28
Jan 2009

Abenteuer mit Artwork (1)

Themen: Neues |

Ich habe euch in den letzten Tagen wahrlich mit ausreichend Geschichten zu meiner Entrümpel-Aktion genervt, aber eine geht noch. Mindestens.

Zu den Dingen, die ich endlich ordentlich zusammen gesucht und verpackt habe, gehört meine Sammlung an Original-Artwork. Wie schon erwähnt: Die Einzigartigkeit im Zeitalter digitaler Reproduktion fasziniert mich. So fielen mir heute wieder ein paar wirklich schöne Stücke in die Hände, an denen hübsche Anekdoten hängen.

burtonFangen wir mit dieser (auf 125 Exemplare limitierten uund signierten) Litho aus Tim Burtons Comic “Oyster Boy” an. Ich war damals in LA, und besuchte mit meiner Chefin häufiger den Laden ihrer Freundin Dawn. Dawn ist übrigens die Ehefrau von Rick, dem Oscar-ausgezeichneten Produktionsdesigner von “Big Lebowski”, “Sleepy Hollow”, und demnächst “Wolf Man”.  Bei “Storyopolis” kann man nicht nur pädagogisch hochwertiges Spielzeug und Bücher kaufen, sondern auch original Zeichnungen und Grafiken aus Büchern, von Covern, aus Magazinen, etc. Dawn hat mehrere tausend Stück.

In “Storyopolis” fühle ich mich immer wie im Himmel angekommen. Wir haben dort eines Abends nach Ladenschluss mal den Geburtstag von Hannes Jaenicke gefeiert – auf dem Tresen stand ein Geschenkkorb, den Dawn noch für Sylvesters Stallones Sohn Sage fertig machen musste. Das war 1997 oder 1998.

Als ich das erste Mal die Grafik-Archive durchwühlte, erlaubte ich mir einen klassischen Anfängerfehler: weil ich mich nicht entscheiden konnte, kaufte ich gleich alles, was mir gefiel. Insgesamt sieben Bilder, wenn ich mich recht erinnere. Kostenpunkt um die 4000 DM. Dazu muss man wissen: Ich war damals Mitte 20, und hatte keine Ahnung, dass Kreditkarten ein Limit haben. Netterweise erklärte sich meine Chefin bereit, die Grafiken (gut verpackt) mit nach München zu nehmen, weil ich noch nach Las Vegas wollte. Ich war das erste Mal in Amerika, und wollte die Dienstreise mit einem Privat-Ausflug krönen.

Die Katastrophe ließ keine 24 Stunden auf sich warten…

Ich weiß nicht mehr genau, wie es anfing: vermutlich wollte ich irgendwas kaufen, und die Kasse verweigerte meine Kreditkarte. Ich versuchte es woanders nochmal. Wieder das gleiche Spiel. Ich war überzeugt, die Karte sei kaputt – wie gesagt: “Limit” war für mich ein Fremdwort. Aber letztlich war es egal, woran es lag: Mein Hotelzimmer war nur noch für den Abend bezahlt, der Tank meines Mietwagens fast leer, ich hatte noch nichts gegessen – und insgesamt 34 Dollar in der Tasche.

Ich geriet in Panik, weil ich mich in solchen Situationen gerne als völlig lebensuntüchtig erweise. Unerwartete Hindernisse waren damals noch Feinde, keine Herausforderungen. In meinem Kopf kreisten wirre Bilder: “down and out in Beverly Hills”, schlafen im Auto, Cops, die mich in den Knast schmeißen. Ich hatte genug Filme gesehen, die Klischees waren mir bestens vertraut.

Ich hatte damals kein Handy, und das Internet steckte noch in den Kinderschuhen. No go.

Das Schicksal gab sich redlich Mühe, mir die Situation weiter zu vermiesen: Es war der Tag vor Halloween, und noch dazu ein Donnerstag. Das hieß: über die nächsten drei Tage war mit keiner Bank zu rechnen, auch nicht in Deutschland. Ich hätte nicht mal gewusst, an wen ich mich hätte wenden sollen.

Zu Dawn konnte ich nicht, denn “Storyopolis” war ebenfalls die nächsten Tage dicht. “Adams” gibt es SEHR viele im Großraum LA.

Ein paar Jahre vorher wäre es einfach gewesen. Mein Vater hatte 30 Jahre seines Lebens für Mannesmann gearbeitet, und immer gesagt: “Wenn du richtig in der Scheiße steckst, dann gehst du zu einer Mannesmann-Vertretung, die gibt es in jeder größeren Stadt – die helfen dir aus”. Leider war mein Vater seit sechs Jahren tot, und ich vermutete, dass man mich bei der Firma nicht mit offenen Armen empfangen würde.

Wenigstens brachte mich die Geschichte meines Vaters auf eine verzweifelte Idee: bis 1995 hatte ich bei der TV-Zeitschrift GONG gearbeitet, und die hatte ein LA-Büro, das von dem Korrespondenten Claus Preute geleitet wurde. “Claus Preute” würde sicher im Telefonbuch zu finden sein. Das Problem: Claus und ich waren immer wieder schwer aneinandergeraten – ich hielt ihn für einen aufgeblasenen Wichtigtuer, er mich für einen rotzigen Emporkömmling. Wir hatten beide drei Kreuze gemacht, als ich damals des Verlag verließ.

Allein, was blieb mir übrig? Ich musste wohl den Spott über mich ergehen lassen, wenn ich irgendwie vorankommen wollte. Ich machte mich mit dem US-Telefonsystem vertraut (gar nicht so einfach), und rief vom Hotelzimmer aus bei Claus an. Mein Herz pochte wie wild: gut möglich, dass Claus selber auf Kurzurlaub irgendwohin gefahren war. Dann war ich wieder bei Null.

Aber Claus war zu Hause, und ging ans Telefon. Ich erzählte knapp und deprimiert, was passiert war. Und zu meiner Überraschung gönnte sich Claus keinen Deut Schadenfreude: “Das kann vorkommen. Wieviel Geld brauchst du? Dann treffen wir uns bei mir im Büro”.

Es war mir peinlich, nach einer größeren Summe zu fragen, aber ich wollte ja noch nach Vegas. Also bat ich, um ganz sicher zu sein, um 1500 Dollar. Claus gab sie mir. Er hätte das nicht tun müssen. Das rechne ich ihm heute noch hoch an.

Puls und Blutdruck kamen nun langsam wieder runter –  mit Geld in der Tasche war Amerika wieder mein Freund.

Damit war die Geschichte fast zu Ende – fast. Ich hatte mittlerweile gelernt, dass ohne eine Kreditkarte in den USA gar nichts geht. Einen Mietwagen bekommt man ohne nicht, auch wenn einem die Dollarbündel aus der Tasche baumeln – Plastik bedeutet Bankwürdigkeit, und nur das zählt. Auch in vielen Hotels kann man nur per Kreditkarte ein Zimmer buchen.

Nun hatte ich also Geld in der Tasche, aber die Befürchtung, in Vegas damit nicht sehr weit zu kommen (wenigstens konnte ich essen und tanken). Ich parkte auf dem gigantischen Parkplatz des “Fantasy Island”-Hotels, und schlich mich an die Rezeption, an der mich ein “all american girl” in Uniform schon anstrahlte. Scheu, aber knapp erzählte ich, dass meine Kreditkarte einen Defekt habe, ich aber über ausreichend Barmittel verfügte – könnte ich denn ein Zimmer haben? Die junge Dame lachte freundlich: “Sir, das hier ist Vegas – hier bekommen Sie mit Bargeld alles!”

Sage keiner, der Wortvogel würde aus Schaden klug – zwei Jahre später versagte meine Kreditkarte bei einem US-Urlaub erneut, und ich musste wieder alle Hebel in Bewegung setzen, um flüssig zu bleiben. Seither habe ich zwei Kreditkarten dabei.

An Exponat zwei hängt keine ganz so große Geschichte:

quitely

Ich weiß nicht einmal mehr, wo ich die zwei Originalseiten aus dem Batman-Comic “The Scottish Connection” gekauft habe. Vielleicht in einer Galerie in Santa Monica, vielleicht bei Ebay. Ist schon ein paar Jahre her. Gereizt hat mich an den beiden Grafiken, dass man Batman tatsächlich sehen kann – normalerweise sind von Top-Zeichnern (siehe Alex Ross) nur jene Seiten erschwinglich, auf denen die Hauptfiguren nicht vorkommen. Ich hatte das Glück, dass Zeichner Frank Quitely 1998 ein absoluter Newcomer war, und deshalb vergleichsweise preiswert zu haben war: ich meine, 300 Dollar pro Seite bezahlt zu haben.

Wer sich ein wenig mit Comics auskennt, wird bei dieser Summe vermutlich den Kopf auf die Tischplatte schlagen: Quitely ist heute einer der gefragtesten Zeichner des DC-Universums. Wenn ich mich recht entsinne, stammt sogar der tote Batman aus seinem Bleistift.

Ich habe normalerweise keine gute Nase für Trends, aber ich glaube, mit dieser Originalseite eine gute Geldanlage im Haus zu haben…

In Teil 2 meiner “Abenteuer mit Artwork” geht es demnächst um London, Twin Peaks, Pornos, und zu kleine Frauen.



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4 Kommentare
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Tornhill
28. Januar, 2009 19:51

MEINE GÜTE! °_°

Die “mittellos in der Fremde”-Geschichte ist an sich ja schon gruselig genug (mir war schon unwohl, als ich nur mal eine Nacht am Kieler Bahnhof durchwachen musste…übrigens auch mit Comicbezug, denn während des Wartens las ich erstmals “Watchmen”), aber dann ist das “fatale Element” auch noch ein edles Burton-Stück…Respekt!

Abspannsitzenbleiber
29. Januar, 2009 13:31

Der tote Batman ist nicht von Quitely gezeichnet, sondern von jemand anders (von wem genau, kann ich dir nicht sagen, in dem Heft gaben sich verschiedene Zeichner den Stift in die Hand). Geschrieben ist die Geschichte jedenfalls von Grant Morrison, dem Autor, mit dem Quitely am öftesten und am liebsten zusammenarbeitet. Zuletzt erschien von den beiden die 12teilige Serie All-Star Superman, die von allen, die sie gelesen haben, in den allerhöchsten Tönen gelobt wird.

Wortvogel
Wortvogel
29. Januar, 2009 13:34

Ich könnte schwören, der Superman in dem Bild ist definitiv Quitely-Stil….

Peroy
Peroy
30. Januar, 2009 16:09

Das sind Alptraum-Storys, sowas will ich hier nicht lesen…