Filmkritik zum Frühstück (1):
LOVE LIES BLEEDING
Themen: FF Nights 2024, Film, TV & Presse |
Präambel: Ich habe – abgesehen vom Fantasy Filmfest – in den letzten Jahren den Bereich Filmkritik hier etwas schleifen lassen. Das liegt primär daran, dass ich meine Zeit mit zu vielen sinnlosen YouTube-Videos und sinnvollen Abenden mit meiner Frau rumbringe, die keinerlei Interesse an Genrefilmen hat.
Aber ich habe etwas, das ich "leere Zeit" nenne – ab ca. 22.00 Uhr, wenn die LvA eingeschlafen ist und ich noch bis in den frühen Morgen am Macbook sitze. Diese Zeit will ich künftig etwas produktiver nutzen, in dem ich grundsätzlich einen Film nachhole, der mir bisher durch die Lappen gegangen war. Am nächsten Morgen schreibe ich dann die (hoffentlich kurze) Kritik für meine neue Rubrik "Filmkritik zum Frühstück". Das geht durch alle Genres – be afraid. Be very afraid.
Keine Ahnung, ob ich das durchhalte. Den Anfang machen auf jeden Fall die beiden Filme, die ich bei den Fantasy Filmfest Nights im April auslassen musste.
USA 2024. Regie: Rose Glass. Darsteller: Kristen Stewart, Katy O’Brian, Jena Malone, Anna Baryshnikov, Dave Franco, Ed Harris, Eldon Jones u.a.
Offizielle Synopsis: In einem verschlafenen Kaff irgendwo in New Mexico fristet Lou ein tristes Dasein. Sie jobbt im Fitnessstudio, reinigt die verdreckten Toiletten und wird immerzu von ihrer proletarischen Ex-Freundin bedrängt. Bodybuilderin Jackie träumt derweil vom großen Triumph bei einem Wettbewerb in Las Vegas. Auf dem Weg dahin muss sie aber etwas Geld verdienen – auch wenn sie dafür mit einem schmierigen Kerl schlafen muss. Als die beiden Frauen aufeinandertreffen, verlieben sie sich Hals über Kopf und stürzen sich in eine intensive Beziehung, die von leidenschaftlichem Sex, aber auch Jackies hartem Training bestimmt ist. Doch das Städtchen ist fest in der Hand von Lous kriminellem Vater und auch Jackie ist längst in dessen Netz verfangen. So wird schnell eine Spirale der Gewalt in Gang gesetzt und Lou muss bald ganz andere Dinge als Toiletten säubern…
Kritik: Love lies bleeding wurde vom Veranstalter mit großer Begeisterung präsentiert und es gehört zu den Klischees des Festivals, dass dann Vorsicht geboten ist. Klischee deshalb, weil es oft genug stimmt, mittlerweile aber auch nicht mehr in Stein gemeißelt ist. So waren der Veranstalter und ich uns z.B. bei FANNY LYE DELIVER’D ebenso einig wie bei ROBOT DREAMS.
Hier bin ich nicht sicher, ob ich Rainer Stefan folgen kann. Das hängt mit der Frage zusammen, was LOVE LIES BLEEDING sein möchte – und was er tatsächlich ist.
Rose Glass, eine Regisseurin aus dem LGBTG+-Umfeld, wollte sehr augenscheinlich einen Neo-Noir drehen, der als tragische Liebesgeschichte im Zentrum eben nicht den weltmüden harten Kerl präsentiert, der sich fatal in die geheimnisvolle Schönheit verliebt, sondern eine weltmüde harte Lesbe, die sich fatal in eine geheimnisvolle Bodybuilderin verliebt.
Ich rechne es Glass hoch an, dass sie dabei nicht nur per search & replace im Skript einen "gender swap" vornimmt, sondern den Figuren eine völlig eigene Dynamik verleiht, die der neuen Konstellation angemessen ist. Lou kann keine männliche Autorität einbringen, Jackies körperliche Präsenz ist mit Steroiden erzwungen. Das ist nicht cool, das wirft die Spielregeln des Genres um.
Auch in Sachen Sex ist LLB erfreulich authentisch und inszeniert die körperliche Liebe von Lou und Jackie nicht so, wie Männer sich lesbischen Geschlechtsverkehr vorstellen – heterosexuell, nur eben ohne Penis. Die Intimität der Frauen ist kein nacktes Schaulaufen für die männlichen Zuschauer (siehe HAGEN).
Visuell ist der Film ein Genuss, mit satten grün-gelb-roten Bildern und scharfen Nachtaufnahmen, die mitunter die Intensität von Fieberträumen haben.
Bei den Darstellern gestehe ich, dass Kristen Stewart, deren ganze "persona" ich für extrem nervig halte, den Film an sich reißt. Sie legt überraschende Details in ihre Performance, wo die Kollegen nur Dienst nach Vorschrift leisten.
Damit enden die positiven Aspekte – und die negativen wiegen schwer. LOVE LIES BLEEDING ist ein Film, der sich an einem Genre andockt, ohne sich wirklich dafür zu interessieren. Die Story besteht letztlich aus Klischees, die Ziele der Figuren bleiben vage, die Konflikte wirken aus dem Baukasten geklaubt. Ed Harris spielt den skrupellosen Lokal-Bösewicht wie im Schlaf, und wo kein übergreifendes Thema eingeführt wird, kann es am Ende auch nicht aufgelöst werden. Nach hinten raus verläuft der Film ohne Aussage oder Erkenntnis im Sand.
Etwas aufgestoßen ist mir auch die immer mehr normalisierte Idee, dass die Protagonistinnen durch ihre Außenseiter-Stellung irgendwie sakrosankt sind, ihre lesbische Liebe in der hässlichen Männerwelt einer moralischen Freikarte entspricht. Das wird nicht mehr reflektiert und auch am Ende nicht gesühnt.
Stellenweise überhebt sich LLB auch bei dem Versuch, symbolische Bilder für die inneren Konflikte der Protagonisten zu finden (Jackie kotzt Lou wortwörtlich aus und wird durch die Steroide zu einer She-Hulk-esken Gigantin). Das ist einfach nicht konsequent genug eingeführt und halbgar durchgezogen.
So bleibt ein Film, der einen frischen Ansatz eines altes Genres zu finden versucht, diesen aber nicht vollends überzeugend umzusetzen versteht.
Fazit: Ein von hypnotischer Ästhetik und den Spielregeln des Neo-Noir gerade noch in den grünen Bereich getragenes Crime Drama, dessen Regisseurin mehr an der lesbischen Lovestory als an einem tatsächlichen Plot interessiert ist. 7 von 10 Punkten.
Mir hat der gut gefallen. Das Fazit kann ich aber trotzdem so stehenlassen.
Das ist das Beste, was ich erhoffen kann – dass man meine Kritik nachvollziehen kann, auch wenn man sie nicht teilt.
Und: der war auf den FFF Nights? Ja, das Thema ist totgeritten, aber: da gehört sowas doch nun wirklich nicht hin.
Man darf nie vergessen, dass die FFF-Veranstalter der LGBTQ+-Szene sehr nahestehen.
OK, das ist keine Rechtfertigung, wohl aber eine Erklärung.
Filmkritiken schleifen lassen kann man nun wahrlich nicht vorwerfen, auch außerhalb vom FF nicht.
Was mich immer so interessiert: wann und wie lange schläfst Du denn dann? 🙂
Intensiv und viel. Mein Tag ist ja flexibel.