03
Aug 2020

Höllenfahrt mit zwei Katzen

Themen: Abby Sunday, Neues |

Es ist eine Geschichte, die ich erst jetzt erzählen kann, obwohl sie ein halbes Jahr her ist. Ich habe so lange gebraucht, bis ich sie selber verarbeitet habe.

Wer mein Blog schon etwas länger liest der weiß, dass wir zwei extrem chillige Katzen besitzen, Becky und Rufus:

Die sind durch nix aus dem Gleichgewicht zu bringen, und das beinhaltet sogar das Feuerwerk an Silvester. Neue Menschen, fremde Gerüche, Fußball im Fernsehen? Alles hoch spannend.

Es gibt exakt eine Sache, die unsere beiden so gar nicht abkönnen: Autofahrten. Es ist schwer zu sagen, ob das psychischer Natur ist oder daran liegt, dass ihnen schlicht schlecht wird. Autofahren geht gar nicht. Umso komischer, da ihre Verwandten regelmäßig von einer Katzenschau zur nächsten kutschiert werden und nach Aussage der Züchterin null Probleme damit haben.

Das Drama ist über die Jahre eskaliert. Anfangs konnten wir beide Katzen noch zur Pension fahren, wenn wir in Urlaub wollten. Hat ihnen zwar nicht gepasst, ging aber. Doch nach einer Weile hatten wir den Katzenkorb noch nicht auf dem Rücksitz abgestellt, da fing Rufus an zu schreien, als hätte man ihn auf einem Sklavenschiff in Ketten gelegt. Und wenn Rufus schreit, schreit Becky auch. Es ist eine Sorte von Beschwerde, die wir von zuhause nicht kennen – ein entsetzlicher, jammernder Klageruf. Bei mehr als 30 Minuten Fahrzeit gerne auch mal Kotzerei oder Koterei. Für Herrchen und Frauen nicht minder schlimm.

Es wurde klar: SO können wir die beiden nicht mehr in die Pension bringen. Das war gelebte Tierquälerei, auch wenn Rufus und Becky vor Ort immer aus dem Korb sprangen und sich neugierig umsahen, als wäre nix gewesen. Wir stellten auf Katzensitter daheim um. Es stellte sich heraus, dass die beiden mit unserer Abwesenheit besser umgehen konnten als mit dem Ortswechsel. Und weil die Sitterin künstlerisch begabt war, sprang auch noch ein putziges Stillleben der beiden dabei raus:

So war vier Jahre lang alles in Ordnung. Bis der Umzug nach München anstand.

Drei Stunden Fahrt. Mindestens. Uns war klar: DAS würde der Horror werden. Flug oder Zugfahrt kamen nicht in Frage. Die Tierärztin teilte uns mit, dass eine Betäubung oder auch nur Ruhigstellung der beiden nicht erlaubt war. Das geht nur unter ärztlicher Begleitung.

Vermeidbar war die Fahrt nicht. Was also tun? Ich kaufte im Baumarkt ein Netz und trennte den Vorder- vom Hinterteil des Wageninnenraums. So würde Britta hinten mit den Katzenkörben sitzen und im Zweifelsfall sogar eine Art “Freilauf” gewähren können, ohne dass eine panisch nach vorne springende Katze einen Schwerunfall provozieren konnte. Wir stellten außerdem sicher, dass in der neuen Wohnung das Arbeitszimmer der LvA erstmal von Umzugshelfern verschont blieb, um den Kleinen sofort eine Art Rückzugsraum bieten zu können.

So machten wir uns am Abend des Umzugstages auf den Weg. Rufus und Becky sprangen bereitwillig in ihre Körbe und merkten erst was, als wir die Verschlüsse zu zogen. Dann ließen sie sich – noch schweigend – in den Wagen verfrachten. Ich fuhr, Britta bleib hinten bei den Katzen. Anspannung lag in der Luft.

Wir erwarteten die Hölle – es wurden Hölle, Fegefeuer und Pandämonium.

Nach 2 von hoffentlich nur 180 Minuten fing Rufus an zu schreien, kurz darauf Becky. Es ging uns durch Mark und Bein. Nach 15 Minuten begann Becky zu speicheln und zu schwitzen, der Geruch ließ auf erste Darmaktivitäten schließen. Nach einer halben Stunde musste ich auf einem Parkplatz halten, um eine eingelegtes Handtuch ohne weiteren Kommentar wegzuschmeißen.

Britta und ich hörten auf, miteinander zu sprechen, um uns abzulenken. Wir hatten Stresslevel, die vermutlich mit denen der Katzen vergleichbar waren. Ich fuhr hoch konzentriert, aber so schnell, wie es der Verkehr zuließ. Bloß keinen Unfall bauen!

Falls das nicht klar genug ist: wir hatten keinen Plan B. Was auch immer passieren würde – diese Fahrt musste durchgezogen werden. Weder ein Hotelbesuch stand zur Debatte noch ein Zwischenstopp, der das Leid unsere Kleinen verlängert hätte. So schlimm alles war, so war die einzige Option, stur nach München zu fahren.

Es waren die längsten drei Stunden meines – unseres! – Lebens.

Wenigstens kamen wir in keinen Stau und das Wimmern von Becky und Rufus wurde nach anderthalb Stunden deutlich leiser. Gewöhnung oder Erschöpfung? Wer konnte das sagen? Und es stank mittlerweile bestialisch, auch wenn Britta sich mühte, die beiden Transportkörbe so sauber wie möglich zu halten. Mensch wie Tier – alle Beteiligten waren sichtlich überfordert.

Am späten Abend – 22.00 Uhr? – kamen wir in München an, nahmen wortlos, aber vorsichtig die beiden Körbe und trugen sie in unsere neue, praktisch leere Wohnung hoch. Wir waren mindestens so durchgeschwitzt wie die Katzen, mindestens so am Ende. Vorsichtig setzten wir die Körbe auf dem Parkett ab, öffneten die Verschlüsse. Es würde sicher eine Weile dauern, bis…

Rufus und Becky sprangen sofort heraus. Schauten sich um. Schnüffelten am Boden. Spazierten los, um ihr neues Reich zu erkunden. Schwänzchen hoch gestellt, Kopf gerade, Popo wackelnd. Alles sehr neu, alles sehr spannend.

Als wäre nix gewesen.

Auch den nächsten Tag verbrachten sie maximum chill, während in den anderen Räumen der Umzug für Lärm und Chaos sorgte. Als das Arbeitszimmer eingeräumt wurde, versetzten wir sie ins Bad, wo sie den Rest des Tages auf einem Handtuch saßen und sichtlich die Fußbodenheizung genossen.

Kurzum: so kacke beide die Fahrt fanden, so okay finden sie die neue Wohnung. Und die Tage werden nun wieder primär so verbracht:

Ein Nachspiel hatte die Fahrt allerdings: Schweiß und Speichel haben bei Becky eine leichte Bindehautentzündung ausgelöst, die wir ein paar Tage lang mit Creme behandeln mussten. Auch das – easy. Wie viele Katzen kennt ihr, die sich problemlos Medizin direkt ins Auge schmieren lassen?!

Die Umstellung von Garten auf Dachterrasse war dann wieder eine ganz andere Geschichte. Und darum erzähle ich sie auch an einem anderen Tag…



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7 Kommentare
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Comicfreak
Comicfreak
3. August, 2020 21:12

Wow, HORROR

Nulpe
Nulpe
4. August, 2020 13:34

Das war dann für lange Zeit wohl der letzte Umzug. Bei meinem Kater hat Katzenminze immer geholfen bei Autofahrten. Allerdings war es aber nie so schlimm wie bei dir. Außer das er mich danach konstant immer 2 Wochen ignoriert hat war alles ok.

Kai
Kai
6. August, 2020 17:46

Hmm, vielleicht ein Wohnmobil mieten, ein Netz zur Absicherung spannen und dann können sie während der Fahrt im “Haus” herumlaufen? 🙂

Dietmar
6. August, 2020 20:27

Brutal! Das ist echt hart.

frater moss von lobdenberg
9. August, 2020 16:24

Katzen und (Auto-)Reisen sind so ein Thema … hier gab es ja auch mal welche (auch zeitgleich mit Hunden, btw), z. B. den Reisekater Jimmy (der Perser; das schwarzweisse etwas hieß Wanda und wurde von Roxy adoptiert). Der liebte Autofahrten, vorausgesetzt, er konnte ’rausgucken und es ging schnell genug vorwärts. Im Stau wurde er laut, Rast betrachtete er als persönliche Beleidigung. Der Herr war auch bei diversen Urlauben dabei.
Dann war da noch Franz, der mächtige Jäger. Der wurde im Kasten grundsätzlich rabiat, was auch mal zu einer Fleischwunde beim Tierarzt führte, als dessen Staffordshire-Hündin mit der Nase zu nah kam …
Allerdings hatten wir nie derartige Psychopathen wie Eure beiden. Viel Spaß noch! 😉

Ernst ALBUS
Ernst ALBUS
23. Juli, 2023 14:19

Ich hatte in den 70ern mit meiner ersten Frau eine Siam-Katze mit dem Namen Polly…ein Prachtstück und mit Charakter. Was aber das beste war, ich konnte sie beliebig oft “ausführen” und wir waren täglich am Rheinufer unterwegs. Leider bekam ich später eine Katzenallergie, die aber nicht POLLY zu vertreten hatte und wir mussten sie weggeben. Obwohl wir eine passende Frau für sie fanden, ist es doch, als wenn man einen Teil von sich selbst verliert. Ich habe seit Jahrzehnten keine solche Katze mehr life gesehen, bis heute – auch nicht life, aber immerhin. Ich werde mal gucken, ob es auch Katzen gibt wie bestimmte Hunderassen, die auch von mir gehalten werden könnten…Mögen Ihnen die beiden noch lange erhalten bleiben…