Fantasy Filmfest Nights XL 2022: YOU ARE NOT MY MOTHER
Themen: FF Nights XL 2022, Neues |Irland 2021. Regie: Kate Dolan. Darsteller: Hazel Doupe, Paul Reid, Carolyn Bracken, Ingrid Craigie
Offizielle Synopsis: Ein Baby sitzt weinend in einem Kreis aus Feuer, eine ältere Frau zelebriert ein Ritual an ihm. 15 Jahre später: Char wird ausnahmsweise von ihrer Mutter zur Schule gefahren, die wegen Krankheit meist ans Bett gefesselt ist. Sie geraten in Streit und „I can’t do this anymore!“ ist der letzte Satz, den die Tochter hört, bevor Angela spurlos verschwindet. Viele Nächte voller Albträume vergehen für die schuldgeplagte Teenagerin. Bis ihre junge Mom eines Tages wieder auftaucht, so als wäre nichts passiert. Doch sie wirkt seltsam verändert, ist lebendiger und irgendwie stärker. Chars Großmutter reagiert gereizt auf Angelas Verwandlung. Verunsichert sucht Char schließlich selbst nach Antworten und macht eine zutiefst grausige Entdeckung.
Kritik: "eine zutiefst grausige Entdeckung" – das ist FFF-Sprech für "eine etwas an den Haaren herbeigezogene Erklärung, die aber sowieso nur eine Metapher sein soll". Denn wahrlich, auch diese Sorte Film ist FFF-Veteranen nicht fremd: das Metapher-Movie, in dem der übernatürliche Aufhänger nur sinnbildlich für etwas steht, das den Filmemachern am Herzen liegt: die Verwandlung des Werwolfs als Pubertätsschub, die Hexerei als Wiederentdeckung der Weiblichkeit, die Unsichtbarkeit als verleugnete Homosexualität. Das KANN funktionieren, wenn die Macher sich dennoch dem Genre voll widmen. Wenn man sich der Mechanismen von Horror und Fantasy aber nur bedient, um sein Thema einem größeren Publikum unterzujubeln, wir schnell ein Schnarchfest draus. Siehe SLAXX, eine Horror-"Komödie". die menschenfressende Jeans zur aufrechten Kapitalismuskritik erklärt.
Und so ist YOU ARE NOT MY MOTHER auch zu 90 Prozent ein irisches Arbeiterklasse-Drama über die Belastungen, die eine Familie aushalten muss, wenn eine Schlüsselfigur unter unberechenbaren mentalen Störungen leidet, sei es Schizophrenie, bipolare Störung oder Depression (der Film legt sich nicht fest). Die Idee, dass Angela ein "changeling" ist und die Familie sie mit Hexenkraft in Schach halten muss, wird so verschämt und beiläufig thematisiert, dass eine Klassifizierung als "echter" Horrorfilm fast wie ein Etikettenschwindel wirkt.
Letztlich kann man JEDES Hexenwerk in YOU ARE NOT MY MOTHER in ein Wunschdenken von Char umdeuten. Der Titel wird wörtlich genommen, kann aber genauso die Tatsache beschreiben, dass die psychische Veränderung von Angela sie ihrer Tochter entfremdet. So lässt sich auch das feurige Finale lesen, das vermutlich für den reinigenden Effekt einer klinischen Rehabilitation steht. Man kann die Not Chars spüren, als Teenager eigentlich nur ein normales Leben führen zu wollen, aber von der Krankheit Angelas in eine Verantwortung gedrängt zu werden, die ihr zuviel sein muss.
Ich bin da hin- und hergerissen. Ja, YOU ARE NOT MY MOTHER ist gut gespielt, zeigt das Leben in trostlosen irischen Vorstädten relativ authentisch und weiß auch durchaus über die angemessene Laufzeit zu unterhalten. Aber ich fühle mich immer ein bisschen veräppelt, wenn so offensichtlich ist, dass die Macher eigentlich ein anderes Thema verkaufen wollen als das, was auf dem Poster lockt.
Fazit: Ein als Horrorfilm verkleidetes Familiendrama, das sich etwas mehr bemühen könnte, das Genre zu bedienen, statt nur mit Fördergeldern die Not von psychisch Gestörten zu illustrieren. 5 von 10 Punkten.
https://youtu.be/FZZEZTcP44U