Kino Kritik: GHOSTBUSTERS: LEGACY
Themen: Film, TV & Presse, Neues |USA 2021. Regie: Jason Reitman. Darsteller: Finn Wolfhard, Mckenna Grace, Carrie Coon, Paul Rudd, Logan Kim, Celeste O’Connor, Annie Potts, Dan Aykroyd, Bokeem Woodbine u.a.
Story: Callie hat von ihrem kauzigen Vater, der sich vor Jahren aus der Zivilisation verabschiedet hat, eine heruntergekommene Farm geerbt, die sie mangels finanzieller Alternativen nun mit ihren Kindern Phoebe und Trevor bezieht. Doch es häufen sich die mysteriösen Vorkommnisse: eine Art Detektor blinkt hektisch und in der Scheune findet sich unter einer Plane ein seltsamer Wagen mit New Yorker Kennzeichen. Who you gonna call?
Kritik: Zuerst mal wieder ein wenig Einordnung. Wie eigentlich alle Kids der 80er fand ich den Original-GHOSTBUSTERS sensationell. Er gehört neben E.T., ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT, GREMLINS und GOONIES vermutlich zu den prägendsten Jugend-Blockbustern seiner Generation:
Ein paar Jahre später folgte Teil 2, mit dem wir deutlich gnädiger waren als die retrospektive Kritik (ähnlich wie GREMLINS 2). Wir hatten Spaß:
2016 kam das unvermeidliche Remake, bzw. der Reboot – und er wurde von Kritik und Publikum vernichtet:
Ich fand ihn nicht katastrophal, aber seltsam lustlos – und die Idee, das ganze Konzept "jetzt aber mit Frauen" neu aufzulegen, war eine Einladung für alle Hater. Nach über 25 Jahren hätte mehr als dieser kreative Bankrott drin sein sollen.
Back to the drawing board, wie man so schön sagt. Die Produzenten holten mit Jason Reitman den Sohn des Original-Regisseurs zurück und versprachen, es diesmal besser zu machen. GHOSTBUSTERS: LEGACY ist ein "echtes" Sequel, das die Ereignisse der ersten beiden Filme aufgreift und die Geschichte der Geisterjäger nach 30 Jahren weiter erzählt:
Ich gestehe: ich war skeptisch. Es gab vorab verschiedenste Nebelwerfer, ob und wie weit es sich um ein "echtes" Sequel handelt. Die Idee einer Weitergabe an die nächste Generation fand ich ziemlich mau, und diverse Auguren prophezeiten ein Debakel für die Franchise, der man durchaus unterstellen kann, sich überlebt zu haben. Und was soll die Verlegung der Handlung ins amerikanische Hinterland? Die Ghostbusters sind schließlich so New York wie Hot Dogs!
Alles für die Tonne. GHOSTBUSTERS: LEGACY ist der perfekte Retro-Blockbuster, eine monströs unterhaltsame Fantasy-Action-Comedy, die den Vorgängern alle Ehre macht, ihnen dabei huldigt und dennoch eine eigene Duftmarke setzt. Hier wird wirklich ALLES richtig gemacht, jeder Teil des komplexen Puzzles passt.
Zuerst einmal ist es ein respektvolles Sequel. Die Original-Filme werden als Kanon akzeptiert und nicht einer neuen Wirklichkeit angepasst. Look, Effekte, Kostüme verweisen ebenso auf die Vorgänger wie ungefähr 264.786 Ostereier, die Reitman in den Szenen versteckt hat. Wie obskur das werden kann? Ich habe in einer Szene allen Ernstes den "Radio Flyer" entdeckt!
Darüber hinaus ist der Film auch modern, aber mit der klassischen Sensibilität der 80er-Blockbuster inszeniert. Kein übertrieben entsättigter Look, keine hektischen Schnitt-Massaker, keine CGI-Hurerei – das ist echtes Erzählkino, in dem die Geschichte das Spektakel diktiert und nicht umgekehrt. Siehe auch REAL STEEL.
Wer sich vorab beschwert hat, dass das Original-Quartett der Geisterjäger weitgehend durch Phoebe, Trevor, Podcast und Lucky ersetzt wird, der hat keine Ahnung, wie perfekt die Kids gecastet sind. Das hier hat STAND BY ME-Niveau. Besonders Mckenna Grace als Nerd-Girl supreme ist mit bezaubernd noch mangelhaft beschrieben. Aber selbst Podcast, ein Charakter, der nach allen Maßstäben massiv nerven müsste, ist sympathisch und tatsächlich lustig. Seine Erzählerstimme ist ein Highlight des Films.
Die einzige Kritik, die ich verstehe, auch wenn ich sie nicht teile: Im Bemühen, die Franchise wieder auf Spur zu bringen, ist man inhaltlich weitgehend den STAR WARS: THE FORCE AWAKENS-Weg gegangen und hat sich extrem auf die Bausteine der Originale verlassen. Die Bedrohung, die Beteiligten, die Bösewichte – alles bekannt, wenn auch beliebt. Zumindest für das hoffentlich zwangsläufige Sequel wäre eine neue Mythologie wünschenswert.
In den 80ern gab es die Kids, die damals schon John Carpenter, Lucio Fulci und Dario Argento liebten. Für die mag das hier Kinderkram sein. Wenn ihr aber zu denen gehört, die John Landis, Joe Dante, Ivan Reitman und Bob Zemeckis vergöttert haben, dann ist GHOSTBUSTERS: LEGACY der perfekte Film, um euren Kindern zu zeigen, was gutes Kino ist.
GHOSTBUSTERS: LEGACY ist eine geölte Maschine, eine echte Geisterbahnfahrt mit begeistertem Schrecken und schallendem Gelächter, geeignet für die alternden Fans der Originale ebenso wie für die hibbeligen Kids der nachfolgenden Generationen. Das einzige wirkliche Zugeständnis an die 50+-Zielgruppe ist die (vor)letzte Szene, bei der sich so mancher 20jährige fragen mag, warum Papa plötzlich Pipi in den Augen hat.
Und die WIRKLICH wichtigen Sachen habe ich euch hier noch gar nicht gespoilert…
Fazit: Ein absoluter Retro-Blast, der die Begeisterung für die Ghostbusters aus den 80ern ins neue Jahrtausend schleift. Der perfekte Fun-Film des Kinosommers.
Yeah! Puh! Das klingt nach genau dem, was ich mir von dem erhofft habe. Danke für die Kritik!
Wenn der Wortvogel positiv rezensiert und der Guardian zum gleichen Film einen Verriß mit kubikmeterweise Schaum vor dem Mund veröffentlicht (https://www.theguardian.com/film/2021/oct/11/ghostbusters-afterlife-jason-reitman-paul-rudd-review) – dann muß der Streifen wirklich gut sein!
Schaum vor dem Mund trifft es gut – der Typ war offensichtlich entschlossen, sich auf die Nostalgie nicht einzulassen. Bezeichnend finde ich, dass ihn die De-Kanonisierung der 16er-Variante stört. Das riecht nach Agenda.
"The message is clear, as are its intended recipients: there’s nothing more powerful, important or cool than being a nerd."
Amen to that, brother!
Hat jemand der mitlesenden Experten eine Idee, warum die den englischen Titel "Afterlife" zu "Legacy" geändert haben? Ich würde ja vermuten, dass die meisten deutschen Kinogänger sich unter dem Wort so gar nichts vorstellen können.
Warum hieß TOXIC AVENGER in Deutschland ATOMIC HERO? Warum ULTRAFORCE in Deutschland THE PLOGGER? Man steckt nicht drin.
Naja, da kann ich mir das ganz gut mit übermäßigem Schnapskonsum beim Verleiher zurechtreimen – aber bei einem Film, der garantiert dreistellige Millionen einspielt? Wird der Name da nicht mit Testzuschauern zielgruppenoptimiert? Kann mir kaum vorstellen, dass die einfach den Schnaps mit Koks ersetzen und fröhlich umbenennen. Aber ich hab auch ganz ehrlich keine Expertise.
(Ich würde ja auch fragen, warum The Dark World hierzulande The Dark Kingdom heißt, dafür bin ich aber acht Jahre zu spät.)
Zu Ghostbuster 2016: So wie ich das verstanden habe, war der Stil von Paul Feig so eine Art Improvisationskomödie. Mir kamen viele Szenen viel zu lang vor und dieser Humor, der auf peinlichen Situationen basiert, funktioniert bei mir nicht. Ich finde gerade in Komödien ist das Timing viel wichtiger.
Wobei interessanterweise ja beide Casts (der Originale und jener von 2016) aus SNL stammt. Der des neuen Teils sieht eher nach "Stranger Things" aus…
„Der des neuen Teils sieht eher nach "Stranger Things" aus…“
Ja! Ist das nicht großartig und zeitgemäß?
Gestern im Kino gewesen. Uneingeschränkte Empfehlung auch von meiner Seite. Unterschreibe ich alles, was der Hausherr oben ausgeführt hat.
Eine Verständnisfrage noch an diejenigen, die die Handlung der alten Filme besser im Gedächtnis haben als ich:
Beides. Venkman ließ am Anfang vom ersten Teil auch Probanden Karten raten.
Danke!
So nämlich. 9/10.