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Sep 2022

Fantasy Filmfest 2022, Tag 6, Film 1: THE TWIN

Themen: Fantasy Filmf. 22, Film, TV & Presse, Neues |

Finnland 2022. Regie: Taneli Mustonen. Darsteller: Teresa Palmer, Steven Cree, Barbara Marten u.a.

Offizielle Synopsis: Rachel und Anthony sind glücklich verheiratet – bis ein schrecklicher Unfall sie ihres Sohnes Nathan beraubt und fortan einen Schatten auf ihr Leben wirft. Der Versuch eines Neubeginns führt die Familie mitsamt Nathans Zwillingsbruder Elliot nach Finnland. Dort, in einer Kleinstadt im hohen Norden, hofft Rachel Frieden zu finden. Aber das Haus birgt düstere Geheimnisse, die Einheimischen bleiben ihr fremd und Elliots zunehmend irrationales Verhalten liefert weiteren Grund zur Besorgnis. Die seltsamen Vorzeichen verdichten sich zu einem apokalyptischen Albtraum, als in den dunkelsten Wäldern Rituale aus uralter Vergangenheit ihren Weg ins Heute finden.

Kritik: Okay, so langsam habe ich den Dreh raus. Ich verkünde hiermit, sekundiert vom Frankster, dass folgende Szenen und Werkzeuge im Horrorkino endgültig als abgelutscht entsorgt werden müssen und ihre Verwendung zur sofortigen Disqualifikation auf dem Festival führt:

  • Drohnenflüge mit Draufsicht auf Straßen, die sich durch Wälder schlängeln
  • Charaktere, die kotzen
  • Verzweiflungssex
  • Kamera auf den Kopf gestellt, um Zuschauer zu desorientieren (in Kombination mit Drohnenflug dreifache Punktezahl)
  • Ominöse Streichermusik (Cello, Kontrabass)
  • Jumpscares, die nur auf dem Soundtrack existieren
  • Musik aus knarzigen Radios oder von kratzenden Plattenspielern
  • Alte, unrenovierte Häuser mit alten Möbeln und zu wenig Licht

THE TWIN ist an Klischees nicht arm, besonders von der Sorte, die ich in den letzten Tagen hier kritisiert habe. Die traumatisierte Familie, die nach dem Verlust des Kindes einen Neuanfang fernab der Großstadt versucht. Die Mühe, eine zerbrochene Beziehung wieder neu zu etablieren. Die Kontaktaufnahme mit der Landbevölkerung, die misstrauisch und verdächtig zugleich ist. Das alte Haus, in dem die Holzdielen knarzen und keine Glühbirne mehr als 20 Watt schafft. Alpträume, Visionen, Täuschungen.

Es kann doch kein Drehbuchautor ernsthaft stolz sein, ein Skript abzuliefern, das lediglich diese ganzen Standards bedient?!

That being said: THE TWIN ist wenigstens ein ordentliches Exemplar des Subgenres, das die Geschichte des Geister-Zwillings nicht nur als billigen Aufhänger nimmt, um eigentlich eine Paartherapie zu verfilmen. Die okkulten Elemente und die paranoide Unsicherheit der Figuren werden fettfrei und eindeutig von Anfang an etabliert und dann auch konsequent verstärkt. Das erzeugt eine Spannung durch Ambivalenz – wir wissen nicht genau, was vor sich geht. Wir sind aber sehr sicher, DASS etwas vor sich geht.

Der auf englisch für SHUDDER gedrehte Film profitiert zudem von guten Darstellern, angefangen mit Teresa Palmer, deren Karriere ich seit RESTRAINT 2008 wohlwollend verfolge. Wenn Samara Weaving die Margot Robbie des B-Horrors ist, dann ist Teresa Palmer die Scarlett Johansson unseres Genres.

Spannend finde ich die Frage, warum THE TWIN unerklärt vor 9/11, vermutlich aber sogar in den 80ern spielt. Inhaltlich scheint das unnötig – wollte man den Figuren einfach nur Laptops und Handys verweigern? Oder ist das eine bewusste Referenz an die sanften Okkult-Thriller der 70er Jahre?

Wie man den Film abschließend einschätzt, hängt sicher davon ab, ob man die Entwicklungen im dritten Akt kommen sieht – der Frankster roch den Braten recht zeitnah, während ich voll gegen die Mauer gelaufen bin.

Fazit: Bedient die üblichen Klischees, die wir bis zum Erbrechen auf dem Festival durchleiden, tut das aber kompetenter und konsequenter als die meisten anderen Filme dieses Genres. Teresa Palmer ist immer ein Plus. 7 von 10 Punkten.

Der Frankster meint: “Mein “Problem” mit “The Twin” ist, dass ich die Auflösung sehr früh durchschaut habe und von da an etwas genervt war. Was aber nicht bedeutet, dass es sich um einen schlechten Film handelt.”

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Goran
Goran
13. September, 2022 13:20

Ich halte dem Drehbuch zugute, dass man hier gekonnte Unstimmigkeiten gesetzt hat.

Hints
Allerspätestens als der saufende Vater das Foto anheult, war doch klar, dass das hier so nicht stimmen kann und kein Kind da ist. Von da war nur noch die Frage, wieviel Einbildungstwist kommt.

Das entwertet dann aber leider auch wieder einige der Falschfährten, die so dann nur noch drin sind, um uns zu verwirren.

Wer aber immer noch mit 08/15 Geisterokkultpsychothriller nicht durch ist, dem mag hier noch das “Okay” reichen.

Thies
Thies
21. September, 2022 02:28

Gorans Hinweis war für mich nur eine der vielen falschen Fährten, die der Film auslegte. War ursprünglich mal eine interaktive Multiple-Choice-Fassung geplant, in der die Zuschauer abstimmen konnten, welchen Pfad die Handlung nimmt?

Bis der Film sich dann endlich festlegte, wäre ich auch mit dem Evil Twin, dem heidnischen Kult oder der Rosemarys Baby-Variante zufrieden gewesen.

Last edited 1 Jahr zuvor by Thies