25
Apr 2023

Fantasy Filmfest Nights 2023 (13): MOTHER, MAY I?

Themen: FF Nights 2023, Film, TV & Presse |

USA 2022. Regie: Laurence Vannicelli. Darsteller: Holland Roden, Kyle Gallner, Chris Mulkey, Michael Giannone, Daphne Gaines

Offizielle Synopsis: Sie ist tot und doch allgegenwärtig: Emmetts übermächtige Mutter Tracy, die er seit Kindheitstagen nicht gesehen hat, ist verstorben und hat ihm ein ansehnliches Landhaus vermacht. Hin, verkaufen, abhauen – so lautet der Plan. Doch die im gesamten Anwesen hängenden Bilder und der Fundus an Familienvideos reißen alte Wunden auf. Emmetts Verlobte Anya will ihm helfen und nötigt ihn zu therapeutischen Rollenspielen. Dadurch beginnt sich eine unheimliche Verwandlung zu vollziehen. Immer mehr verschmilzt die junge Frau mit der Toten, wird geradezu ein Ebenbild der tyrannischen Matriarchin. Bald ist Emmett überzeugt: Seine teuflische Mutter hat von Anya Besitz ergriffen. Er muss sie befreien – koste es, was es wolle.

Kritik: Streicht den letzten Satz der Inhaltsangabe – ist besser so.

Ein einsames Haus irgendwo auf dem Land, ein junges Paar mit Beziehungsproblemen, gerne mal eine (gewollte/schwierige/missglückte) Schwangerschaft, alte Unterlagen, die ein düsteres Geheimnis der Vergangenheit entreißen – nach diesem Muster sind ermüdend viele Filme auf dem Festival gestrickt. Im letzten Jahr war das u.a. THE TWIN mit Teresa Palmer. Willkommen zum diesjährigen Vertreter dieses seltsam fruchtbaren Subgenres.

Ich hatte bei SISU bereits darüber gesprochen, dass die kurzen Videobotschaften der Filmemacher oft einiges über sie und ihre Weltsicht aussagen. Im Fall von MOTHER, MAY I? klingelten bei mir alle Alarmsirenen – Laurence Vannicelli und seine Partnerin wirken sehr fake-freundlich und zu gestellt “upper middle class”. Ihre Betonung, dass sie mit dem Film auch persönliche Themen aufgearbeitet haben, ließ mich Schlimmes ahnen. Oh boy.

“Emmetts Verlobte Anya will ihm helfen und nötigt ihn zu therapeutischen Rollenspielen.” – wer da nicht den Schuss hört, dem kann ich nicht helfen…

MOTHER, MAY I? ist ein amerikanischer Film. Damit meine ich nicht, dass er ein Film aus Amerika ist. Er ist ein amerikanischer Film in dem Sinne, dass er sich immer wie ein amerikanischer Film anfühlt, mit Konflikten und Figuren, wie man sie nicht aus dem wahren Leben kennt, sondern nur aus amerikanischen Filmen. Er ist so sehr davon überzeugt, dass die Hauptpersonen authentisch sind, dass er sie als stellvertretend für uns alle präsentiert, obwohl sie für den Rest der Welt unsäglich oberflächlich, ich-bezogen und neurotisch sind.

tl;dr – meine Fresse, nehmen die sich und ihre Neurosen wichtig!

MMI? nutzt (missbraucht?) ähnlich wie der deutlich bessere NIGHTSIREN das Genre Horror lediglich dafür, eine Paartherapie zu erzählen: Emmett ist eine lebensunfähige, verstockte Lusche, weil Mama ihn nicht ausreichend geliebt hat. Anya ist eine bemühte Dichterin (!), die damit hadert, dass ihre Mama hohe Ansprüche an sie stellt. Die Konfrontation mit dem Haus von Emmetts Mutter (und eventuell ihrem Geist) dient der Selbsterkenntnis und der Selbstfindung.

Ach ja, und natürlich will Anya schwanger werden (oder auch nicht). Ich hatte es zu NIGHTSIREN schon geschrieben: anders können Frauen im Horrorfilm nicht definiert werden, andere “wants/needs” gibt es für sie anscheinend nicht.

Mir ist egal, wie toll das Haus ist, das Laurence Vannicelli sich als Location ausgesucht hat. Mir ist egal, wie sehr sich Holland Roden und Kyle Gallner in ihre Rollen werfen und besonders Roden beeindruckend eine alternde Diva channelt. Mir ist egal, dass die 99 Minuten Laufzeit relativ straff ablaufen. Das hier ist kein Kino, das ist die blasierte Überschätzung der Wichtigkeit von sehr individuellen ödipalen Komplexen, die nicht auf die Leinwand, sondern auf die Couch gehören. Und so ist die Auf/Lösung des Konflikts am Ende auch keine filmische Katharsis, sondern massiv cringe.

Fazit: Schicker Pseudo-Geisterhausfilm, der an den Klischees des Subgenres eine Geschichte über ein unerträglich egozentrisches Paar aufhängt, das man bei einer Party nach fünf Minuten rauswerfen würde. 3 von 10 Punkten.



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3 Kommentare
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Feivel
Feivel
25. April, 2023 14:23

Seit den letzten zwei, drei Review-Runden wundere ich mich: Ein totaler Kappes und trotzdem 3/10. Was muss ein Regisseur dem Wortvogel antun, um da drunter zu landen? Aber das Abitur wird ja bekanntlich auch immer einfacher..

Thies
Thies
25. April, 2023 14:55

Hat mich mein Instinkt doch nicht getäuscht. Als ich Sonntag früh darüber grübelte ob ich mich zur ersten Vorstellung quälen soll oder nicht, las ich als Entscheidungshilfe die Inhaltsangabe. Und die roch zehn Meilen gegen den Wind nach Fake-Horror.