Konzert-Kritik: RICHARD MARX München 2022
Themen: Neues |Richard Marx und ich, das ist eine so lange wie banale Geschichte. Ich gehörte Anfang der 90er zu den vermutlich hunderttausenden von Menschen, die RIGHT HERE WAITING als IHR Lied betrachteten, als die große Ballade über IHRE tragische Fernbeziehung. Darüber hinaus produzierte der Songwriter einen Haufen weiteren gefälligen Pop, auch wenn mich immer die alberne Sturmfrisur amüsiert hat, die den recht kleinen Mann gerade so groß aussehen ließ, dass er auf der Kirmes mit der Achterbahn fahren durfte. Er wird auch ewig der Sänger mit dem gleichzeitig deppertsten und grandiosesten Plakatmotiv aller Zeiten bleiben:
Natürlich war seine Zeit als Superstar begrenzt und endete spätestens Mitte der 90er. Da war er schon länger mit der bezaubernden Cynthia Rhodes verheiratet, mit der er auch drei Söhne hat:
Ich habe seine Karriere nicht weiter verfolgt, bis er in den 2000ern wieder mehr Schlagzeilen machte – als durchaus streitbarer Geist, der sich mit Journalisten anlegt und sehr lautstark auf die Republikaner einprügelt. My kinda guy!
Vor zwei Jahren kam ich am Düsseldorfer Schauspielhaus an einem Plakataushang vorbei – Marx tourt noch?! Gleich mal googeln. Und siehe da: für München war auch noch ein Konzert geplant. Das dann dreimal verschoben wurde.
Gestern Abend war es aber endlich soweit – Richard Marx. All the hits. One incredible Night. Live. So stand’s in der Beschreibung.
Ich hatte mir nicht klar gemacht, dass das hier kein “full featured”-Konzert werden würde, sondern ein intimer Akustik-Abend. Zwei Gitarren (von denen er nur eine nutzen wird), ein Piano (für anderthalb Songs), das war’s auch schon.
Bevor der Maestro die Bühne betritt, wird eine Video-Collage eingespielt, die man für etwas abgehobenes Marketing halten könnte, die aber durchaus ein paar Sachen klärt: Marx ist kein “has been”. Er hält bis heute den Rekord, als einziger Künstler seine ersten sieben Singles in die Top5 gebracht zu haben. Er hat mehr als 30 Millionen Platten verkauft. Er hat für N’Sync geschrieben, für Luther Vandross, für Kenny Loggins und Keith Urban. Er ist eine der ganz festen Größen des “adult contemporary”-Genres in den USA. also jener nostalgischen Dudelmusik, die Boomer so gerne im Auto mitsingen.
Hier tritt niemand auf, der sich noch was beweisen muss, Rechnungen zu bezahlen hat oder endlich mal wieder beklatscht werden möchte.
Und so kommt er dann auch auf die Bühne: schwarzes T-Shirt, schwarze Jeans, schwarze Stiefel, ungestylt, gut gelaunt, und ohne große Vorrede steigt er mit zwei, drei seiner Klassiker ein. Mich irritiert, wie sehr er Charlie Sheen ähnelt – ein Eindruck, der verstärkt wird, weil er in einem Haus am Strand in Malibu lebt:
Immer wieder lässt er das Publikum mitsingen, freut sich über die positiven Reaktionen auf die zwei neuen Songs, die er präsentiert (Ohrwürmer beide), und beweist seine Qualitäten als Musiker, der mit der Gitarre eben nicht nur eine Fußgängerzone, sondern auch das Deutsche Theater bespaßen kann.
Man vergisst zu leicht, dass der Mann neben suppigen Balladen und Uptempo-Pop wirklich interessante Songs verbrochen hat:
Als besonders drollig entpuppen sich die beiden Songs, die Marx eigentlich für andere Performer geschrieben hat, an diesem Abend aber selber vorträgt, z.B. den Hit THIS I PROMISE YOU von N’SYNC:
Und ja, der Mann hat auch mal Hair Metal geschrieben – EDGE OF A BROKEN HEART von VIXEN ist ein Headbanger erster Güte:
Natürlich bringt die Musik in diesem Setting und mit reiner Gitarren-Begleitung den Saal nicht zum Kochen. Das hier ist entspannter Pop für ältere Gemüter, die noch Feuerzeuge schwenken würden, wenn sie nicht alle längst das Rauchen aufgegeben hätten. Stellt euch das ziemlich genau so vor:
Zwischendurch holt Marx auch mal seine zweite Frau auf die Bühne, damit sie ihm ein Armband vom rechten auf das linke Handgelenk umbindet, weil es an der Gitarre klappert. Cynthia Rhodes ist out, Daisy Fuentes ist in – die Ex-MTV-Moderatorin ist wahrlich kein Downgrade:
Ist das ein Event? Nein. Möchte man sich die Klamotten vom Leib reißen und vom Seitenbalkon rechts (Reihe 2, Sitz 8) in die Menge springen? Sicher nicht. Es ist das Konzert eines absoluten Profis, der mit geübter kalifornischer Freundlichkeit sein genau getaktetes Programm durchzieht, in Toronto wie in München oder in Shanghai. Seine Musik ist kein Seelenstriptease wie bei Robbie Williams und er macht keine Anstalten, sich anzubiedern. Aber er weiß, was er liefern muss.
Es ist wie bei so vielen Konzerten: Da man praktisch alle Hits kennt, vergeht die Zeit wie im Flug. Das Publikum ist gut drauf und Marx weiß es zu bedienen. Besonders bei ANGELIA kommt Gänsehaut auf, denn der ganze Saal singt sehr sacht den Refrain mit, wie es sich für den Song gehört.
Zwei Stunden ohne Pause, ohne größeres Geplänkel. Tatsächlich alle Hits. Als Zugabe natürlich RIGHT HERE WAITING. Und ich bin plötzlich wieder 21, stehe in München am Hauptbahnhof und weiß nicht wohin – an diesem Tag oder in meinem Leben. Für einen Moment muss ich mich zusammen reißen.
Als wir aufstehen, legt eine ältere Dame, die hinter mir gesessen hat, lächelnd die Hand auf meine Schulter: “Sie haben sehr schön mitgesungen. Und sehr textsicher”. Als ich mich versichert habe, dass das nicht sarkastisch gemeint ist, freut es mich. Ich habe es selber gar nicht gemerkt.
Vielleicht ist das die Magie des Pop.
Genauso war es, es war einfach “einfach” und es war wirklich toll….
Ich mag Right Here Waiting. Sehr sogar. Und deshalb hab sogar ich ne CD von ihm.
Schön (nicht sarkastisch gemeint)
right here waiting war eine meiner ersten echten west platten, zusammen gekauft mit “As Nasty As They Wanna Be”
Toller Künstler, tolles Konzert. Der darf gerne öfters nach D. kommen.
Ging mir vor wenigen Wochen ganz genauso bei Suzanne Vega in Hamburg. Sie mit Akustikgitarre, begleitet von einer E-Gitarre. MojoClub (der neue) mit etwa 200 Leuten. Profesionell, unterhaltsam, auch wegen der Stories zwischendurch. Und mein “Right here waiting” war “The queen and the soldier”, bei dem ich das erste Mal seit Jahrzehnten bei einem Konzert eine Träne im Auge hatte.
Das war ein wirklich tolles Konzert. Live und unplugged. Es hatte eine gewisse Intimität die ich so noch in keinem Konzert erlebt habe…Und ich besuche so einige..
toller Beitrag….macht Lust auf Einfaches und Echtes…..ganz das Gegenteil zu Frau H. Fischer die anscheinend alle Bühnentechniker der Welt vereint zu haben scheint!
Wie bei einem Burger. Ohne Bla Bla und Chi Chi. Nur gutes Fleisch, Käse, Tomate, Gurke, Salat, Ketchup und Senf. Und muss ohne Besteck essbar sein.