14
Jul 2022

BRAVO! Der Sorgen-Sommer 1971

Themen: BRAVO! |

Jetzt wird es wieder düster. 1971 war augenscheinlich kein gutes Jahr, ein Teenager zu sein – und/oder ein Mädchen. Gewalt, sexueller Missbrauch, soziale Isolation: das hatte noch den bösen Ruch der Kaiserzeit. Von der Liberalität der 70er ist wenig spürbar und die Antworten der Sommer-Redaktion entgeistern oft nicht weniger als die Fragen der Leser.

“Das Letzte schenken” war eine furchtbare, aber gebräuchliche Umschreibung der Jungfräulichkeit – als hätte ein Mädchen das und NUR das zu geben und wäre danach bestenfalls als “benutzt, mit leichten Gebrauchsspuren” zu verkuppeln:

Tatsächlich muss man aber festhalten, dass die Mädchen mit ihrer Jungfräulichkeit oft nicht gerade sorgsam umgingen – es wird Cornelia (13, aus Bremen) nicht helfen, dass sie hinterher schlauer war.

Bei Ursula (14, aus Müllheim) ist es noch krasser. Sie lässt sich in schöner Regelmäßigkeit vom Nachbarsjungen misshandeln und missbrauchen. Der BRAVO kommt die ganze Geschichte aber etwas fischig vor:

Nicht besser geht es Annette (13, aus Kiel), die in jungen Jahren von der Mutter schon an den 17jährigen Freund verschachert wird, nur weil dieser 90 Mark (!) für ein paar Verlobungsringe hat springen lassen:

Ingrid (17, aus Frankfurt) zeigt ein für die Zeit ebenfalls erschreckend typisches Muster – sie sehnt sich nach dem Mann, der sie wie ein Stück Dreck behandelt hat. Ein echter Schlag in die Magengrube ist dabei die nonchalante Formulierung “Bei dieser Gelegenheit kam ich ins Erziehungsheim”.

Ich möchte mit Else (16, aus Köln) gerne mal ein ernsthaftes Gespräch über die Definition der Phrase “wir hatten uns beide vertan” führen:

Im diesem Fall ist die Geschichte aufgeladen mit Drama, Spannung und Mystery, aber die Kehrtwende im Finale erscheint mir etwas banal und gewollt:

Da ist das Problem von Erika (13, aus Weißenburg) deutlich weniger dramatisch – mit Sicherheit kann ich nur sagen, dass Christian Anders sich selbst liebt:

Dass die “jungen Dinger”, wie man damals gerne sagte, tüchtig Flausen im Kopf hatten, merkt man auch bei Marianne (17, aus Heidelberg), der ich eine kurzlebige “Karriere” im Milieu mit unschönem Ende vorhersage:

Auch die Zwillinge Marga und Hilda (15, aus Nürnberg) lassen es gefährlich an sittlicher Reife fehlen – mit drastischen Konsequenzen:

Als Vater hätte ich nach dem Erhalt solcher Fotos ein ernstes Gespräch mit meinen Töchtern geführt – und den Bengel grün und blau geschlagen.

Nun kann die Erziehung durch die Eltern nicht jedes Problem lösen. Manchmal ist sie sogar der Auslöser für die moralische Verkommenheit. So möchten das zumindest diese beiden Schlawinerinnen verstanden wissen:

Da lobe ich mir Geschwister voller christlicher Nächstenliebe:

Die Heimkinder sind in den 70ern noch Stammpersonal der Dr. Sommer-Kolumne. Dieses Mädchen muss sich von der Chefin den Umgang mit der eigenen Mutter aus moralischen Bedenken limitieren lassen:

Diese junge Dame steckt in einem Dilemma, das in den letzten 2000+ Jahren nur einmal erfolgreich aufgelöst werden konnte, wie man so hört:

In ihrem Beuteschema sehr eingeschränkt wirkt Susanne (14, aus Essen):

Was zur Hölle ist in Essen los? Lucie und Rachel (beide 14, ebenfalls aus ebenda) werfen sich dem langhaarigen Gesindel an den Hals:

Da kann nur einer helfen – Gunter!

Annegret (17, aus Minden) scheint die Tragweite ihrer Entdeckung noch nicht ganz durchschaut zu haben:

Alle hier genannten Mädchen würden sicher gerne mit Caroline (12, aus Bamberg) tauschen, die den Begriff “rich people problems” prägt:

Damit haben wir die Mädchen durch. Soll keiner glauben, den Jungs sei es damals besser ergangen. Siegfried (16, aus dem Rheinland) ist ein Heimkind und wird zu sexueller Gefügigkeit erpresst.

Auch das ist übrigens eine ungesunde sprachliche Verbrämung, die bis zum Ende des Jahrtausends anhielt: Die Frau will von Siegfried keine “Liebe”. Sie will Sex. Die verharmlosende Gleichsetzung ist indiskutabel.

Kurt (18, aus Rangweil) hat noch nicht kapiert, dass statt der Entscheidung “Gitarre oder Mädchen” üblicherweise die Rechnung “Gitarre und jede Menge Mädchen” deutlich besser aufgeht:

Den 17jährigen Peter würde ich sicherheitshalber aus dem Weg gehen und im Zweifelsfall eine Einweisung in die Psychiatrie empfehlen:

Nun ist es eine Sache, dem neuen Freund der Ex die Luft aus dem Fahrradreifen zu lassen – aber dieser Bengel aus Dorsten droht, gleich zum Revolver zu greifen!

Diese Arschkrempe scheint noch nicht ganz verinnerlicht zu haben, dass er ein minderjähriges Mädchen vergewaltigt hat – und die Sommer-Redaktion hält das ebenfalls für einen zu vernachlässigenden Aspekt. Ob es für das Mädchen auch “ein schöner Abend im Mai” war?

Wolfgang (13, aus dem Hunsrück) ist der Werner dieser Ausgabe – ein echter Player, dem das crazy Weibsvolk über den Kopf zu wachsen droht:

Da fällt mir echt kein launiger Spruch mehr zu ein:

Zum Abschluss mal eine Frage an den (streng genommen fiktiven) Dr. Sommer:

Genau, die blanke Bescheidenheit ist er. Dr. Sommer. Ein Großer.

Wenn ich das so Revue passieren lasse – ich dachte immer, die SCHULMÄDCHEN-REPORTS wären schmierige Fiktionen verrauchter Altherren-Gehirne. Die kommen mir plötzlich spießig, normal und… authentisch vor?!



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Frank
Frank
14. Juli, 2022 22:42

Da kommen lustige alte Erinnerungen bei mir hoch. Wir hatten damals eine Zeit lang viel Spaß damit an die Bravo wild erfundene Leserbriefe zu schreiben. Mangels eigener sexueller Erfahrung haben wir Sachen aus der Jasmin oder Amendts Sexfront um- und abgeschrieben. Eine Veröffentlichung wurde groß gefeiert. Ich hab damals so eine Sado-Maso-Phantasie zusammen gestopselt die aber nie zum Abdruck kam. Vermutlich doch zu dick aufgetragen. 

Und noch zu deinem vorhergehen Blogeintrag zur Bravo-Aktion mit der Brieffreundinnen-Vermittlung in die USA. Da hatte ich mich beteiligt und dann zwei 14jährige Mädels per Brief an der Backe.
Die Redaktion hat aber nie daran gedacht das ein 14jähriges Mädchen in den USA gegenüber einem 14jährigen Pickelgesicht in Deutschland einen Entwicklungsvorsprung hatte. Ich hab mich dann mit Fragen rumgeschlagen was zum Henker wohl dieses WEED war was die auf Parties mit den älteren Jungs rauchten. Da wurde man quasi zum Beichtvater und die Mädels erwarteten Absolution von einem, nur wusstest du gar nicht was sie da trieben. Die Englischlehrerin traute man sich schließlich nicht zu fragen.  
Es war hart damals für uns 14jährige Jungs. Sehr hart *lach*.

Frank
Frank
15. Juli, 2022 11:22
Reply to  Torsten Dewi

Die Sexfront war damals die Antwort auf all unsere Fragen und das meistgelesene Buch der pubertierenden Klassen. Damit konnte Bravos “Aufklärung” nicht mithalten.

Matts
Matts
15. Juli, 2022 15:06

Ach du grüne Neune…
Manchmal frage ich echt wie viel Gehirnverwesung bei Leuten vorhanden ist, die ernsthaft behaupten: “Früher war alles besser!”

Frank
Frank
15. Juli, 2022 19:16
Reply to  Matts

Schwarz-Weiß-Denken bringt doch gar nichts. Es gab in der Vergangenheit sicher Sachen die besser waren als heute.
Zum Beispiel hatten wir in den 70ern kein AIDS. Besser war das. Die Krankheit hat meiner Meinung nach die ganzen 80er geprägt.
Oder harmloser – wir hatten damals Telefonzellen. Die würde ich heute auch noch cool finden. Die schönen roten in London zB. Ich war schon länger nicht mehr in London. Wird Torsten besser beantworten können wie’s dort heute mit den Telefonzellen aussieht.