgewachsenem Wahnsinn für gerade mal eine Woche, aber ich gebe zu bedenken, dass die gesamte Strecke gerade mal 580 Kilometer beträgt – weniger als meine übliche Fahrt von München nach Düsseldorf oder Berlin.

Am ersten Tag fahren wir also nach Luxemburg – ein Stadtstaat, von dem ich keinerlei Vorstellung habe und mit dem ich allenfalls das Attribut "multilingual" verbinde. Wir übernachten in Gehweite der Altstadt:

Joah, geht schon. Alte Häuser, nette Restaurants, viele Touristen. Erstaunlich wenig Identität, zumindest beim oberflächlichen Spaziergang durch die Gassen. Kann man machen, kann man auch auslassen. Es ist bezeichnend, dass ich nicht mal mehr weiß, wo wir abends gegessen haben.

Bemerkenswert finde ich allenfalls die große Auswahl an deutschen Romanheften im Zeitschriftenladen – vorbildlich ist das Wort:

Am nächsten Tag machen wir uns auf den Weg gen Brüssel und kommen dabei in St. Vith vorbei, dem Stammsitz meiner Familie. Und weil die Belgier gerne kompetetiv radeln, gibt es natürlich ein Straßenrennen zu besichtigen:

Leserin Chrissie hat uns bei (Wanderer, kommst du nach) Spa das Landhotel Manoir des Leboiles ans Herz gelegt und wir lassen uns nicht zweimal bitten:

In der Tat sehr schön, sehr englisch, perfekt für einen Zwischenstopp.

Der Kurort Spa wirkt auf uns wie ein kleineres Baden-Baden mit seinen Prachtbauten aus der Kaiserzeit und dem prominenten Casino. Dort haben wir unser erstes wirklich bemerkenswertes Erlebnis: Ein (deutscher) Manager des neuen Luxushotels vor Ort spricht uns an, ob wir die heiligen Hallen auch mal von innen sehen wollen. Bei Champagner und leiser Musik führt er uns über eine Stunde durch den neun Jahre lang renovierten Prachtbau, dessen Luxus fast sakral wirkt. Architektonische Details, den Ankauf bestimmter Antiquitäten, der Stilmix – alles wird uns en detail erklärt.

Es wäre nicht Belgien, wenn es nicht eine Hergé-Ausstellung gäbe:

Danach weiter nach Brüssel – eine Stadt, deren architektonische Vielfalt fast schon überfordert. Aber es gibt auch tolle Nischenläden zu entdecken:

Je näher man dem Zentrum kommt, desto mehr wuchert die Stadt mit ihren Pfunden – und desto teurer wird sie auch:

Wieder ein Tipp der Leser – das Frites-Atelier:

Ja, alles sehr lecker, aber eben auch sehr teuer und als Düsseldorfer können mich gut frittierte Pommes nicht begeistern, die sind daheim sowieso Standard. Erdnuss-Soße auf Fritten ist eine interessante, aber nicht notwendige Erfahrung.

Übernachtet wird im Motel One und am nächsten Morgen setzen wir uns in einen Sightseeing-Bus (was ich bei den meisten Metropolen empfehlen kann, um einen ersten Überblick zu bekommen). Die Geschichte Brüssels sorgt für Abwechslung, auch wenn der Bus im Stadtkern kaum durchkommt. Viel Prunk aus der Kaiserzeit, viel Art Deco, aber auch die der EU geschuldete Moderne:

Das Atomium mag eine billige "photo op" sein, aber der vor ein paar Jahren sanierte Hingucker ist wirklich faszinierend, wenn man davor steht. Und drumherum gibt es viele Messen und Erlebnisparks zu entdecken.

Brüssel beweist, dass man viele Ideen auch ohne viel Geld umsetzen kann, wenn man das Stadtbild verschönern möchte:

Nächster Lesertipp: nicht sofort weiter nach Holland, sondern unbedingt Station machen in Gent und Brügge. Beim Wort Brügge bin ich sofort an Bord:

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Zuerst aber nach Gent – und wahrlich, was für ein Kleinod!

Ein malerisches Städtchen mit Festung, vielen entspannten Lokalen und genau der Sorte Fritten "auf die Kralle", wie der Wortvogel sie mag:

Weiter nach Brügge. Vergleichbar mit Gent, nur etwas größer und von mehr Touristen überlaufen (Touristen, bäh!). Wer sich für Architektur interessiert, kann hier die Speicherkarte seiner Digitalkamera füllen:

Der Wortvogel versucht sich lieber kulinarisch und kauft bei einem Amerikaner eine Waffel am Stiel, in weiße Schokolade getunkt und mit Spekulatius bestreut:

Auch hier ist uns kein Bleiben vergönnt, Holland ruft!

Zu Holland habe ich ein gespaltenes Verhältnis: Ich mag die Käskoppe in ihren Landesgrenzen, auf deutschen Autobahnen und im Privatfernsehen können sie mir mal im Mondschein begegnen. Als Kind fuhren wir lieber nach Bramel, obwohl die holländische Grenze so nah war, dass ich mit dem Fahrrad hinradeln konnte. Die einzigen Ausflüge nach Venlo, an die ich mich erinnern kann, dienten dem Kauf von Zigaretten (Kinder durften zwei Stangen pro Nase aus/einführen). Unser Lohn für den Transport von weichen Drogen: Pommes und Vla.

Aus Rücksicht auf die LvA bleiben wir ab jetzt in einem sehr schönen B&B in Voorhout, strategisch gut gelegen zwischen Amsterdam und Rotterdam / Den Haag, außerdem nur einen Steinwurf vom Strand in Nordwijk. Wir nehmen uns den Tipp der Herbergsmutter zu Herzen und speisen nicht an der Promenade, sondern in einem der vielen Restaurants, die direkt am Strand aufgebaut sind. Ich esse einen der besten vegetarischen (veganen?) Burger meines Lebens:

Die Restaurants am Strand kann ich für die gesamte Region empfehlen: angenehm groß, gut eingerichtet, breit aufgestellte Küche, gehobene, aber nicht unverschämte Preise. Wir haben das weidlich genutzt.

Nächster Tag: Leiden. Ein Ort, der von vielen Menschen als "der schönste Hollands" empfohlen wird. Versuch macht kluch!

Und ja, Leiden ist atemberaubend schön und gleichzeitig extrem entspannt. Der Touristenstrom hält sich in Grenzen und man hat das Gefühl, "echtes Holland" zu erleben – ganz besonders, wenn man eine Bootstour rund um die Altstadt mitmacht. Das Paradies stelle ich mir ungefähr so vor:

Zum Abend wieder an die See. Lange Sandstrände, mietbare Hütten, ein paar Hunde, steife Brise – das entspricht meine Vorstellung von Urlaub:

Wir landen diesmal in einem Restaurant, dessen Einrichtungsstil uns sehr entgegen kommt, denn wir sind schließlich echte Fans von Midcentury Modern:

Am nächsten Tag geht’s nach Amsterdam. Eine Großstadt, abwechslungsreich, aber auch durchseucht vom Nervengift Tourismus. Wir lassen nichts aus:

Eine weitere Bootstour führt uns u.a. am Anne Frank-Haus vorbei (lange Schlangen), aber man erlebt auch, wie der Holländer das Leben genießt:

Wer genauer hinguckt, kann tolle Schnappschüsse machen:

Gleich mehrere Leser hatten uns eine ehemalige Werft-Insel empfohlen, zu der man mit einer kostenlosen Fähre übersetzen kann. Wir sind leider zu müde für Ausstellungen oder Events, spazieren nur ein bisschen herum. Beeindruckend die Schaukeln auf einem Hochhausdach:

Wir essen, wir trinken, wir lachen, wir fahren wieder.

Weil ich schon mal eine Reportage über Delfter Kacheln geschrieben habe, lassen wir den Ort natürlich nicht aus – hier fährt meine Oma nicht im Hühnerstall Motorrad, sie kampfrudert mit ihren Freundinnen auf dem Fluss:

In einem Handwerksladen eine tolle Idee entdeckt: Alte Bücher, die mit neuem Innenteil zu Notizbüchern umgestaltet werden.

Weiter nach Den Haag, eine Großstadt, deren arabische und asiatische Viertel man sofort erkennt, als wäre man in London:

Dieses Kaufhaus hat uns massiv beeindruckt – nicht nur von außen:

So sieht da der Treppenaufgang aus:

Eine Gedenkminute für den ollen Acula, dem ich das hier gerne mitgebracht hätte:

Generell ein Kaufhaus, das an die Hochzeiten dieser Konsumtempel erinnert.

Ein Plakat macht uns auf eine Ausstellung zur Geschichte des Desserts aufmerksam, die wir uns nicht entgehen lassen wollen. Schließlich stehen aktuell auch neue Folgen von THE GREAT BRITISH BAKE OFF: THE PROFESSIONALS an.

Wir sind von der Ausstellung und der Lokalität schwer begeistert:

Zum Abend wieder an den Strand – nicht jedes Bier ist eine gute Idee:

Aber die Location macht alle Defizite wett und fördert das Wohlgefühl.

Ist Norman Bates nach Holland umgezogen? Kann das mal wer prüfen?

Neben Fritten und Moderatoren produziert Holland vor allem Blumen. In der Tat sind die "Pflanzenmärkte" dort monströse Eventhallen irgendwo zwischen IKEA, Disneyland und XXXLutz:

Ich fotografiere bei sowas immer gerne "hinter den Kulissen":

Wir beschließen, uns vor der Abfahrt hier noch den Kofferraum mit Pflanzen, einem Katzenbrunnen, Küchenkräutern und diversen Deko-Artikeln zu füllen.

Nach Haarlem treibt es am nächsten Tag, aber wenn man Leiden und Delft gesehen hat, kann man das auch auslassen. Schön, aber nicht erinnerlich. Es gibt Fritten mit Frikandel und frittiertem Huhn für die Arterien:

Der Wortvogel grinst feist und zufrieden – that’s the life!

Eher durch Zufall und im Vorbeifahren haben wir das wirkliche Highlight der Reise entdeckt – das Louwman-Museum bei Den Haag. Ein unfassbar edler Bau mit der größten Sammlung an Oldtimern, die ich je gesehen habe. Über 250 Prachtexemplare von den ersten Motordroschken bis zu den modernen PS-Protzern stehen hier, alle aus einer privaten Sammlung. Man muss kein Autofan sein, um immer wieder Herzflattern zu bekommen:

Nur ein paar der Highlights:

  • Autos aus GOLDFINGER und DER PATE
  • Die Panzerwagen von Winston Churchill und Elvis
  • Gemälde u.a. von Rembrandt und Norman Rockwell
  • Das einzige noch existierende Exemplar des ersten Toyota
  • Elektrische Carsharing-Miniautos aus den 70ern

Das alles ist hervorragend aufgearbeitet und kuratiert, man lernt viel über Sinn und Unsinn des Individualverkehrs. Ein "must see", fürwahr.

Und so geht die Reise dann auch langsam zu Ende. Ein letzter Abend am Strand, ein letztes Idyll mit der Kamera einfangen:

Für Rotterdam hat es nicht mehr gereicht, auch ein paar malerische Dörfer im Norden warten umsonst auf uns. Wir decken uns beim Supermarkt mit Vla und Backwaren ein und fahren über Düsseldorf (Cousine besuchen) gen München. Dank des Zwischenstopps eine vertretbar lange Fahrt.

Am Abend sitzen wir auf der heimischen Terrasse mit den Katzen und lassen das Ges(ch)ehene Revue passieren. Es war erheblich schöner, als wir erwartet hatten, erheblich mehr. Die Kombination aus sehenswerten Städten und Strand war ein perfekter Erholungsmix, dem wir uns gerne mal wieder aussetzen werden.

Viele neue Magneten für den Kühlschrank.

Hätte man mehr Ausstellungen besuchen können, mehr Sehenswürdigkeiten? Klar. Aber diese Reise sollte einer ersten Orientierung dienen, sollte aussieben, was wir beim nächsten Mal auslassen können.

Und damit nochmal danke an alle Leser hier und auf Facebook, die uns mit guten Tipps geholfen haben, auch diese Reise unvergesslich zu machen.



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6 Kommentare
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heino
heino
13. Juni, 2025 16:05

Brüssel fand ich in der Tat sehr interessant und das Atomium ist von innen noch viel faszinierender als von außen. Schade, dass ihr den Rührei-Burger dort wohl nicht erwischt habt, der ist super.
Luxemburg fand ich auch eher nichtssagend und Amsterdam hat mich bis auf das Werftgelände doch sehr enttäuscht. Sehr überraschend finde ich eure Bilder aus Den Haag, da war ich Anfang der 90er zweimal und fand es damals extrem häßlich. Da scheint sich viel zum Positiven geändert zu haben. Insgesamt sieht das nach einer schönen Reise aus. Wir fahren Ende August nach Lüttich, da bin ich auch sehr gespannt drauf

Ingo Ahrens
Ingo Ahrens
13. Juni, 2025 17:47

Was "alte Bücher zu Notizen" angeht, gibt’s in Hamburg mit Romanheften. Schöne Sache, ich kannte bisher nur die Umwandlung von (meist) Kinder- und Jugendbüchern in Kleiderhakenboards.

notebooks
Rudi Ratlos
Rudi Ratlos
16. Juni, 2025 19:28

Two Chef‘s macht doch sehr geile Biere, bin schockiert 😉

Freunde haben letztes Jahr eine ähnliche Tour gemacht (aber mit Rotterdam), die war aber wesentlich Brauerei-lastiger.

petz
petz
17. Juni, 2025 08:33

Man kann von Luxemburg halten, was man will, aber als Einheimischer kann ich den falschen Fakt "Stadtstaat" nicht sitzen lassen. Das Land ist grösser und bietet viel mehr als nur die Hauptstadt. Besonders im Norden gibt es ganz tolle Wandertouren (zu Fuss oder mit dem Fahrrad) in der Natur.