08
Sep 2023

Fantasy Filmfest 2023, Tag 2, Film 2: LOST IN THE STARS

Themen: Fantasy Filmf. 23, Film, TV & Presse |

China 2022. Regie: Rui Cui, Xiang Liu. Darsteller: Yilong Zhu, Ni Ni, Janice Man, Jiang Du

Offizielle Synopsis: He Fei ist verzweifelt: Seit 15 Tagen wird seine Frau Li Muzi vermisst, doch niemand glaubt ihm. Am Tag darauf liegt plötzlich eine Frau neben ihm im Bett – doch das ist nicht Li Muzi! Sie sieht anders aus, spricht anders, verhält sich anders. Aber wie kann es dann sein, dass die gemeinsamen Urlaubsfotos diese unbekannte Schöne zeigen? „Du verträgst deine Medikamente nicht, Schatz“, versucht sie, ihn zu beruhigen. Aber der verzweifelte Ehemann ist sich sicher: Hinter all dem steckt eine Verschwörung! Nur die resolute Anwältin Chen Mai unterstützt ihn – und findet Hinweise auf einen Komplott. Oder doch eher auf He Feis Wahnsinn?

Kritik: Dass die Chinesen in den letzten 20 Jahren massiv aufgeholt haben, was international kompatibles Kommerzkino angeht, ist kein Geheimnis. Oft genug kommen dabei hurrapatriotische, in CGI ersaufende Spektakel bei raus, die doch wieder über das Ziel hinaus schießen. Da ist es umso erfreulicher und erstaunlicher, wenn ein Film zwar seine Möglichkeiten ausreizt, dabei aber Augenmaß und Ruhe bewahrt.

LOST IN THE STARS beginnt nicht viel anders als z.B. SPURLOS: Eine Frau verschwindet. Der Mann begibt sich auf die Suche. Doch er findet nur Sackgassen – niemand will sich erinnern, alle Dokumente wurden geändert, alle Fotos manipuliert. Paranoia scheint eine logischere Erklärung als die große Verschwörung. Wem kann man vertrauen, wenn jeder lügt?

Das ist, zumindest in der ersten Hälfte, extrem schnittig und überzeugend inszeniert. In satten Farben eilen He Fei und Chen Mai durch das Urlaubsparadies Thailand, stoßen auf Widersprüche und verängstigte Zeugen. Die taffe Anwältin setzt blitzschnell Puzzleteile zusammen, lässt sich nicht einschüchtern, stützt He Fei in seinem Glauben, dass Li Muzi von einer internationalen Gangsterorganisation entführt wurde.

Wäre der Film auf dieser Spur zum Ende gelaufen, hätte er schon locker 8 von 10 Punkten bekommen. Aber seine Konventionalität und seine Anpassung an westliche Erzähltraditionen (Hitchcock) entpuppt sich als raffinierte Ablenkung – in der zweiten Hälfte wird alles, was wir wissen und gesehen haben, neu aufgerollt. Scheinbare Details bekommen neues Gewicht, etablierte Loyalitäten werden in Frage gestellt. Bam! Bam! Bam! Eine Enthüllung jagt die nächste und Chen Mai ist gut darin, keine Antwort als endgültig gelten zu lassen.

Das ist so verdammt raffiniert, gleichzeitig hanebüchen und doch irgendwie plausibel. LOST IN THE STARS reizt unsere Bereitschaft, einer spannenden Geschichte auch bis ins Absurde zu folgen, sehr weit aus. Aber er tut es mit einer Präzision und einem Selbstbewusstsein, die den Zuschauer nicht von der Leine lassen. Bis zum bitteren Ende.

Und so empfehle ich LOST IN THE STARS nicht nur als weiteres Beispiel für die momentane Potenz des asiatischen Kinos – ich empfehle ihn auch als erfreuliche Abwechslung zum momentanen Überangebot an asiatischem Remmidemmi-Kino. Die können auch anders.

Fazit: Zweiter Hauptabendfilm, zweiter Pflichtfilm. Ein hochkarätiger, intelligenter “missing person”-Thriller, der in der zweiten Hälfte eine bemerkenswerte Menge Twists aus dem Hut zieht. Das Ende kann für albern halten – oder für den Glauben an die Übergröße des Kinos. 10 von 10 Punkten.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden



Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest

2 Kommentare
Älteste
Neueste
Inline Feedbacks
Alle Kommentare anzeigen
Nummer Neun
8. September, 2023 11:27

Ah verdammt. Den wollte ich eigentlich auch unbedingt sehen und habe mir dann aus Versehen einen wichtigen Bank-Termin parallel gelegt. Ärgerlich.

Übergrüße zurück in den Kinosaal!

Goran
Goran
15. September, 2023 00:53

Super solider Thriller, bei dem man zwar auch nicht zu genau hinsehen darf, aber ich war unterhalten.
Und das Ende find ich in der Idee nicht albern, nur die Timeline und einige der Geschehnisse zwischen durch dürften exakt SO nicht passieren. Aber Schwamm drüber. Empfehlung.