06
Sep 2024

Fantasy Filmfest 2024 (6): SKUNK

Themen: Fantasy Filmf. 24, Film, TV & Presse, Neues |

Belgien, Niederlande 2023. Regie: Koen Mortier. Darsteller: Thibaud Dooms, Natali Broods, Boris Van Severen, Colin H. van Eeckhout

Offizielle Synopsis: Blut strömt über Liams Gesicht, als ihn die Polizei seinen aggressiven Eltern entreißt. Doch auch in der Jugendeinrichtung ist er nicht sicher vor Misshandlung. Angehende Psychopathen wie Momo oder Johan, die davon träumen, Katzenbabys anzuzünden, haben es auf ihn abgesehen. Doch Liam ist bereit. Gewalt kennt er zur Genüge, auch aus den Splatterfilmen, mit denen er als Kind eingesperrt im Keller saß, während die Erwachsenen oben ihre perversen Sexpartys feierten.

Kritik: Das nur zur Korrektur – Liam ist nicht mit Splatterfilmen aufgewachsen, sondern spezifisch mit einem blutigen Western namens SCALPS, den er immer und immer wieder angeschaut hat (foreshadowing!).

Nach einem eher schwachen Tag hatte ich wenig Lust auf diesen, meinen fünften Film. Ich war müde und auch etwas “drüber”.

Warum ich ich nicht gucken wollte? Weil es ein Koen Mortier-Film ist.

Warum ich ihn trotzdem geguckt habe? Weil es ein Koen Mortier-Film ist.

Zur Erklärung: Seit der nuklearen Vernichtung meiner Erwartungen durch EX-DRUMMER 2007 ist Mortier eine sichere Bank für gnadenlose, brutale, asoziale und doch empatische Filme über die Randgestalten der (belgischen, holländischen) Gesellschaft. Er guckt hin, wo andere Regisseure verschämt wegblenden. Das macht wahrlich keine gute Laune, aber Kino ist schließlich auch kein Ponyhof.

Bei jedem anderen Regisseur hätte ich mit dem Gedanken gespielt, dieses “asozialer Jugendlicher in der Besserungsanstalt”-Drama auszulassen, das genau genommen nix au dem Fantasy Filmfest zu suchen hat. Aber Koen Mortier is in town, and Koen Mortier delivers.

Erstmal zur Entwarnung; SKUNK ist nicht ganz so brutal und hoffnungslos wie EX-DRUMMER (zu dem er mit wenig Änderungen ein Sequel sein könnte), weil er sich primär auf die Zeit NACH Liams Martyrium konzentriert, auf den Versuch der Rehabilitation eines Jungen, der Menschen an sich ranlassen möchte, aber nie gelernt hat, wie das geht. Es geht um die Frage, ob wir bei hoffnungslosen Fällen die Hoffnung aufgeben dürfen oder ob es die verdammte Pflicht der Gesellschaft ist, keinen Menschen als “hoffnungslos” abzustempeln.

Das ist kein Splatterkino für die Midnight Crowd und auch kein Date-Movie. SKUNK geht an die Substanz, macht uns immer wieder fassungslos ob der menschlichen Abgründe, die wir aber in jeder Sekunde als real und nachvollziehbar verstehen. Es wiederholt sich, was ich 2007 schrieb:

“Diese Tiere waren in Wirklichkeit der Spiegel, in den wir geschaut haben. Die „lost souls“ – sie sind unsere Verantwortung, nicht unser Abfall.”

Im Gegensatz zu EX-DRUMMER erlaubt uns SKUNK allerdings einen Funken Hoffnung, denn er ist nicht nur eine Situationsbeschreibung aus der asozialen Hölle, sondern eine Ausstiegsgeschichte, die vielleicht kein Happy End, aber weniger Elend verspricht. Und das ist in Liams Fall schon sehr viel,

Fazit: Beinharte Milieustudie, die Empathie für die Verlorenen erzeugt, ohne sich mit ihnen verlogen zu solidarisieren. Für sich genommen 9 von 10 Punkten, aber weil der nicht auf das FFF gehört, ziehe ich einen ab: 8 von 10 Punkten.

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Matts
Matts
18. September, 2024 18:12

Ja, es ist ein guter Film – aber definitiv kein einfacher. Ich weiss nicht, wann ich das letzte Mal einen Film gesehen habe, der sich so dicht dran am Leben gefühlt hat wie SKUNK. Sehr oft halt an den hässlichen Seiten das Lebens.
Und Thibaud Dooms spielt sich wirklich die Seele aus dem Leib!