17
Aug 2024

Hass ist Menschenrecht!

Themen: Film, TV & Presse |

Während ich endlich (?) mal wieder an einer Filmverbrechen-Fotostory arbeite, haue ich in diesen Tagen diverse kleinere Beiträge raus, die sich angesammelt haben. Man kann ja nicht jeden Text über 10.000 Zeichen prügeln.

Die BILD DER FRAU verleiht jedes Jahr die GOLDENE BILD DER FRAU an Frauen, die sich um die Rechte von Minderheiten (wozu wohl auch Frauen zählen) verdient gemacht haben. Die Preisträgerinnen werden in einer bundesweiten Plakataktion geehrt und dürfen ihr Mantra auf eine Zeile reduziert als Zitat präsentieren. Ich finde das eitel und oft genug ziemlich einfältig, weil wir primär mit Allgemeinplätzen im Stil von “Gewalt gegen kleine Mädchen muss aufhören!” konfrontiert werden – neben dem Porträtfoto einer Frau, die dankbar lächelt.

Ich lasse jetzt mal außen vor, dass es einen medialen Aufschrei gäbe, wenn eine Zeitschrift einen reinen Männer-Preis ausloben würde, dessen Empfänger ausschließlich Männer sein dürften und der noch dazu im TV übertragen wird.

Wirklich aufgeregt habe ich mich über so ein Plakat aber erst in diesen Wochen:

Das ist (nicht lachen!) Anna-Lena von Hodenberg. Eine arrivierte Journalistin, die zur Aktivistin mutiert ist und die üblichen Übel der Gesellschaft bekämpft: Rassismus, Rechtsradikalismus, Gewalt. Durchaus ehrenswert.

Ich stoße mich allerdings an der Aussage, es gäbe ein Recht auf freie Meinung, aber keines auf Hass. Das ist ist nicht nur grundfalsch, sondern in meinen Augen absichtlich falsch – was es schlimmer macht.

Fangen wir damit an, dass ich es unehrlich finde, in der ersten Hälfte des Satzes die Freie Meinungsäußerung zu loben, in der zweiten dann aber mit einem “aber…” zu relativieren. Das ist die linksliberale Variante von “Ich habe nichts gegen Ausländer, aber…”. “Freie Meinungsäußerung” ist eine wertlose Phrase, wenn jede Person und jede Organisation sie nach Gutdünken beschneiden kann. Freie Meinungsäußerung ja! Aber nicht, wenn es gegen Schwule, gegen Religion, gegen Behinderte, gegen Jugendliche, gegen Frauen, gegen Politiker, etc. geht! Im Endeffekt reduziert das die Freie Meinungsäußerung auf alles, was nicht “gegen” etwas oder jemanden spricht, niemanden empört, niemanden verletzt. Das entkernt sie, das macht sie wertlos.

Hier ist es aber noch schlimmer, weil von Hodenberg sich nicht gegen eine bestimmte Form von Äußerungen wendet, sondern gegen ein Gefühl. Sie prangert nicht etwa “Hassrede” an, sondern “Hass”. Da wir hier von einer ausgebildeten Journalistin sprechen, müssen wir davon ausgehen, dass das kein Versehen ist.

Um das ohne Interpretationsspielraum zu sagen: Es gibt selbstverständlich ein Recht auf Hass. Ich darf hassen, was und wen ich will – inbrünstig und bis ins Fegefeuer. Ich darf die Tatsache hassen, dass mir heute morgen die Schnalle vom Gürtel abgebrochen ist – und Uwe Boll für BLUBBERELLA.

Nicht missverstehen: Hass ist hässlich. Hass sollte in einer idealen Welt unnötig sein und man sollte seinen Hass für Dinge reservieren, die es wert sind. Wer sich im Griff hat, hasst nichts und niemanden, weil Hass Seelen vergiftet und Zeit verschwendet. Er ist selten ein produktives Gefühl.

Aber Hass ist ein Gefühl, und man hat das Recht auf jedes Gefühl – man hat auch ein Recht auf Liebe, auf Neugier, auf Angst, auf Freude, auf Trauer. Hass ist ein Teil des menschlichen Spektrums und die Evolution hat sich was dabei gedacht.

Anger is an Energy, wie John Lydon es so treffend ausgedrückt hat.

Warum also lässt sich Anna-Lena von Hodenberg mit einem derart populistischen, aber provokant falschen Zitat plakatieren?

Die Antwort finde ich beunruhigend: Weil es Propaganda ist, die Menschen von der verführerisch einfachen These “Niemand hat ein Recht auf Hass” überzeugen soll. Es ist bequem, zustimmend zu nicken – weil man sich selber ja auch nie für hasserfüllt hält und mit Hass meistens Skinheads und anderes Pack verbindet. Die, die ihren Hass nach außen kehren, die vernichten und verletzen. Trump-Anhänger, ja, die hassen! Aber wir doch nicht!

Wenn man einmal etabliert hat, dass es kein Recht auf Hass gibt, dann kann man Hass auch prima juristisch verfolgen. Dann ist nicht mehr nur die Tat strafbar, oder das Wort, sondern plötzlich auch das vage Gefühl, der unkontrollierte Gedanke. Thoughtcrime nannte Orwell das.

Wir waren uns doch eigentlich einig, dass das keine gute Idee ist – oder?!

Für die Mächtigen ist Thoughtcrime eine großartige Sache, weil es unterstellt werden kann, weil es fluide ist, weil es keine exakte Definition braucht außer der, dass sich jemand davon ge/betroffen fühlt. Kein Strafgesetzbuch legt fest, was justiziabel ist – es reicht ein

Ihr findet, dass ich das zu schwarz male, dass ich ein albernes Plakat einer albernen Aktion einer albernen Frauenzeitschrift überbewerte? Hasst ihr es etwa, wenn ich mich derart über Kleinkram aufrege?



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41 Kommentare
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Thomas Bunzenthal
Thomas Bunzenthal
17. August, 2024 12:57

Ich hasse es, wenn andere Menschen recht haben…

Walter K. aus H.
Walter K. aus H.
17. August, 2024 14:03

Den Beitrag bitte auf eine Zeile reduzieren, um ihn preiswertig zu machen.

Walter K. aus H.
Walter K. aus H.
17. August, 2024 14:42
Reply to  Torsten Dewi

Nee, zu plakativ!

(pi)

Walter K. aus H.
Walter K. aus H.
18. August, 2024 11:27
Reply to  Torsten Dewi

(note to self: Wortspielbattlebaits für den Wortvogel _vorher_ besser durchdenken)

Michael Hoppe
Michael Hoppe
17. August, 2024 16:40

Natürlich warte ich(und einige andere auch) auf eine neue Fotostory.Endlich!

Peter Scholz
Peter Scholz
17. August, 2024 16:45

Danke für die Erwähnung von ‘Blubberella’ 🙂 Obwohl ich mir das mögliche Hassgefühl nach Sichtung geschenkt hab und lieber Verachtung wählte.

Raphael
Raphael
18. August, 2024 00:07

Um das ohne Interpretationsspielraum zu sagen: Es gibt selbstverständlich ein Recht auf Hass. 

Wenn man die Formulierung auf dem Plakat auf die Goldwaage legt (“Hass” vs. “Hassrede”), dann kann man zumindest anerkennen, dass sie technisch korrekt ist. In der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, die hier meines Erachtens relevant ist, wird in Artikel 19 explizit die Meinungsfreiheit aufgeführt. Ein dezidiertes Recht auf “Hass” (oder überhaupt Gefühle) findet sich aber nicht.

Über die Gedankenfreiheit (Art. 18) kann man dann vielleicht ein Recht auf Gefühlsfreiheit ableiten – ich bin mir aber jetzt tatsächlich unsicher, ob Gefühle wirklich eine Unterklasse von Gedanken sind.

Luc
Luc
18. August, 2024 09:56
Reply to  Raphael

Dass bestimmte Rechte im Laufe der Zeit kodifiziert wurden bedeutet nicht, dass man andere Rechte als die aufgeschriebenen plötzlich nicht mehr hat.

Im Übrigen hat der Wortvogel völlig Recht damit dass Gefühle von Anfang an nicht unter die gleiche Kategorie der Rechte fallen können wie solche, die ein anderer einem tatsächlich mit Gewalt vorenthalten kann.

Schlotterbeck
Schlotterbeck
18. August, 2024 12:39

belämpft
😉

Martzell
18. August, 2024 13:36

Hass schadet der freien Meinungsäußerung.

Martzell
18. August, 2024 20:44
Reply to  Martzell

Ich finde der Spruch auf dem Plakat wirbt gut dafür Volksverhetzung nicht als freie Meinungsäußerung misszuverstehen. Elon Musk hat aktuell Twitter zu einer Plattform gemacht auf der Lügen, Hass, Hetze und Desinformation grenzenlos verbreitet werden darf. Das schädigt die Meinungsfreiheit. Und er hält sich dabei noch für einen Kämpfer für die Meinungsfreiheit. Hass verbieten will das Plakat nicht. Die Normalisierung von faktenfreier Fremdenfeindlichkeit und Hassrhetorik besorgniserregend zu finden macht einen nicht zum linksgrünversifften Wokemenschen, sondern ganz normal empathisch anständig. Siehe auch: https://www.facebook.com/martzell/posts/pfbid0wLn4uLwRU9rG8xoFe4MEPJMG4mKnraWmQ1QAwvJf7u8za741xcwEARgiC6Bmo7vMl

Luc
Luc
18. August, 2024 22:04
Reply to  Martzell

Volksverhetzung als Straftatbestand und das Gefühl Hass sind zwei vollständig verschiedene Dinge.

Thomas G. Liesner
Thomas G. Liesner
18. August, 2024 22:09
Reply to  Martzell

“Hass” und “Volksverhetzung” sind ähnlich gleich wie “Gleichberechtigung” und “Gleichstellung”. Und Hass gegen “Nazis” und Hass gegen Männer ist ja kein Problem, nur Hass von rechts ist problematisch, auch wenn jede noch so sachliche Kritik schnell als “Angst” und “Hass” qualifiziert wird, damit man sich nicht mit Argumenten auseinandersetzen muss.

Feivel
Feivel
18. August, 2024 22:44
Reply to  Martzell

“[…] auf der Lügen, Hass, Hetze und Desinformation grenzenlos verbreitet werden darf. Das schädigt die Meinungsfreiheit.”

Hä? Verstehe ich nicht. Ganz ehrlich und ohne Sarkasmus.

Martzell
23. August, 2024 23:55
Reply to  Feivel

Siehe aktuell England. Fremdenfeindliche Gewalt wegen hasserfüllter Fake News.

Psy
Psy
19. August, 2024 07:33
Reply to  Martzell

Nein, tut er nicht.
Ich kann hassen Wen und so viel ich will, das schränkt die Meinungsfreiheit der Gehassten genau garnicht ein. Erst wenn aus hass Taten folgen schränkt das etwas ein. Dagegen hilft Impulskontrolle und Resilienz.

Last edited 1 Monat zuvor by Psy
Martzell
21. August, 2024 23:14
Reply to  Martzell

Das Gefühl Hass will niemand verbieten. Der Kontext ist klar.

dermax
dermax
22. August, 2024 08:47
Reply to  Martzell

Nein, ist er nicht. Was ist denn dann die Kernaussage?

Martzell
23. August, 2024 23:53
Reply to  dermax

Hassrede schadet der Meinungsfreiheit.

Martzell
24. August, 2024 10:33
Reply to  Torsten Dewi

Hass will Menschen schaden. Ein sachlicher Austausch unterschiedlicher Meinungen ist damit nicht möglich. „Du Arschloch, was weißt du den schon!“ beendet üblicherweise Diskussionen und lädt nicht dazu ein.

Auf Twitter haben emotionalisierende Kampagnen zugenommen, die sachliche Diskussionen ersticken. Populisten und Algorithmen fördern Themen die reine Desinformationskampagnen sind, vulgo Lügen.

Last edited 1 Monat zuvor by Martzell
Martzell
24. August, 2024 10:40
Reply to  Martzell

Es gibt kein Recht auf Hass gegen Menschen sondern Grenzen die die Menschenwürde setzt.

Martzell
24. August, 2024 19:28
Reply to  Torsten Dewi

Du hast dich verrannt in die gewollte Missinterpretation das Gefühl Hass wolle jemand verbieten. Dafür gibt es keinen Beleg. Auch ist es sehr gewagt ein Menschenrecht auf Hass abzuleiten.

Wenn mir jemand meinen geliebten Rap über Hass (Gangstarap/Battlerap) verbieten will stehe ich an deiner Seite mich darüber zu empören.

Last edited 1 Monat zuvor by Martzell
Martzell
25. August, 2024 22:12
Reply to  Torsten Dewi

https://www.ohchr.org/en/human-rights/universal-declaration/translations/german-deutsch?LangID=ger

Sorry, Hass ist nicht Teil der Menschenrechtscharta. Aber du hast ja bereits erklärt dass dein „gesunder Menschenverstand“ dir die Welt definiert wie es dir gefällt. Also alles Claro, weitermachen.

Die Plakataktion meint Hass im Kontext freie Meinungsäußerung. Gefühle will niemand verbieten. Diese rauszubrüllen ist Hetze, führt zu Taten und dient nur der Emotionalisierung und den Klicks.

dermax
dermax
26. August, 2024 09:01
Reply to  Martzell

Wenn ich mich auf den Marienplatz stelle mit einem Schild “ich hasse Martin”, sollte ich demnach verhaftet werden?

Peter Krause
Peter Krause
26. August, 2024 09:36
Reply to  Martzell

Wenn man den Begriff “Recht” ausschließlich im staatlich codifizierten Sinne auffasst, ist die Aussage “Es gibt kein Recht auf Hass” völlig leer, sie wäre überflüssig.
Denn dann gibt es auch kein Recht auf’s Schwitzen, oder auf Erdanziehungskraft. Und was folgt daraus? Genau, nichts.

Goran
Goran
26. August, 2024 11:05
Reply to  Torsten Dewi

Man siehe hierzu Großbrittannien, insbesondere Schottland.

Und auch hier weiß wieder einer genau welcher Hass gemeint ist, obwohl das auf dem Plakat nirgendwo definiert wird.

Nebulöser böser Hass, den sich dann jeder selbst einordnen kann, damit man auf jeden Fall zustimmt.

Rethorisch unehrlich und manipulativ, damit man dann bei den Einschränkungen gegen die Meinungsfreiheit mitmacht. Ist ja nur der böse Hass.
Das wogegen die richtige Denke ist, das ist ja nicht Hass.

Meinungsfreiheit muss im öffentlichen Raum mehr aushalten, muss auch die Äusserung falscher, dummer und gefährlicher Meinungen zulassen, denn wenn man diese nicht mehr kontern, sondern nur verbieten kann, dann ist das das Ende einer (angeblich) freihen Gesellschaft.

Tresie
19. August, 2024 08:21

Sehr nachvollziehbare Argumentation.