Ein paar Gedanken zu MEN IN TREES
Themen: Film, TV & Presse, Neues |Meine Frau und ich arbeiten gerne Serien auf, die einer von uns beiden beim ersten Durchlauf verpasst hat. Leichte, aber hochwertige Ware – FRASIER, CYBILL, MY FAMILY, POIROT. Vor ein paar Monaten startete ich mit NORTHERN EXPOSURE einen Testballon. Die Serie über den snobbigen New Yorker Jungarzt, der in Alaska sein Stipendium abstottern muss, war Anfang der 90er ein großer Hit gewesen und erfolgreich bei RTL im Spätprogramm gelaufen – als “Ausgerechnet Alaska”.
Damals waren wir Jungs uns ziemlich einig – Janine Turner war “the hotness”, vergleichbar nur mit Sherilyn Fenn:
Zu meiner Freude sprang meine Frau so begeistert wie ich auf die Serie an und über die letzten Wochen haben wir jeden Abend eine Folge angeschaut. NORTHERN EXPOSURE ist über weite Strecken souveräne Unterhaltung, die vielen etablierten Fernseh-Faustregeln eine lange Nase dreht: Plots werden gerne mal fallen gelassen oder mit einem Schulterzucken abgehakt, bizarre Details drängen sich in den Vordergrund, ohne thematisiert zu werden und vor allem – es wird nicht alles zwischen den Figuren ausdiskutiert. Die Serie erhebt das Schweigen zum Stilmittel. It is what it is.
Dabei fällt – schmerzhafter als damals – auch auf, wie sehr die Show in Staffel 5, spätestens aber in Staffel 6 aus dem Ruder läuft. Die Romanze Joel/Maggie entwickelt sich nicht weiter und wird zunehmend cringy, Nebencharaktere kommen und gehen und der Versuch, dem Abgang des Hauptdarstellers durch die Einführung eines neuen Ärztepaares entgegen zu wirken, entpuppt sich als Blindgänger. Wir drücken uns gerade um die letzten sechs Folgen.
Natürlich habe ich über meine Begeisterung für die Serie nie geschrieben, denn geschaut habe ich sie zuletzt mehr als zehn Jahre vor dem Start des Wortvogel, und danach nie wieder. Es war Anfang der 2000er notorisch schwierig bis unmöglich, die Serie auf Scheibe zu bekommen, weil Radiomoderator Chris klassische Songs in jeder Episode spielt, für die man keine Zweitverwertungs-Rechte hatte. Mittlerweile ist das aber gelöst und man kann die Serie endlich auch remastered in HD genießen.
NORTHERN EXPOSURE rum – was nun? Mit fiel die ähnlich gelagerte Serie MEN IN TREES mit leider nur 36 Folgen ein, die ich auf den Beginn des neuen Jahrtausends verortete. Eine kleine Recherche zeigte, dass ich fett daneben lag: sie lief von 2006 bis 2008. Und das ist WIRKLICH seltsam, denn obwohl ich zu den Fans der Serie gehörte, habe ich nie über sie geschrieben – und den Wortvogel gab es ja schon. Ein kurioser Lapsus. Wobei, einmal habe ich MEN IN TREES zumindest erwähnt. Das war 2008.
Und nun gucken wir also MEN IN TREES:
Nach einem guten Dutzend Episoden kann ich nun eine erste Bilanz ziehen, die ich vor 12 Jahren versäumt habe. Und sie fällt sehr gemischt aus.
Ja, MEN IN TREES ist eine sehr sympathische RomCom mit tollen Schauspielern, rustikalen Locations und durchweg liebenswerten Figuren, mit denen wir gerne Zeit verbringen. Durch die multiplen Storylines ist auch immer was los.
Aber hell and damnation, ich hatte vergessen, wie sehr MEN IN TREES über weite Strecke nicht mehr als ein Klon von NORTHERN EXPOSURE mit Geschlechtertausch ist. Der hippe New Yorker, der widerwillig im Kuhkaff in Alaska hängen bleibt, dort die Liebe findet, aber sich nicht binden kann. Der Flieger. Die Radiostation. Die Bar als Mittelpunkt so ziemlich aller Plots. Fish out of water. Big City vs. Great Unknown. Ich wundere mich, dass die Produzenten von NORTHERN EXPOSURE nicht geklagt haben.
Schlimmer noch: MEN IN TREES hat einen zweiten Satz Gene – den von SEX AND THE CITY. Die erfolgreiche Autorin aus New York, die trotz ihrer angeblichen Expertise in Sachen Dating die eigenen Beziehungen nicht auf die Reihe bekommt, die rothaarige Freundin, die intellektuelle Freundin, die ewigen Voice Over, die uns erklären, was wir in dieser Episode gelernt haben – Marin Frist ist Carrie Bradshaw in “ausgerechnet!” Alaska. Plain and simple.
Das macht die Serie lockerer und konsumierbarer als NORTHERN EXPOSURE, aber eben auch banaler. Wo NE keine Zeile zu viel verschwendet, wird bei MiT alles, wirklich ALLES zerredet und am Schluss nochmal mit Voice Over drauf gepackt. Die Serie lässt ihren Figuren wirklich keine Geheimnisse und was sie zu sagen hat, ist nicht substanziell genug, um es mehrfach zu wiederholen.
Es fällt auch auf, wie wenig sich das US-Fernsehen in den 16 Jahren von 1990 bis 2006 entwickelt hat – NORTHERN EXPOSURE und MEN IN TREES könnten ebenso parallel gedreht worden sein. War NE also sehr modern oder MiT sehr altmodisch? Heute kann man sich kaum noch vorstellen, dass eine Serie von z.B. 2005 mit einer aktuellen Produktion technisch wie erzählerisch gleichauf liegt.
Trotzdem schauen wir weiter – weil es Spaß macht. Und mehr muss manchmal nicht.
Es ist aber erstaunlich, dass MEN IN TREES in Sachen Zweitverwertung die gleichen Probleme wie NORTHERN EXPOSURE zu haben scheint: es gibt die Serie nirgendwo auf Scheibe und auch bei den üblichen Streaming-Diensten konnte ich sie nicht finden. Ich kann nur vermuten, dass es wieder mal an den Musikrechten liegt – komisch genug, denn zur Ausstrahlung konnte man ja schon wissen, dass das ein Problem ist. Mangels anderer Quellen findet man viele bestenfalls halblegale Uploads ganzer Folgen auf YouTube – und die Fassung, die wir uns anschauen, trägt noch das ABC-Logo der Erstausstrahlung von 2006. Ich bin überrascht, dass mein Rechner mit dem Video-Codec noch stressfrei klarkommt. Trotzdem wäre eine neue Abtastung in Full HD und mit besserem Sound auf jeden Fall wünschenswert.
Vielleicht irre ich mich auch – vielleicht besteht einfach kein Interesse an der Serie.
Ich denke aktuell schon über das “danach” nach – was passt zu NORTHERN EXPOSURE und MEN IN TREES? Ich neige momentan zu einem weiteren fast vergessenen Klassiker der 90er Jahre:
Yeah, Picket Fences \o/
Ja, ich gestehe – ich bin Picket Fences Fan. Auch wenn ich die Serie heute nicht mehr mit der Begeisterung ansehen kann, wie damals. Aber es ist dennoch bemerkenswert, wie sehr damals (wie heute) “heiße” Themen aufgegriffen wurden – auch wenn sie oft dann doch recht schnalzig-schnulzig durch die “große Familie” Broock gelöst wurden.
Dennoch sind gerade Richter Boone und Strafverteidiger Wambaugh erstaunlich vielschichtige Figuren, die ich in mein Herz geschlossen habe. Gerade weil viele der Charaktere mehr Facetten haben, als man glaubt, ist Picket Fences trotz oft doch sehr 90er Anmutung ein Wiederanschauen wert.
Wäre sehr gespannt über Deine Meinung dazu.
Und Ausgerechnet Alaska habe ich damals geliebt. Müsste ich mir eigentlich wirklich mal wieder geben…
Ja, Picket Fences war geniale Sat1-16-Uhr-nachmittags-Unterhaltung…mmmh….ob du als Charmed-Schreiber die Serie nur wegen Holly Marie Combs schauen willst ? 😉
Ausgerechnet Alaska hab ich nur sehr sporadisch gesehen, fand’s aber immer sehr sympathisch. Men in Trees hab ich bewusst nie gesehen – und in Picket Fences bin ich irgendwie, obwohl ich die Show unbedingt mögen wollte, nie reingekommen.
Wie wär’s mit Eerie, Indiana? Die ist auch praktisch kurz 🙂
Picket Fences fand ich damals großartig. Die Gerichtsverhandlungen waren mein Favorit. Habs aber seit der Erstausstrahlung nicht wieder gesehen und keine Ahnung obs gut gealtert ist.
“Six Feet Under” wäre auch eine Option.
Stimmt, da dacht ich auch gerade dran
Das wurde in den späteren Staffeln für meinen Geschmack schwächer und arg soapig. Staffel 1 und 2 find ich aber immer noch uneingeschränkt emfpehlenswert.
Ohja, wie erschrocken ich doch von dem Staffel 3 Auftakttwist war. Hatte dann immer gehofft, die Serie erholt sich davon, aber imo gings dann mit allen nur noch nach unten, der Charme der ersten Staffeln war verflogen. Imo kann man auch ganz gut nach der Folge 1 von Staffel 3 aufhören und zu den letzen Folgen springen. Man verpasst im Grunde “ja nur” die Entwicklung Ruth und Claire.
Vor allem die herausragende Finalfolge Everyone’s Waiting sollte man nicht verpassen.
Vergesst mir nicht CHICAGO HOPE.
Da war ich sogar mal bei den Dreharbeiten in LA.
Chicago Hope war damals mein Einstieg in die Arzt-Serien – und gefiel mir deutlich besser als ER! Gab es da nicht sogar ein Crossover mit Picket Fences? Ansonsten war ich Ende der 90er noch sehr von “The Pretender” fasziniert. Auch, wenn die Serie nie einen würdigen Abschluss bekam und man sich doch sehr arg in der eigenen Mythologie verstolperte 🙂
Für Fans der Sopranos kann ich noch wärmstens Lilyhammer empfehlen.
Steven Van Zandt als in Norwegen (!) untergetauchter Mafioso ist einfach groß-art-ig!
Leider gibt es davon nur 24 Folgen.
Und My Name ist Earl. Earl Hickey und seine Liste aller schlechten Taten, die er wieder gutmachen will.
Kann man sich immer mal wieder anschauen.
My name is Earl war toll! Schade nur dass die Serie, dank cancellation, auf einem cliffhanger beendet wurde. Ab und zu frage ich mich immer noch, ob Earl wohl seine komplette Liste abgehakt hat oder immer noch versucht alles wieder gut zu machen. Wir werden es wohl leider nie erfahren. :/
Laut eng. Wikipedia antwortete creator Greg Garcia bei Reddit auf die Frage eines Fans “Who was Earl Jr’s. real father and did Earl ever finish the list?”:
Ein klasse Ende, wie ich finde. Gedreht und gesendet wäre es ein genialer Abschluss gewesen.
Nun stelle ich es mir nach der letzten Folge eben immer selbst so vor.
In Garcias Nachfolgeserie “Raising Hope” wurde direkt am Anfang im Hintergrund in einem TV-Bericht die Handlung von “My Name is Earl” quasi aufgelöst und er hat seine Liste abgearbeitet 😀
Men in trees habe ich damals im TV nur wegen Anne Heche geguckt, aber schnell wieder fallen lassen, weil ich die Serie öde fand.
Was ich gerne mal wieder sehen würde, ist Chaos City (bzw. Spin City) zumindest die ersten 4 Staffeln mit Michael J. Fox. Aber die wird auch nirgends mehr gezeigt.
Picket Fences fand ich damals auch toll, aber Boston Legal war noch weit besser. Die könnte ich auch mal wieder schauen.
Bei den ganzen Streaming-Diensten.Warum gibt es keins mit den Klassiker-Serien.
THE UNTOUCHABLES
AUF DER FLUCHT
CHEERS
HILL STREET BLUES
L.A.LAW
ROCKFORD
MARY TYLER MOORE-SHOW’
LOU GRANT
Ich wäre sofort dabei.
Lou Grant würde ich auch sofort mal wieder anschauen. Cheers hatten wir schon zweimal. Rockford geht immer. Ob sich Auf der Flucht oder Untouchables gut gehalten hat, würde ich bezweifeln.
Lou Grant wäre auf alle Fälle ein Wiedersehen wert.
Für mich persönlich wichtig: O-Ton/OmU sollte immer eine wählbare Option sein.
Ich sehe mir seit Jahren keine nichtdeutschen Filme oder TV-Serien mehr gedubbt an. Das geht einfach nicht mehr.
Ja, Deutschland verfügt über eine sehr gute Synchronisations-Technik.
Aber sei es Authentizität (die Stimme eines Schauspielers macht einen großen Teil seiner Identität aus), sei es Wortwitz (nicht oder schlecht übersetzte/übersetzbare Witze und Anspielungen), sei es eine ganz andere Stimmung/eine ganz andere Emotion (im O-Ton wird durch die Stimme Ratlosigkeit oder Unsicherheit transportiert, was im Dub “glattgebügelt” wird), sei es die Logik mancher Handlungen auf der Leinwand (Zwei Personen unterhalten sich, eine dritte steht dabei und hört zu. Wenig später fragt man sich: Was macht der/die da nur? Er/sie sie hat doch vor ein paar Minuten gehört, worum es geht. Nein, eben nicht, weil die Synchronisation alles schön eingedeutscht hat, während im O-Ton Person Eins und Zwei sich in einer Sprache/einem Slang unterhalten habe, den Person Drei nicht versteht), sei es klar verständlicher Studioton in der Unterhaltung zweier Personen, während hinter ihnen die Leinwand explodiert oder laut ratternde Maschinen laufen – durch die Synchronisation verliert ein Film oder eine Serie (fast) immer mal weniger mal mehr.
Und ist man einmal vertraut mit den Originalstimmen der Schauspieler, die logischerweise einen großen Teil ihrer Originalität (no pun intended) ausmachen, freut man sich auch an einer zusätzlichen Ebene beim Film oder Serien anschauen.
Jedenfalls geht es mir so, dass ich durch den O-Ton einen essentiellen Mehrwert erhalte. Und sei es allein durch eine Überraschung, wie bei Guardians of the Galaxy vol. 2, als Yondu Udonta aus dem Vergnügungs-Etablissent die Treppe herunterkommt und ich aus dem (noch) Off eine Stimme hörte, die ich sofort erkannte und mich freute: Wow, jetzt wird gleich (Überraschung!) Sylvester Stallone einen Gastauftritt haben.
Ich weiß nicht, wie ich es besser beschreiben kann. O-Ton/OmU ist ein MUSS. Zumindest ein auswählbares. 😉
Guckst du hier:
https://wortvogel.de/2012/01/synchro-vs-original-vs-untertitel-ein-thesenpapier/
Ich hab letzte Woche durch ungünstige Umstände (=Wein) meinen Lieblingsfilm “The night of the hunter” nicht wie gewohnt mit Originalton gesehen, sondern synchronisiert. Und ich war begeistert wie gut die Sprecher die Stimmung eingefangen hatten. Es gibt natürlich auch grob verfremdende Fassungen, aber die Synchronisationen in Deutschland haben eine hohe Qualität aufrecht gehalten über eine erstaunlich lange Zeit. Gibt es zu dem Thema eigentlich schon ein Buch?
Habe ich nie gesehen. Danach muss ich mal suchen, danke!
Die Nacht des Jägers mit Robert Mitchum? Da hast du was verpasst. Das Buch ist auch toll, mir fällt nur gerade der Name des Autors nicht ein
Ich weiß jetzt, nachdem ich mich ein wenig damit beschäftigt habe, woher dieses ikonische Love-Hate-Tatoo kommt, das ich immer irgendwie im Kopf und irgendwo mal gesehen hatte. Und dass das die einzige Regiearbeit von Charles Laughton ist.
Um den zu sehen, müsste ich bei meinem Anbieter einen Sender dazubuchen. Was meine Frau dann wohl sagt? Obwohl … ich könnte ja die Vatertags-Karte ziehen …
Huhu!
Ich komm nur drauf, weil mir ein Kumpel “Men in Trees” als ähnliche Serie empfohlen hat, aber ich muss sagen, dass ich “Everwood” über weite Strecken ganz gut finde.
Setting ist ähnlich (Stadtarzt zieht ins Kaff im Nirgendwo). Hier gefällt mir gut, dass eben Sachen auch schief gehen, nicht immer gibt es am Ende der Episode ein Happy End. Es gibt sogar eine Episode, die auf einigen Sendern nicht ausgestrahlt wird, weil sie zu kontrovers ist (es geht um Abtreibung).
Die Kinder sind auch nicht die altklugen kleinen Erwachsenen, die alles immer besser verstehen und den Eltern die Welt erklären.
Und: Chris Pratt! Spielt wirklich gut, hat auch einen ganz plausiblen Character-Arch mit glaubwürdiger Entwicklung.