26
Jan. 2025

Fantasy Filmfest White Nights 2025 (2): ABOVE THE KNEE

Themen: FF White Nights 2025 |

NORWEGEN 2024

REGIE: Viljar Bøe

DARSTELLER: Freddy Singh, Julie Abrahamsen, Louise Waage Anda, Viggo Solomon

OFFIZIELLE SYNOPSIS: Amir hütet ein furchtbares Geheimnis: Sein linkes Bein beginnt, schwarz zu werden. Die Fäulnis breitet sich immer weiter aus und wird bald seinen ganzen Körper verschlingen. Es sei denn, er kann das Bein loswerden. Das ist die Lösung, von der er Tag und Nacht träumt. Doch der Haken dabei ist, dass nur er allein diesen Horror sehen kann. Seine Freundin Rikke ist völlig ahnungslos und nimmt seine Verschlossenheit zunächst nicht ernst. Wie lässt sich Amirs brennender Wunsch also erfüllen? Schließlich gibt es selbst im liberalen Norwegen keine Amputation auf Rezept.

KRITIK: Vorab wieder mal: Die Inhaltsangabe des Festivals verkauft ABOVE THE KNEE als "body horror", der er an keiner Stelle ist. Das progressiv verrottende Bein ist nur eine Einbildung von Amir, einer Verbildlichung seiner Krankheit.

Von Bøe haben wir bereits vor zwei Jahren den schrägen Erstling GOOD BOY gesehen und es ist nicht meiner Faulheit geschuldet, dass ich den Einstieg in die Kritik hier nochmal wiederhole:

Manchmal mache ich mir Sorgen um die Skandinavier. Die haben so schöner Länder, da ist es so sauber und anständig. Hübsche Blondinen hüpfen über Sommerwiesen, im Radio laufen immer ABBA und a-ha, und im Winter sitzt man vor dem prasselnden Kamin im eingeschneiten Blockhaus. Warum drehen die so schräge Filme, die einen vermuten lassen, dass zu viel Glück und Wohlstand den Wahnsinn fördern? Wie kommt man auf eine Idee wie GOOD BOY – und warum?

Positiv ist auf jeden Fall festzuhalten, dass GOOD BOY sehr viel aus sehr wenig macht. Letztlich kommen nur vier Personen und vier Locations vor, trotzdem wirkt der Film nie mager oder billig.

In der Tat ist ABOVE THE KNEE unverkennbar Bøe – ein mit kleinem Cast gedrehtes Psychodrama über eine psychische Verkrüpplung, die sich nicht in die Normalität einer Zweierbeziehung integrieren lässt. Es ist die Umkehrung des Prinzips von Adorno: Es gibt kein falsches Leben im richtigen. Ein Quadrat ist kein Kreis. Was Amir will, lässt sich nicht erklären, nicht verstehen, nicht akzeptieren.

Das ist sehr intensiv, sehr unangenehm, sehr verstörend – gerade weil Bøe die Körperdysmorphe Störung sehr präzise und ohne sensationsheischenden Horror inszeniert. Amir ist krank und verzweifelt, nicht verrückt oder böse. Seine Aggression richtig sich ausschließlich gegen sich selbst, er ist Täter und Opfer.

Letztlich funktioniert ABOVE THE KNEE über die gesamte Laufzeit auch besser als GOOD BOY, weil er mit Rikke und Jonas zwei Personen einbringt, die neue Aspekte und Sichtweisen verkörpern und an denen Amir seine Probleme reflektieren kann.

Natürlich bleibt die beim FFF beliebte Frage zurück: Ist das Horror, Suspense, oder auf irgendeiner anderen Ebene als Beitrage zu einem Genre-Festival zu rechtfertigen? Tatsächlich lautet meine Antwort diesmal "ja", weil der Horror hier intern, privat, fast intim ist. Manchmal sitzt der Feind in dir drin.

Es sollte klar sein, dass der Film damit eher für die experimentierfreudigen Besucher geeignet ist.

FAZIT: Ein Psychodrama über eine seltene Wahrnehmungsstörung mit einem etwas unbefriedigenden und überhasteten Ende, bei dem ich mich erneut wiederholen kann: "Ich schwanke sehr zwischen sechs und sieben Punkten und damit zwischen gelber und grüner Ampel."

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Thies
Thies
27. Januar, 2025 21:06

War ein ordentlicher Einstieg in den Festival-Tag. Und für Samstag-Mittag erstaunlich gut besucht. Die kurze Laufzeit und die Countdown-Struktur sorgen dafür das die Geduld nie strapaziert wird. Der innere Konflikt von Amir wird glaubhaft dargestellt. Weniger nachvollziehbar ist wie lange er sich in seinem Netz von Notlügen verstrickt ohne aufzufliegen. Und wenn seine gleichgesinnte Bekannte Rikke beginnt übergriffig zu werden deutet sich kurz eine Light-Version von "Fatal Attraction" an. Beim Fazit stimme ich Dir zu: für eine klare Empfehlung fehlt etwas, aber einen Hingucker ist er wert. 6/10